2320 lines
142 KiB
Plaintext
2320 lines
142 KiB
Plaintext
|
The Project Gutenberg EBook of Die Verwandlung, by Franz Kafka
|
|||
|
|
|||
|
This eBook is for the use of anyone anywhere at no cost and with
|
|||
|
almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or
|
|||
|
re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included
|
|||
|
with this eBook or online at www.gutenberg.org
|
|||
|
|
|||
|
|
|||
|
Title: Die Verwandlung
|
|||
|
|
|||
|
Author: Franz Kafka
|
|||
|
|
|||
|
Release Date: August 21, 2007 [EBook #22367]
|
|||
|
|
|||
|
Language: German
|
|||
|
|
|||
|
|
|||
|
*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK DIE VERWANDLUNG ***
|
|||
|
|
|||
|
|
|||
|
|
|||
|
|
|||
|
Produced by Jana Srna, Alexander Bauer and the Online
|
|||
|
Distributed Proofreading Team at http://www.pgdp.net
|
|||
|
|
|||
|
|
|||
|
|
|||
|
|
|||
|
|
|||
|
|
|||
|
DIE VERWANDLUNG
|
|||
|
|
|||
|
VON
|
|||
|
|
|||
|
FRANZ KAFKA
|
|||
|
|
|||
|
|
|||
|
K U R T W O L F F V E R L A G
|
|||
|
|
|||
|
L E I P Z I G
|
|||
|
|
|||
|
|
|||
|
|
|||
|
|
|||
|
B Ü C H E R E I »D E R J Ü N G S T E T A G« B A N D 2 2 / 2 3
|
|||
|
|
|||
|
GEDRUCKT BEI DIETSCH & BRÜCKNER · WEIMAR
|
|||
|
|
|||
|
|
|||
|
|
|||
|
|
|||
|
COPYRIGHT KURT WOLFF VERLAG · LEIPZIG. 1917
|
|||
|
|
|||
|
|
|||
|
|
|||
|
|
|||
|
I.
|
|||
|
|
|||
|
|
|||
|
Als Gregor Samsa eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte, fand er
|
|||
|
sich in seinem Bett zu einem ungeheueren Ungeziefer verwandelt. Er lag
|
|||
|
auf seinem panzerartig harten Rücken und sah, wenn er den Kopf ein wenig
|
|||
|
hob, seinen gewölbten, braunen, von bogenförmigen Versteifungen
|
|||
|
geteilten Bauch, auf dessen Höhe sich die Bettdecke, zum gänzlichen
|
|||
|
Niedergleiten bereit, kaum noch erhalten konnte. Seine vielen, im
|
|||
|
Vergleich zu seinem sonstigen Umfang kläglich dünnen Beine flimmerten
|
|||
|
ihm hilflos vor den Augen.
|
|||
|
|
|||
|
»Was ist mit mir geschehen?« dachte er. Es war kein Traum. Sein Zimmer,
|
|||
|
ein richtiges, nur etwas zu kleines Menschenzimmer, lag ruhig zwischen
|
|||
|
den vier wohlbekannten Wänden. Über dem Tisch, auf dem eine
|
|||
|
auseinandergepackte Musterkollektion von Tuchwaren ausgebreitet war --
|
|||
|
Samsa war Reisender --, hing das Bild, das er vor kurzem aus einer
|
|||
|
illustrierten Zeitschrift ausgeschnitten und in einem hübschen,
|
|||
|
vergoldeten Rahmen untergebracht hatte. Es stellte eine Dame dar, die,
|
|||
|
mit einem Pelzhut und einer Pelzboa versehen, aufrecht dasaß und einen
|
|||
|
schweren Pelzmuff, in dem ihr ganzer Unterarm verschwunden war, dem
|
|||
|
Beschauer entgegenhob.
|
|||
|
|
|||
|
Gregors Blick richtete sich dann zum Fenster, und das trübe Wetter --
|
|||
|
man hörte Regentropfen auf das Fensterblech aufschlagen -- machte ihn
|
|||
|
ganz melancholisch. »Wie wäre es, wenn ich noch ein wenig
|
|||
|
weiterschliefe und alle Narrheiten vergäße,« dachte er, aber das war
|
|||
|
gänzlich undurchführbar, denn er war gewöhnt, auf der rechten Seite zu
|
|||
|
schlafen, konnte sich aber in seinem gegenwärtigen Zustand nicht in
|
|||
|
diese Lage bringen. Mit welcher Kraft er sich auch auf die rechte Seite
|
|||
|
warf, immer wieder schaukelte er in die Rückenlage zurück. Er versuchte
|
|||
|
es wohl hundertmal, schloß die Augen, um die zappelnden Beine nicht
|
|||
|
sehen zu müssen, und ließ erst ab, als er in der Seite einen noch nie
|
|||
|
gefühlten, leichten, dumpfen Schmerz zu fühlen begann.
|
|||
|
|
|||
|
»Ach Gott,« dachte er, »was für einen anstrengenden Beruf habe ich
|
|||
|
gewählt! Tag aus, Tag ein auf der Reise. Die geschäftlichen Aufregungen
|
|||
|
sind viel größer, als im eigentlichen Geschäft zu Hause, und außerdem
|
|||
|
ist mir noch diese Plage des Reisens auferlegt, die Sorgen um die
|
|||
|
Zuganschlüsse, das unregelmäßige, schlechte Essen, ein immer
|
|||
|
wechselnder, nie andauernder, nie herzlich werdender menschlicher
|
|||
|
Verkehr. Der Teufel soll das alles holen!« Er fühlte ein leichtes Jucken
|
|||
|
oben auf dem Bauch; schob sich auf dem Rücken langsam näher zum
|
|||
|
Bettpfosten, um den Kopf besser heben zu können; fand die juckende
|
|||
|
Stelle, die mit lauter kleinen weißen Pünktchen besetzt war, die er
|
|||
|
nicht zu beurteilen verstand; und wollte mit einem Bein die Stelle
|
|||
|
betasten, zog es aber gleich zurück, denn bei der Berührung umwehten ihn
|
|||
|
Kälteschauer.
|
|||
|
|
|||
|
Er glitt wieder in seine frühere Lage zurück. »Dies frühzeitige
|
|||
|
Aufstehen«, dachte er, »macht einen ganz blödsinnig. Der Mensch muß
|
|||
|
seinen Schlaf haben. Andere Reisende leben wie Haremsfrauen. Wenn ich
|
|||
|
zum Beispiel im Laufe des Vormittags ins Gasthaus zurückgehe, um die
|
|||
|
erlangten Aufträge zu überschreiben, sitzen diese Herren erst beim
|
|||
|
Frühstück. Das sollte ich bei meinem Chef versuchen; ich würde auf der
|
|||
|
Stelle hinausfliegen. Wer weiß übrigens, ob das nicht sehr gut für mich
|
|||
|
wäre. Wenn ich mich nicht wegen meiner Eltern zurückhielte, ich hätte
|
|||
|
längst gekündigt, ich wäre vor den Chef hingetreten und hätte ihm meine
|
|||
|
Meinung von Grund des Herzens aus gesagt. Vom Pult hätte er fallen
|
|||
|
müssen! Es ist auch eine sonderbare Art, sich auf das Pult zu setzen und
|
|||
|
von der Höhe herab mit dem Angestellten zu reden, der überdies wegen der
|
|||
|
Schwerhörigkeit des Chefs ganz nahe herantreten muß. Nun, die Hoffnung
|
|||
|
ist noch nicht gänzlich aufgegeben, habe ich einmal das Geld beisammen,
|
|||
|
um die Schuld der Eltern an ihn abzuzahlen -- es dürfte noch fünf bis
|
|||
|
sechs Jahre dauern --, mache ich die Sache unbedingt. Dann wird der
|
|||
|
große Schnitt gemacht. Vorläufig allerdings muß ich aufstehen, denn mein
|
|||
|
Zug fährt um fünf.«
|
|||
|
|
|||
|
Und er sah zur Weckuhr hinüber, die auf dem Kasten tickte. »Himmlischer
|
|||
|
Vater!« dachte er, Es war halb sieben Uhr, und die Zeiger gingen ruhig
|
|||
|
vorwärts, es war sogar halb vorüber, es näherte sich schon dreiviertel.
|
|||
|
Sollte der Wecker nicht geläutet haben? Man sah vom Bett aus, daß er auf
|
|||
|
vier Uhr richtig eingestellt war; gewiß hatte er auch geläutet. Ja, aber
|
|||
|
war es möglich, dieses möbelerschütternde Läuten ruhig zu verschlafen?
|
|||
|
Nun, ruhig hatte er ja nicht geschlafen, aber wahrscheinlich desto
|
|||
|
fester. Was aber sollte er jetzt tun? Der nächste Zug ging um sieben
|
|||
|
Uhr; um den einzuholen, hätte er sich unsinnig beeilen müssen, und die
|
|||
|
Kollektion war noch nicht eingepackt, und er selbst fühlte sich durchaus
|
|||
|
nicht besonders frisch und beweglich. Und selbst wenn er den Zug
|
|||
|
einholte, ein Donnerwetter des Chefs war nicht zu vermeiden, denn der
|
|||
|
Geschäftsdiener hatte beim Fünfuhrzug gewartet und die Meldung von
|
|||
|
seiner Versäumnis längst erstattet. Es war eine Kreatur des Chefs, ohne
|
|||
|
Rückgrat und Verstand. Wie nun, wenn er sich krank meldete? Das wäre
|
|||
|
aber äußerst peinlich und verdächtig, denn Gregor war während seines
|
|||
|
fünfjährigen Dienstes noch nicht einmal krank gewesen. Gewiß würde der
|
|||
|
Chef mit dem Krankenkassenarzt kommen, würde den Eltern wegen des faulen
|
|||
|
Sohnes Vorwürfe machen und alle Einwände durch den Hinweis auf den
|
|||
|
Krankenkassenarzt abschneiden, für den es ja überhaupt nur ganz gesunde,
|
|||
|
aber arbeitsscheue Menschen gibt. Und hätte er übrigens in diesem Falle
|
|||
|
so ganz unrecht? Gregor fühlte sich tatsächlich, abgesehen von einer
|
|||
|
nach dem langen Schlaf wirklich überflüssigen Schläfrigkeit, ganz wohl
|
|||
|
und hatte sogar einen besonders kräftigen Hunger.
|
|||
|
|
|||
|
Als er dies alles in größter Eile überlegte, ohne sich entschließen zu
|
|||
|
können, das Bett zu verlassen -- gerade schlug der Wecker dreiviertel
|
|||
|
sieben -- klopfte es vorsichtig an die Tür am Kopfende seines Bettes.
|
|||
|
»Gregor,« rief es -- es war die Mutter --, »es ist dreiviertel sieben.
|
|||
|
Wolltest du nicht wegfahren?« Die sanfte Stimme! Gregor erschrak, als er
|
|||
|
seine antwortende Stimme hörte, die wohl unverkennbar seine frühere war,
|
|||
|
in die sich aber, wie von unten her, ein nicht zu unterdrückendes,
|
|||
|
schmerzliches Piepsen mischte, das die Worte förmlich nur im ersten
|
|||
|
Augenblick in ihrer Deutlichkeit beließ, um sie im Nachklang derart zu
|
|||
|
zerstören, daß man nicht wußte, ob man recht gehört hatte. Gregor hatte
|
|||
|
ausführlich antworten und alles erklären wollen, beschränkte sich aber
|
|||
|
bei diesen Umständen darauf, zu sagen: »Ja, ja, danke, Mutter, ich stehe
|
|||
|
schon auf.« Infolge der Holztür war die Veränderung in Gregors Stimme
|
|||
|
draußen wohl nicht zu merken, denn die Mutter beruhigte sich mit dieser
|
|||
|
Erklärung und schlürfte davon. Aber durch das kleine Gespräch waren die
|
|||
|
anderen Familienmitglieder darauf aufmerksam geworden, daß Gregor wider
|
|||
|
Erwarten noch zu Hause war, und schon klopfte an der einen Seitentür der
|
|||
|
Vater, schwach, aber mit der Faust. »Gregor, Gregor,« rief er, »was ist
|
|||
|
denn?« Und nach einer kleinen Weile mahnte er nochmals mit tieferer
|
|||
|
Stimme: »Gregor! Gregor!« An der anderen Seitentür aber klagte leise die
|
|||
|
Schwester: »Gregor? Ist dir nicht wohl? Brauchst du etwas?« Nach beiden
|
|||
|
Seiten hin antwortete Gregor: »Bin schon fertig,« und bemühte sich,
|
|||
|
durch die sorgfältigste Aussprache und durch Einschaltung von langen
|
|||
|
Pausen zwischen den einzelnen Worten seiner Stimme alles Auffallende zu
|
|||
|
nehmen. Der Vater kehrte auch zu seinem Frühstück zurück, die Schwester
|
|||
|
aber flüsterte: »Gregor, mach auf, ich beschwöre dich.« Gregor aber
|
|||
|
dachte gar nicht daran aufzumachen, sondern lobte die vom Reisen her
|
|||
|
übernommene Vorsicht, auch zu Hause alle Türen während der Nacht zu
|
|||
|
versperren.
|
|||
|
|
|||
|
Zunächst wollte er ruhig und ungestört aufstehen, sich anziehen und vor
|
|||
|
allem frühstücken, und dann erst das Weitere überlegen, denn, das merkte
|
|||
|
er wohl, im Bett würde er mit dem Nachdenken zu keinem vernünftigen Ende
|
|||
|
kommen. Er erinnerte sich, schon öfters im Bett irgendeinen vielleicht
|
|||
|
durch ungeschicktes Liegen erzeugten, leichten Schmerz empfunden zu
|
|||
|
haben, der sich dann beim Aufstehen als reine Einbildung herausstellte,
|
|||
|
und er war gespannt, wie sich seine heutigen Vorstellungen allmählich
|
|||
|
auflösen würden. Daß die Veränderung der Stimme nichts anderes war als
|
|||
|
der Vorbote einer tüchtigen Verkühlung, einer Berufskrankheit der
|
|||
|
Reisenden, daran zweifelte er nicht im geringsten.
|
|||
|
|
|||
|
Die Decke abzuwerfen war ganz einfach; er brauchte sich nur ein wenig
|
|||
|
aufzublasen und sie fiel von selbst. Aber weiterhin wurde es schwierig,
|
|||
|
besonders weil er so ungemein breit war. Er hätte Arme und Hände
|
|||
|
gebraucht, um sich aufzurichten; statt dessen aber hatte er nur die
|
|||
|
vielen Beinchen, die ununterbrochen in der verschiedensten Bewegung
|
|||
|
waren und die er überdies nicht beherrschen konnte. Wollte er eines
|
|||
|
einmal einknicken, so war es das erste, daß er sich streckte; und gelang
|
|||
|
es ihm endlich, mit diesem Bein das auszuführen, was er wollte, so
|
|||
|
arbeiteten inzwischen alle anderen, wie freigelassen, in höchster,
|
|||
|
schmerzlicher Aufregung. »Nur sich nicht im Bett unnütz aufhalten,«
|
|||
|
sagte sich Gregor.
|
|||
|
|
|||
|
Zuerst wollte er mit dem unteren Teil seines Körpers aus dem Bett
|
|||
|
hinauskommen, aber dieser untere Teil, den er übrigens noch nicht
|
|||
|
gesehen hatte und von dem er sich auch keine rechte Vorstellung machen
|
|||
|
konnte, erwies sich als zu schwer beweglich; es ging so langsam; und als
|
|||
|
er schließlich, fast wild geworden, mit gesammelter Kraft, ohne
|
|||
|
Rücksicht sich vorwärtsstieß, hatte er die Richtung falsch gewählt,
|
|||
|
schlug an den unteren Bettpfosten heftig an, und der brennende Schmerz,
|
|||
|
den er empfand, belehrte ihn, daß gerade der untere Teil seines Körpers
|
|||
|
augenblicklich vielleicht der empfindlichste war.
|
|||
|
|
|||
|
Er versuchte es daher, zuerst den Oberkörper aus dem Bett zu bekommen,
|
|||
|
und drehte vorsichtig den Kopf dem Bettrand zu. Dies gelang auch leicht,
|
|||
|
und trotz ihrer Breite und Schwere folgte schließlich die Körpermasse
|
|||
|
langsam der Wendung des Kopfes. Aber als er den Kopf endlich außerhalb
|
|||
|
des Bettes in der freien Luft hielt, bekam er Angst, weiter auf diese
|
|||
|
Weise vorzurücken, denn wenn er sich schließlich so fallen ließ, mußte
|
|||
|
geradezu ein Wunder geschehen wenn der Kopf nicht verletzt werden
|
|||
|
sollte. Und die Besinnung durfte er gerade jetzt um keinen Preis
|
|||
|
verlieren; lieber wollte er im Bett bleiben.
|
|||
|
|
|||
|
Aber als er wieder nach gleicher Mühe aufseufzend so dalag wie früher,
|
|||
|
und wieder seine Beinchen womöglich noch ärger gegeneinander kämpfen sah
|
|||
|
und keine Möglichkeit fand, in diese Willkür Ruhe und Ordnung zu
|
|||
|
bringen, sagte er sich wieder, daß er unmöglich im Bett bleiben könne
|
|||
|
und daß es das Vernünftigste sei, alles zu opfern, wenn auch nur die
|
|||
|
kleinste Hoffnung bestünde, sich dadurch vom Bett zu befreien.
|
|||
|
Gleichzeitig aber vergaß er nicht, sich zwischendurch daran zu erinnern,
|
|||
|
daß viel besser als verzweifelte Entschlüsse ruhige und ruhigste
|
|||
|
Überlegung sei. In solchen Augenblicken richtete er die Augen möglichst
|
|||
|
scharf auf das Fenster, aber leider war aus dem Anblick des
|
|||
|
Morgennebels, der sogar die andere Seite der engen Straße verhüllte,
|
|||
|
wenig Zuversicht und Munterkeit zu holen. »Schon sieben Uhr,« sagte er
|
|||
|
sich beim neuerlichen Schlagen des Weckers, »schon sieben Uhr und noch
|
|||
|
immer ein solcher Nebel.« Und ein Weilchen lang lag er ruhig mit
|
|||
|
schwachem Atem, als erwarte er vielleicht von der völligen Stille die
|
|||
|
Wiederkehr der wirklichen und selbstverständlichen Verhältnisse.
|
|||
|
|
|||
|
Dann aber sagte er sich: »Ehe es einviertel acht schlägt, muß ich
|
|||
|
unbedingt das Bett vollständig verlassen haben. Im übrigen wird auch bis
|
|||
|
dahin jemand aus dem Geschäft kommen, um nach mir zu fragen, denn das
|
|||
|
Geschäft wird vor sieben Uhr geöffnet.« Und er machte sich nun daran,
|
|||
|
den Körper in seiner ganzen Länge vollständig gleichmäßig aus dem Bett
|
|||
|
hinauszuschaukeln. Wenn er sich auf diese Weise aus dem Bett fallen
|
|||
|
ließ, blieb der Kopf, den er beim Fall scharf heben wollte,
|
|||
|
voraussichtlich unverletzt. Der Rücken schien hart zu sein; dem würde
|
|||
|
wohl bei dem Fall auf den Teppich nichts geschehen. Das größte Bedenken
|
|||
|
machte ihm die Rücksicht auf den lauten Krach, den es geben müßte und
|
|||
|
der wahrscheinlich hinter allen Türen wenn nicht Schrecken, so doch
|
|||
|
Besorgnisse erregen würde. Das mußte aber gewagt werden.
|
|||
|
|
|||
|
Als Gregor schon zur Hälfte aus dem Bette ragte -- die neue Methode war
|
|||
|
mehr ein Spiel als eine Anstrengung, er brauchte immer nur ruckweise zu
|
|||
|
schaukeln --, fiel ihm ein, wie einfach alles wäre, wenn man ihm zu
|
|||
|
Hilfe käme. Zwei starke Leute -- er dachte an seinen Vater und das
|
|||
|
Dienstmädchen -- hätten vollständig genügt; sie hätten ihre Arme nur
|
|||
|
unter seinen gewölbten Rücken schieben, ihn so aus dem Bett schälen,
|
|||
|
sich mit der Last niederbeugen und dann bloß vorsichtig dulden müssen,
|
|||
|
daß er den Überschwung auf dem Fußboden vollzog, wo dann die Beinchen
|
|||
|
hoffentlich einen Sinn bekommen würden. Nun, ganz abgesehen davon, daß
|
|||
|
die Türen versperrt waren, hätte er wirklich um Hilfe rufen sollen?
|
|||
|
Trotz aller Not konnte er bei diesem Gedanken ein Lächeln nicht
|
|||
|
unterdrücken.
|
|||
|
|
|||
|
Schon war er so weit, daß er bei stärkerem Schaukeln kaum das
|
|||
|
Gleichgewicht noch erhielt, und sehr bald mußte er sich nun endgültig
|
|||
|
entscheiden, denn es war in fünf Minuten einviertel acht, -- als es an
|
|||
|
der Wohnungstür läutete. »Das ist jemand aus dem Geschäft,« sagte er
|
|||
|
sich und erstarrte fast, während seine Beinchen nur desto eiliger
|
|||
|
tanzten. Einen Augenblick blieb alles still. »Sie öffnen nicht,« sagte
|
|||
|
sich Gregor, befangen in irgendeiner unsinnigen Hoffnung. Aber dann ging
|
|||
|
natürlich wie immer das Dienstmädchen festen Schrittes zur Tür und
|
|||
|
öffnete. Gregor brauchte nur das erste Grußwort des Besuchers zu hören
|
|||
|
und wußte schon, wer es war -- der Prokurist selbst. Warum war nur
|
|||
|
Gregor dazu verurteilt, bei einer Firma zu dienen, wo man bei der
|
|||
|
kleinsten Versäumnis gleich den größten Verdacht faßte? Waren denn alle
|
|||
|
Angestellten samt und sonders Lumpen, gab es denn unter ihnen keinen
|
|||
|
treuen ergebenen Menschen, den, wenn er auch nur ein paar Morgenstunden
|
|||
|
für das Geschäft nicht ausgenützt hatte, vor Gewissensbissen närrisch
|
|||
|
wurde und geradezu nicht imstande war, das Bett zu verlassen? Genügte es
|
|||
|
wirklich nicht, einen Lehrjungen nachfragen zu lassen -- wenn überhaupt
|
|||
|
diese Fragerei nötig war --, mußte da der Prokurist selbst kommen, und
|
|||
|
mußte dadurch der ganzen unschuldigen Familie gezeigt werden, daß die
|
|||
|
Untersuchung dieser verdächtigen Angelegenheit nur dem Verstand des
|
|||
|
Prokuristen anvertraut werden konnte? Und mehr infolge der Erregung, in
|
|||
|
welche Gregor durch diese Überlegungen versetzt wurde, als infolge eines
|
|||
|
richtigen Entschlusses, schwang er sich mit aller Macht aus dem Bett. Es
|
|||
|
gab einen lauten Schlag, aber ein eigentlicher Krach war es nicht. Ein
|
|||
|
wenig wurde der Fall durch den Teppich abgeschwächt, auch war der Rücken
|
|||
|
elastischer, als Gregor gedacht hatte, daher kam der nicht gar so
|
|||
|
auffallende dumpfe Klang. Nur den Kopf hatte er nicht vorsichtig genug
|
|||
|
gehalten und ihn angeschlagen; er drehte ihn und rieb ihn an dem Teppich
|
|||
|
vor Ärger und Schmerz.
|
|||
|
|
|||
|
»Da drin ist etwas gefallen,« sagte der Prokurist im Nebenzimmer links.
|
|||
|
Gregor suchte sich vorzustellen, ob nicht auch einmal dem Prokuristen
|
|||
|
etwas Ähnliches passieren könnte, wie heute ihm; die Möglichkeit dessen
|
|||
|
mußte man doch eigentlich zugeben. Aber wie zur rohen Antwort auf diese
|
|||
|
Frage machte jetzt der Prokurist im Nebenzimmer ein paar bestimmte
|
|||
|
Schritte und ließ seine Lackstiefel knarren. Aus dem Nebenzimmer rechts
|
|||
|
flüsterte die Schwester, um Gregor zu verständigen: »Gregor, der
|
|||
|
Prokurist ist da.« »Ich weiß,« sagte Gregor vor sich hin; aber so laut,
|
|||
|
daß es die Schwester hätte hören können, wagte er die Stimme nicht zu
|
|||
|
erheben.
|
|||
|
|
|||
|
»Gregor,« sagte nun der Vater aus dem Nebenzimmer links, »der Herr
|
|||
|
Prokurist ist gekommen und erkundigt sich, warum du nicht mit dem
|
|||
|
Frühzug weggefahren bist. Wir wissen nicht, was wir ihm sagen sollen.
|
|||
|
Übrigens will er auch mit dir persönlich sprechen. Also bitte mach die
|
|||
|
Tür auf. Er wird die Unordnung im Zimmer zu entschuldigen schon die Güte
|
|||
|
haben.« »Guten Morgen, Herr Samsa,« rief der Prokurist freundlich
|
|||
|
dazwischen. »Ihm ist nicht wohl,« sagte die Mutter zum Prokuristen,
|
|||
|
während der Vater noch an der Tür redete, »ihm ist nicht wohl, glauben
|
|||
|
Sie mir, Herr Prokurist. Wie würde denn Gregor sonst einen Zug
|
|||
|
versäumen! Der Junge hat ja nichts im Kopf als das Geschäft. Ich ärgere
|
|||
|
mich schon fast, daß er abends niemals ausgeht; jetzt war er doch acht
|
|||
|
Tage in der Stadt, aber jeden Abend war er zu Hause. Da sitzt er bei uns
|
|||
|
am Tisch und liest still die Zeitung oder studiert Fahrpläne. Es ist
|
|||
|
schon eine Zerstreuung für ihn, wenn er sich mit Laubsägearbeiten
|
|||
|
beschäftigt. Da hat er zum Beispiel im Laufe von zwei, drei Abenden
|
|||
|
einen kleinen Rahmen geschnitzt; Sie werden staunen, wie hübsch er ist;
|
|||
|
er hängt drin im Zimmer; Sie werden ihn gleich sehen, wenn Gregor
|
|||
|
aufmacht. Ich bin übrigens glücklich, daß Sie da sind, Herr Prokurist;
|
|||
|
wir allein hätten Gregor nicht dazu gebracht, die Tür zu öffnen; er ist
|
|||
|
so hartnäckig; und bestimmt ist ihm nicht wohl, trotzdem er es am Morgen
|
|||
|
geleugnet hat.« »Ich komme gleich,« sagte Gregor langsam und bedächtig
|
|||
|
und rührte sich nicht, um kein Wort der Gespräche zu verlieren. »Anders,
|
|||
|
gnädige Frau, kann ich es mir auch nicht erklären,« sagte der Prokurist,
|
|||
|
»hoffentlich ist es nichts Ernstes. Wenn ich auch andererseits sagen
|
|||
|
muß, daß wir Geschäftsleute -- wie man will, leider oder
|
|||
|
glücklicherweise -- ein leichtes Unwohlsein sehr oft aus geschäftlichen
|
|||
|
Rücksichten einfach überwinden müssen.« »Also kann der Herr Prokurist
|
|||
|
schon zu dir hinein?« fragte der ungeduldige Vater und klopfte wiederum
|
|||
|
an die Tür. »Nein,« sagte Gregor. Im Nebenzimmer links trat eine
|
|||
|
peinliche Stille ein, im Nebenzimmer rechts begann die Schwester zu
|
|||
|
schluchzen.
|
|||
|
|
|||
|
Warum ging denn die Schwester nicht zu den anderen? Sie war wohl erst
|
|||
|
jetzt aus dem Bett aufgestanden und hatte noch gar nicht angefangen sich
|
|||
|
anzuziehen. Und warum weinte sie denn? Weil er nicht aufstand und den
|
|||
|
Prokuristen nicht hereinließ, weil er in Gefahr war, den Posten zu
|
|||
|
verlieren und weil dann der Chef die Eltern mit den alten Forderungen
|
|||
|
wieder verfolgen würde? Das waren doch vorläufig wohl unnötige Sorgen.
|
|||
|
Noch war Gregor hier und dachte nicht im geringsten daran, seine Familie
|
|||
|
zu verlassen. Augenblicklich lag er wohl da auf dem Teppich, und
|
|||
|
niemand, der seinen Zustand gekannt hätte, hätte im Ernst von ihm
|
|||
|
verlangt, daß er den Prokuristen hereinlasse. Aber wegen dieser kleinen
|
|||
|
Unhöflichkeit, für die sich ja später leicht eine passende Ausrede
|
|||
|
finden würde, konnte Gregor doch nicht gut sofort weggeschickt werden.
|
|||
|
Und Gregor schien es, daß es viel vernünftiger wäre, ihn jetzt in Ruhe
|
|||
|
zu lassen, statt ihn mit Weinen und Zureden zu stören. Aber es war eben
|
|||
|
die Ungewißheit, welche die anderen bedrängte und ihr Benehmen
|
|||
|
entschuldigte.
|
|||
|
|
|||
|
»Herr Samsa,« rief nun der Prokurist mit erhobener Stimme, »was ist denn
|
|||
|
los? Sie verbarrikadieren sich da in Ihrem Zimmer, antworten bloß mit ja
|
|||
|
und nein, machen Ihren Eltern schwere, unnötige Sorgen und versäumen --
|
|||
|
dies nur nebenbei erwähnt -- Ihre geschäftlichen Pflichten in einer
|
|||
|
eigentlich unerhörten Weise. Ich spreche hier im Namen Ihrer Eltern und
|
|||
|
Ihres Chefs und bitte Sie ganz ernsthaft um eine augenblickliche,
|
|||
|
deutliche Erklärung. Ich staune, ich staune. Ich glaubte Sie als einen
|
|||
|
ruhigen, vernünftigen Menschen zu kennen, und nun scheinen Sie plötzlich
|
|||
|
anfangen zu wollen, mit sonderbaren Launen zu paradieren. Der Chef
|
|||
|
deutete mir zwar heute früh eine mögliche Erklärung für Ihre Versäumnis
|
|||
|
an -- sie betraf das Ihnen seit kurzem anvertraute Inkasso --, aber ich
|
|||
|
legte wahrhaftig fast mein Ehrenwort dafür ein, daß diese Erklärung
|
|||
|
nicht zutreffen könne. Nun aber sehe ich hier Ihren unbegreiflichen
|
|||
|
Starrsinn und verliere ganz und gar jede Lust, mich auch nur im
|
|||
|
geringsten für Sie einzusetzen. Und Ihre Stellung ist durchaus nicht die
|
|||
|
festeste. Ich hatte ursprünglich die Absicht, Ihnen das alles unter vier
|
|||
|
Augen zu sagen, aber da Sie mich hier nutzlos meine Zeit versäumen
|
|||
|
lassen, weiß ich nicht, warum es nicht auch Ihre Herren Eltern erfahren
|
|||
|
sollen. Ihre Leistungen in der letzten Zeit waren also sehr
|
|||
|
unbefriedigend; es ist zwar nicht die Jahreszeit, um besondere Geschäfte
|
|||
|
zu machen, das erkennen wir an; aber eine Jahreszeit, um keine Geschäfte
|
|||
|
zu machen, gibt es überhaupt nicht, Herr Samsa, darf es nicht geben.«
|
|||
|
|
|||
|
»Aber Herr Prokurist,« rief Gregor außer sich und vergaß in der
|
|||
|
Aufregung alles andere, »ich mache ja sofort, augenblicklich auf. Ein
|
|||
|
leichtes Unwohlsein, ein Schwindelanfall, haben mich verhindert
|
|||
|
aufzustehen. Ich liege noch jetzt im Bett. Jetzt bin ich aber schon
|
|||
|
wieder ganz frisch. Eben steige ich aus dem Bett. Nur einen kleinen
|
|||
|
Augenblick Geduld! Es geht noch nicht so gut, wie ich dachte. Es ist mir
|
|||
|
aber schon wohl. Wie das nur einen Menschen so überfallen kann! Noch
|
|||
|
gestern abend war mir ganz gut, meine Eltern wissen es ja, oder besser,
|
|||
|
schon gestern abend hatte ich eine kleine Vorahnung. Man hätte es mir
|
|||
|
ansehen müssen. Warum habe ich es nur im Geschäfte nicht gemeldet! Aber
|
|||
|
man denkt eben immer, daß man die Krankheit ohne Zuhausebleiben
|
|||
|
überstehen wird. Herr Prokurist! Schonen Sie meine Eltern! Für alle die
|
|||
|
Vorwürfe, die Sie mir jetzt machen, ist ja kein Grund; man hat mir ja
|
|||
|
davon auch kein Wort gesagt. Sie haben vielleicht die letzten Aufträge,
|
|||
|
die ich geschickt habe, nicht gelesen. Übrigens, noch mit dem Achtuhrzug
|
|||
|
fahre ich auf die Reise, die paar Stunden Ruhe haben mich gekräftigt.
|
|||
|
Halten Sie sich nur nicht auf, Herr Prokurist; ich bin gleich selbst im
|
|||
|
Geschäft, und haben Sie die Güte, das zu sagen und mich dem Herrn Chef
|
|||
|
zu empfehlen!«
|
|||
|
|
|||
|
Und während Gregor dies alles hastig ausstieß und kaum wußte, was er
|
|||
|
sprach, hatte er sich leicht, wohl infolge der im Bett bereits erlangten
|
|||
|
Übung, dem Kasten genähert und versuchte nun, an ihm sich aufzurichten.
|
|||
|
Er wollte tatsächlich die Tür aufmachen, tatsächlich sich sehen lassen
|
|||
|
und mit dem Prokuristen sprechen; er war begierig zu erfahren, was die
|
|||
|
anderen, die jetzt so nach ihm verlangten, bei seinem Anblick sagen
|
|||
|
würden. Würden sie erschrecken, dann hatte Gregor keine Verantwortung
|
|||
|
mehr und konnte ruhig sein. Würden sie aber alles ruhig hinnehmen, dann
|
|||
|
hatte auch er keinen Grund sich aufzuregen, und konnte, wenn er sich
|
|||
|
beeilte, um acht Uhr tatsächlich auf dem Bahnhof sein. Zuerst glitt er
|
|||
|
nun einigemale von dem glatten Kasten ab, aber endlich gab er sich
|
|||
|
einen letzten Schwung und stand aufrecht da; auf die Schmerzen im
|
|||
|
Unterleib achtete er gar nicht mehr, so sehr sie auch brannten. Nun ließ
|
|||
|
er sich gegen die Rücklehne eines nahen Stuhles fallen, an deren Rändern
|
|||
|
er sich mit seinen Beinchen festhielt. Damit hatte er aber auch die
|
|||
|
Herrschaft über sich erlangt und verstummte, denn nun konnte er den
|
|||
|
Prokuristen anhören.
|
|||
|
|
|||
|
»Haben Sie auch nur ein Wort verstanden?« fragte der Prokurist die
|
|||
|
Eltern, »er macht sich doch wohl nicht einen Narren aus uns?« »Um Gottes
|
|||
|
willen,« rief die Mutter schon unter Weinen, »er ist vielleicht schwer
|
|||
|
krank, und wir quälen ihn. Grete! Grete!« schrie sie dann. »Mutter?«
|
|||
|
rief die Schwester von der anderen Seite. Sie verständigten sich durch
|
|||
|
Gregors Zimmer. »Du mußt augenblicklich zum Arzt. Gregor ist krank.
|
|||
|
Rasch um den Arzt. Hast du Gregor jetzt reden hören?« »Das war eine
|
|||
|
Tierstimme,« sagte der Prokurist, auffallend leise gegenüber dem
|
|||
|
Schreien der Mutter. »Anna! Anna!« rief der Vater durch das Vorzimmer in
|
|||
|
die Küche und klatschte in die Hände, »sofort einen Schlosser holen!«
|
|||
|
Und schon liefen die zwei Mädchen mit rauschenden Röcken durch das
|
|||
|
Vorzimmer -- wie hatte sich die Schwester denn so schnell angezogen? --
|
|||
|
und rissen die Wohnungstüre auf. Man hörte gar nicht die Türe
|
|||
|
zuschlagen; sie hatten sie wohl offen gelassen, wie es in Wohnungen zu
|
|||
|
sein pflegt, in denen ein großes Unglück geschehen ist.
|
|||
|
|
|||
|
Gregor war aber viel ruhiger geworden. Man verstand zwar also seine
|
|||
|
Worte nicht mehr, trotzdem sie ihm genug klar, klarer als früher,
|
|||
|
vorgekommen waren, vielleicht infolge der Gewöhnung des Ohres. Aber
|
|||
|
immerhin glaubte man nun schon daran, daß es mit ihm nicht ganz in
|
|||
|
Ordnung war, und war bereit, ihm zu helfen. Die Zuversicht und
|
|||
|
Sicherheit, womit die ersten Anordnungen getroffen worden waren, taten
|
|||
|
ihm wohl. Er fühlte sich wieder einbezogen in den menschlichen Kreis und
|
|||
|
erhoffte von beiden, vom Arzt und vom Schlosser, ohne sie eigentlich
|
|||
|
genau zu scheiden, großartige und überraschende Leistungen. Um für die
|
|||
|
sich nähernden entscheidenden Besprechungen eine möglichst klare Stimme
|
|||
|
zu bekommen, hustete er ein wenig ab, allerdings bemüht, dies ganz
|
|||
|
gedämpft zu tun, da möglicherweise auch schon dieses Geräusch anders als
|
|||
|
menschlicher Husten klang, was er selbst zu entscheiden sich nicht mehr
|
|||
|
getraute. Im Nebenzimmer war es inzwischen ganz still geworden.
|
|||
|
Vielleicht saßen die Eltern mit dem Prokuristen beim Tisch und
|
|||
|
tuschelten, vielleicht lehnten alle an der Türe und horchten.
|
|||
|
|
|||
|
Gregor schob sich langsam mit dem Sessel zur Tür hin, ließ ihn dort los,
|
|||
|
warf sich gegen die Tür, hielt sich an ihr aufrecht -- die Ballen seiner
|
|||
|
Beinchen hatten ein wenig Klebstoff -- und ruhte sich dort einen
|
|||
|
Augenblick lang von der Anstrengung aus. Dann aber machte er sich daran,
|
|||
|
mit dem Mund den Schlüssel im Schloß umzudrehen. Es schien leider, daß
|
|||
|
er keine eigentlichen Zähne hatte, -- womit sollte er gleich den
|
|||
|
Schlüssel fassen? -- aber dafür waren die Kiefer freilich sehr stark,
|
|||
|
mit ihrer Hilfe brachte er auch wirklich den Schlüssel in Bewegung und
|
|||
|
achtete nicht darauf, daß er sich zweifellos irgendeinen Schaden
|
|||
|
zufügte, denn eine braune Flüssigkeit kam ihm aus dem Mund, floß über
|
|||
|
den Schlüssel und tropfte auf den Boden. »Hören Sie nur,« sagte der
|
|||
|
Prokurist im Nebenzimmer, »er dreht den Schlüssel um.« Das war für
|
|||
|
Gregor eine große Aufmunterung; aber alle hätten ihm zurufen sollen,
|
|||
|
auch der Vater und die Mutter: »Frisch, Gregor,« hätten sie rufen
|
|||
|
sollen, »immer nur heran, fest an das Schloß heran!« Und in der
|
|||
|
Vorstellung, daß alle seine Bemühungen mit Spannung verfolgten, verbiß
|
|||
|
er sich mit allem, was er an Kraft aufbringen konnte, besinnungslos in
|
|||
|
den Schlüssel. Je nach dem Fortschreiten der Drehung des Schlüssels
|
|||
|
umtanzte er das Schloß, hielt sich jetzt nur noch mit dem Munde
|
|||
|
aufrecht, und je nach Bedarf hing er sich an den Schlüssel oder drückte
|
|||
|
ihn dann wieder nieder mit der ganzen Last seines Körpers. Der hellere
|
|||
|
Klang des endlich zurückschnappenden Schlosses erweckte Gregor förmlich.
|
|||
|
Aufatmend sagte er sich: »Ich habe also den Schlosser nicht gebraucht,«
|
|||
|
und legte den Kopf auf die Klinke, um die Türe gänzlich zu öffnen.
|
|||
|
|
|||
|
Da er die Türe auf diese Weise öffnen mußte, war sie eigentlich schon
|
|||
|
recht weit geöffnet, und er selbst noch nicht zu sehen. Er mußte sich
|
|||
|
erst langsam um den einen Türflügel herumdrehen, und zwar sehr
|
|||
|
vorsichtig, wenn er nicht gerade vor dem Eintritt ins Zimmer plump auf
|
|||
|
den Rücken fallen wollte. Er war noch mit jener schwierigen Bewegung
|
|||
|
beschäftigt und hatte nicht Zeit, auf anderes zu achten, da hörte er
|
|||
|
schon den Prokuristen ein lautes »Oh!« ausstoßen -- es klang, wie wenn
|
|||
|
der Wind saust -- und nun sah er ihn auch, wie er, der der Nächste an
|
|||
|
der Türe war, die Hand gegen den offenen Mund drückte und langsam
|
|||
|
zurückwich, als vertreibe ihn eine unsichtbare, gleichmäßig fortwirkende
|
|||
|
Kraft. Die Mutter -- sie stand hier trotz der Anwesenheit des
|
|||
|
Prokuristen mit von der Nacht her noch aufgelösten, hoch sich
|
|||
|
sträubenden Haaren -- sah zuerst mit gefalteten Händen den Vater an,
|
|||
|
ging dann zwei Schritte zu Gregor hin und fiel inmitten ihrer rings um
|
|||
|
sie herum sich ausbreitenden Röcke nieder, das Gesicht ganz unauffindbar
|
|||
|
zu ihrer Brust gesenkt. Der Vater ballte mit feindseligem Ausdruck die
|
|||
|
Faust, als wolle er Gregor in sein Zimmer zurückstoßen, sah sich dann
|
|||
|
unsicher im Wohnzimmer um, beschattete dann mit den Händen die Augen und
|
|||
|
weinte, daß sich seine mächtige Brust schüttelte.
|
|||
|
|
|||
|
Gregor trat nun gar nicht in das Zimmer, sondern lehnte sich von innen
|
|||
|
an den festgeriegelten Türflügel, so daß sein Leib nur zur Hälfte und
|
|||
|
darüber der seitlich geneigte Kopf zu sehen war, mit dem er zu den
|
|||
|
anderen hinüberlugte. Es war inzwischen viel heller geworden; klar stand
|
|||
|
auf der anderen Straßenseite ein Ausschnitt des gegenüberliegenden,
|
|||
|
endlosen, grauschwarzen Hauses -- es war ein Krankenhaus -- mit seinen
|
|||
|
hart die Front durchbrechenden regelmäßigen Fenstern; der Regen fiel
|
|||
|
noch nieder, aber nur mit großen, einzeln sichtbaren und förmlich auch
|
|||
|
einzelnweise auf die Erde hinuntergeworfenen Tropfen. Das
|
|||
|
Frühstücksgeschirr stand in überreicher Zahl auf dem Tisch, denn für den
|
|||
|
Vater war das Frühstück die wichtigste Mahlzeit des Tages, die er bei
|
|||
|
der Lektüre verschiedener Zeitungen stundenlang hinzog. Gerade an der
|
|||
|
gegenüberliegenden Wand hing eine Photographie Gregors aus seiner
|
|||
|
Militärzeit, die ihn als Leutnant darstellte, wie er, die Hand am Degen,
|
|||
|
sorglos lächelnd, Respekt für seine Haltung und Uniform verlangte. Die
|
|||
|
Tür zum Vorzimmer war geöffnet, und man sah, da auch die Wohnungstür
|
|||
|
offen war, auf den Vorplatz der Wohnung hinaus und auf den Beginn der
|
|||
|
abwärts führenden Treppe.
|
|||
|
|
|||
|
»Nun,« sagte Gregor und war sich dessen wohl bewußt, daß er der einzige
|
|||
|
war, der die Ruhe bewahrt hatte, »ich werde mich gleich anziehen, die
|
|||
|
Kollektion zusammenpacken und wegfahren. Wollt ihr, wollt ihr mich
|
|||
|
wegfahren lassen? Nun, Herr Prokurist, Sie sehen, ich bin nicht
|
|||
|
starrköpfig und ich arbeite gern; das Reisen ist beschwerlich, aber ich
|
|||
|
könnte ohne das Reisen nicht leben. Wohin gehen Sie denn, Herr
|
|||
|
Prokurist? Ins Geschäft? Ja? Werden Sie alles wahrheitsgetreu berichten?
|
|||
|
Man kann im Augenblick unfähig sein zu arbeiten, aber dann ist gerade
|
|||
|
der richtige Zeitpunkt, sich an die früheren Leistungen zu erinnern und
|
|||
|
zu bedenken, daß man später, nach Beseitigung des Hindernisses, gewiß
|
|||
|
desto fleißiger und gesammelter arbeiten wird. Ich bin ja dem Herrn Chef
|
|||
|
so sehr verpflichtet, das wissen Sie doch recht gut. Andererseits habe
|
|||
|
ich die Sorge um meine Eltern und die Schwester. Ich bin in der Klemme,
|
|||
|
ich werde mich aber auch wieder herausarbeiten. Machen Sie es mir aber
|
|||
|
nicht schwieriger, als es schon ist. Halten Sie im Geschäft meine
|
|||
|
Partei! Man liebt den Reisenden nicht, ich weiß. Man denkt, er verdient
|
|||
|
ein Heidengeld und führt dabei ein schönes Leben. Man hat eben keine
|
|||
|
besondere Veranlassung, dieses Vorurteil besser zu durchdenken. Sie
|
|||
|
aber, Herr Prokurist, Sie haben einen besseren Überblick über die
|
|||
|
Verhältnisse, als das sonstige Personal, ja sogar, ganz im Vertrauen
|
|||
|
gesagt, einen besseren Überblick, als der Herr Chef selbst, der in
|
|||
|
seiner Eigenschaft als Unternehmer sich in seinem Urteil leicht
|
|||
|
zuungunsten eines Angestellten beirren läßt. Sie wissen auch sehr wohl,
|
|||
|
daß der Reisende, der fast das ganze Jahr außerhalb des Geschäftes ist,
|
|||
|
so leicht ein Opfer von Klatschereien, Zufälligkeiten und grundlosen
|
|||
|
Beschwerden werden kann, gegen die sich zu wehren ihm ganz unmöglich
|
|||
|
ist, da er von ihnen meistens gar nichts erfährt und nur dann, wenn er
|
|||
|
erschöpft eine Reise beendet hat, zu Hause die schlimmen, auf ihre
|
|||
|
Ursachen hin nicht mehr zu durchschauenden Folgen am eigenen Leibe zu
|
|||
|
spüren bekommt. Herr Prokurist, gehen Sie nicht weg, ohne mir ein Wort
|
|||
|
gesagt zu haben, das mir zeigt, daß Sie mir wenigstens zu einem kleinen
|
|||
|
Teil recht geben!«
|
|||
|
|
|||
|
Aber der Prokurist hatte sich schon bei den ersten Worten Gregors
|
|||
|
abgewendet, und nur über die zuckende Schulter hinweg sah er mit
|
|||
|
aufgeworfenen Lippen nach Gregor zurück. Und während Gregors Rede stand
|
|||
|
er keinen Augenblick still, sondern verzog sich, ohne Gregor aus den
|
|||
|
Augen zu lassen, gegen die Tür, aber ganz allmählich, als bestehe ein
|
|||
|
geheimes Verbot, das Zimmer zu verlassen. Schon war er im Vorzimmer, und
|
|||
|
nach der plötzlichen Bewegung, mit der er zum letztenmal den Fuß aus dem
|
|||
|
Wohnzimmer zog, hätte man glauben können, er habe sich soeben die Sohle
|
|||
|
verbrannt. Im Vorzimmer aber streckte er die rechte Hand weit von sich
|
|||
|
zur Treppe hin, als warte dort auf ihn eine geradezu überirdische
|
|||
|
Erlösung.
|
|||
|
|
|||
|
Gregor sah ein, daß er den Prokuristen in dieser Stimmung auf keinen
|
|||
|
Fall weggehen lassen dürfe, wenn dadurch seine Stellung im Geschäft
|
|||
|
nicht aufs äußerste gefährdet werden sollte. Die Eltern verstanden das
|
|||
|
alles nicht so gut; sie hatten sich in den langen Jahren die Überzeugung
|
|||
|
gebildet, daß Gregor in diesem Geschäft für sein Leben versorgt war, und
|
|||
|
hatten außerdem jetzt mit den augenblicklichen Sorgen so viel zu tun,
|
|||
|
daß ihnen jede Voraussicht abhanden gekommen war. Aber Gregor hatte
|
|||
|
diese Voraussicht. Der Prokurist mußte gehalten, beruhigt, überzeugt und
|
|||
|
schließlich gewonnen werden; die Zukunft Gregors und seiner Familie hing
|
|||
|
doch davon ab! Wäre doch die Schwester hier gewesen! Sie war klug; sie
|
|||
|
hatte schon geweint, als Gregor noch ruhig auf dem Rücken lag. Und gewiß
|
|||
|
hätte der Prokurist, dieser Damenfreund, sich von ihr lenken lassen;
|
|||
|
sie hätte die Wohnungstür zugemacht und ihm im Vorzimmer den Schrecken
|
|||
|
ausgeredet. Aber die Schwester war eben nicht da, Gregor selbst mußte
|
|||
|
handeln. Und ohne daran zu denken, daß er seine gegenwärtigen
|
|||
|
Fähigkeiten, sich zu bewegen, noch gar nicht kannte, ohne auch daran zu
|
|||
|
denken, daß seine Rede möglicher- ja wahrscheinlicherweise wieder nicht
|
|||
|
verstanden worden war, verließ er den Türflügel; schob sich durch die
|
|||
|
Öffnung; wollte zum Prokuristen hingehen, der sich schon am Geländer des
|
|||
|
Vorplatzes lächerlicherweise mit beiden Händen festhielt; fiel aber
|
|||
|
sofort, nach einem Halt suchend, mit einem kleinen Schrei auf seine
|
|||
|
vielen Beinchen nieder. Kaum war das geschehen, fühlte er zum erstenmal
|
|||
|
an diesem Morgen ein körperliches Wohlbehagen; die Beinchen hatten
|
|||
|
festen Boden unter sich; sie gehorchten vollkommen, wie er zu seiner
|
|||
|
Freude merkte; strebten sogar darnach, ihn fortzutragen, wohin er
|
|||
|
wollte; und schon glaubte er, die endgültige Besserung alles Leidens
|
|||
|
stehe unmittelbar bevor. Aber im gleichen Augenblick, als er da
|
|||
|
schaukelnd vor verhaltener Bewegung, gar nicht weit von seiner Mutter
|
|||
|
entfernt, ihr gerade gegenüber auf dem Boden lag, sprang diese, die doch
|
|||
|
so ganz in sich versunken schien, mit einemmale in die Höhe, die Arme
|
|||
|
weit ausgestreckt, die Finger gespreizt, rief: »Hilfe, um Gottes willen
|
|||
|
Hilfe!«, hielt den Kopf geneigt, als wolle sie Gregor besser sehen, lief
|
|||
|
aber, im Widerspruch dazu, sinnlos zurück; hatte vergessen, daß hinter
|
|||
|
ihr der gedeckte Tisch stand; setzte sich, als sie bei ihm angekommen
|
|||
|
war, wie in Zerstreutheit, eilig auf ihn, und schien gar nicht zu
|
|||
|
merken, daß neben ihr aus der umgeworfenen großen Kanne der Kaffee in
|
|||
|
vollem Strome auf den Teppich sich ergoß.
|
|||
|
|
|||
|
»Mutter, Mutter,« sagte Gregor leise und sah zu ihr hinauf. Der
|
|||
|
Prokurist war ihm für einen Augenblick ganz aus dem Sinn gekommen;
|
|||
|
dagegen konnte er sich nicht versagen, im Anblick des fließenden Kaffees
|
|||
|
mehrmals mit den Kiefern ins Leere zu schnappen. Darüber schrie die
|
|||
|
Mutter neuerdings auf, flüchtete vom Tisch und fiel dem ihr
|
|||
|
entgegeneilenden Vater in die Arme. Aber Gregor hatte jetzt keine Zeit
|
|||
|
für seine Eltern; der Prokurist war schon auf der Treppe; das Kinn auf
|
|||
|
dem Geländer, sah er noch zum letzten Male zurück. Gregor nahm einen
|
|||
|
Anlauf, um ihn möglichst sicher einzuholen; der Prokurist mußte etwas
|
|||
|
ahnen, denn er machte einen Sprung über mehrere Stufen und verschwand;
|
|||
|
»Huh!« aber schrie er noch, es klang durchs ganze Treppenhaus. Leider
|
|||
|
schien nun auch diese Flucht des Prokuristen den Vater, der bisher
|
|||
|
verhältnismäßig gefaßt gewesen war, völlig zu verwirren, denn statt
|
|||
|
selbst dem Prokuristen nachzulaufen oder wenigstens Gregor in der
|
|||
|
Verfolgung nicht zu hindern, packte er mit der Rechten den Stock des
|
|||
|
Prokuristen, den dieser mit Hut und Überzieher auf einem Sessel
|
|||
|
zurückgelassen hatte, holte mit der Linken eine große Zeitung vom Tisch
|
|||
|
und machte sich unter Füßestampfen daran, Gregor durch Schwenken des
|
|||
|
Stockes und der Zeitung in sein Zimmer zurückzutreiben. Kein Bitten
|
|||
|
Gregors half, kein Bitten wurde auch verstanden, er mochte den Kopf noch
|
|||
|
so demütig drehen, der Vater stampfte nur stärker mit den Füßen. Drüben
|
|||
|
hatte die Mutter trotz des kühlen Wetters ein Fenster aufgerissen, und
|
|||
|
hinausgelehnt drückte sie ihr Gesicht weit außerhalb des Fensters in
|
|||
|
ihre Hände. Zwischen Gasse und Treppenhaus entstand eine starke Zugluft,
|
|||
|
die Fenstervorhänge flogen auf, die Zeitungen auf dem Tische rauschten,
|
|||
|
einzelne Blätter wehten über den Boden hin. Unerbittlich drängte der
|
|||
|
Vater und stieß Zischlaute aus, wie ein Wilder. Nun hatte aber Gregor
|
|||
|
noch gar keine Übung im Rückwärtsgehen, es ging wirklich sehr langsam.
|
|||
|
Wenn sich Gregor nur hätte umdrehen dürfen, er wäre gleich in seinem
|
|||
|
Zimmer gewesen, aber er fürchtete sich, den Vater durch die zeitraubende
|
|||
|
Umdrehung ungeduldig zu machen, und jeden Augenblick drohte ihm doch von
|
|||
|
dem Stock in des Vaters Hand der tödliche Schlag auf den Rücken oder auf
|
|||
|
den Kopf. Endlich aber blieb Gregor doch nichts anderes übrig, denn er
|
|||
|
merkte mit Entsetzen, daß er im Rückwärtsgehen nicht einmal die Richtung
|
|||
|
einzuhalten verstand; und so begann er, unter unaufhörlichen ängstlichen
|
|||
|
Seitenblicken nach dem Vater, sich nach Möglichkeit rasch, in
|
|||
|
Wirklichkeit aber doch nur sehr langsam umzudrehen. Vielleicht merkte
|
|||
|
der Vater seinen guten Willen, denn er störte ihn hierbei nicht, sondern
|
|||
|
dirigierte sogar hie und da die Drehbewegung von der Ferne mit der
|
|||
|
Spitze seines Stockes. Wenn nur nicht dieses unerträgliche Zischen des
|
|||
|
Vaters gewesen wäre! Gregor verlor darüber ganz den Kopf. Er war schon
|
|||
|
fast ganz umgedreht, als er sich, immer auf dieses Zischen horchend,
|
|||
|
sogar irrte und sich wieder ein Stück zurückdrehte. Als er aber endlich
|
|||
|
glücklich mit dem Kopf vor der Türöffnung war, zeigte es sich, daß sein
|
|||
|
Körper zu breit war, um ohne weiteres durchzukommen. Dem Vater fiel es
|
|||
|
natürlich in seiner gegenwärtigen Verfassung auch nicht entfernt ein,
|
|||
|
etwa den anderen Türflügel zu öffnen, um für Gregor einen genügenden
|
|||
|
Durchgang zu schaffen. Seine fixe Idee war bloß, daß Gregor so rasch als
|
|||
|
möglich in sein Zimmer müsse. Niemals hätte er auch die umständlichen
|
|||
|
Vorbereitungen gestattet, die Gregor brauchte, um sich aufzurichten und
|
|||
|
vielleicht auf diese Weise durch die Tür zu kommen. Vielleicht trieb er,
|
|||
|
als gäbe es kein Hindernis, Gregor jetzt unter besonderem Lärm
|
|||
|
vorwärts; es klang schon hinter Gregor gar nicht mehr wie die Stimme
|
|||
|
bloß eines einzigen Vaters; nun gab es wirklich keinen Spaß mehr, und
|
|||
|
Gregor drängte sich -- geschehe was wolle -- in die Tür. Die eine Seite
|
|||
|
seines Körpers hob sich, er lag schief in der Türöffnung, seine eine
|
|||
|
Flanke war ganz wundgerieben, an der weißen Tür blieben häßliche Flecke,
|
|||
|
bald steckte er fest und hätte sich allein nicht mehr rühren können, die
|
|||
|
Beinchen auf der einen Seite hingen zitternd oben in der Luft, die auf
|
|||
|
der anderen waren schmerzhaft zu Boden gedrückt -- da gab ihm der Vater
|
|||
|
von hinten einen jetzt wahrhaftig erlösenden starken Stoß, und er flog,
|
|||
|
heftig blutend, weit in sein Zimmer hinein. Die Tür wurde noch mit dem
|
|||
|
Stock zugeschlagen, dann war es endlich still.
|
|||
|
|
|||
|
|
|||
|
|
|||
|
|
|||
|
II.
|
|||
|
|
|||
|
|
|||
|
Erst in der Abenddämmerung erwachte Gregor aus seinem schweren
|
|||
|
ohnmachtähnlichen Schlaf. Er wäre gewiß nicht viel später auch ohne
|
|||
|
Störung erwacht, denn er fühlte sich genügend ausgeruht und
|
|||
|
ausgeschlafen, doch schien es ihm, als hätte ihn ein flüchtiger Schritt
|
|||
|
und ein vorsichtiges Schließen der zum Vorzimmer führenden Tür geweckt.
|
|||
|
Der Schein der elektrischen Straßenbahn lag bleich hier und da auf der
|
|||
|
Zimmerdecke und auf den höheren Teilen der Möbel, aber unten bei Gregor
|
|||
|
war es finster. Langsam schob er sich, noch ungeschickt mit seinen
|
|||
|
Fühlern tastend, die er jetzt erst schätzen lernte, zur Türe hin, um
|
|||
|
nachzusehen, was dort geschehen war. Seine linke Seite schien eine
|
|||
|
einzige lange, unangenehm spannende Narbe, und er mußte auf seinen zwei
|
|||
|
Beinreihen regelrecht hinken. Ein Beinchen war übrigens im Laufe der
|
|||
|
vormittägigen Vorfälle schwer verletzt worden -- es war fast ein
|
|||
|
Wunder, daß nur eines verletzt worden war -- und schleppte leblos nach.
|
|||
|
|
|||
|
Erst bei der Tür merkte er, was ihn dorthin eigentlich gelockt hatte; es
|
|||
|
war der Geruch von etwas Eßbarem gewesen. Denn dort stand ein Napf mit
|
|||
|
süßer Milch gefüllt, in der kleine Schnitte von Weißbrot schwammen. Fast
|
|||
|
hätte er vor Freude gelacht, denn er hatte noch größeren Hunger als am
|
|||
|
Morgen, und gleich tauchte er seinen Kopf fast bis über die Augen in die
|
|||
|
Milch hinein. Aber bald zog er ihn enttäuscht wieder zurück; nicht nur,
|
|||
|
daß ihm das Essen wegen seiner heiklen linken Seite Schwierigkeiten
|
|||
|
machte -- und er konnte nur essen, wenn der ganze Körper schnaufend
|
|||
|
mitarbeitete --, so schmeckte ihm überdies die Milch, die sonst sein
|
|||
|
Lieblingsgetränk war und die ihm gewiß die Schwester deshalb
|
|||
|
hereingestellt hatte, gar nicht, ja er wandte sich fast mit Widerwillen
|
|||
|
von dem Napf ab und kroch in die Zimmermitte zurück.
|
|||
|
|
|||
|
Im Wohnzimmer war, wie Gregor durch die Türspalte sah, das Gas
|
|||
|
angezündet, aber während sonst zu dieser Tageszeit der Vater seine
|
|||
|
nachmittags erscheinende Zeitung der Mutter und manchmal auch der
|
|||
|
Schwester mit erhobener Stimme vorzulesen pflegte, hörte man jetzt
|
|||
|
keinen Laut. Nun vielleicht war dieses Vorlesen, von dem ihm die
|
|||
|
Schwester immer erzählte und schrieb, in der letzten Zeit überhaupt aus
|
|||
|
der Übung gekommen. Aber auch ringsherum war es so still, trotzdem doch
|
|||
|
gewiß die Wohnung nicht leer war. »Was für ein stilles Leben die Familie
|
|||
|
doch führte,« sagte sich Gregor und fühlte, während er starr vor sich
|
|||
|
ins Dunkle sah, einen großen Stolz darüber, daß er seinen Eltern und
|
|||
|
seiner Schwester ein solches Leben in einer so schönen Wohnung hatte
|
|||
|
verschaffen können. Wie aber, wenn jetzt alle Ruhe, aller Wohlstand,
|
|||
|
alle Zufriedenheit ein Ende mit Schrecken nehmen sollte? Um sich nicht
|
|||
|
in solche Gedanken zu verlieren, setzte sich Gregor lieber in Bewegung
|
|||
|
und kroch im Zimmer auf und ab.
|
|||
|
|
|||
|
Einmal während des langen Abends wurde die eine Seitentüre und einmal
|
|||
|
die andere bis zu einer kleinen Spalte geöffnet und rasch wieder
|
|||
|
geschlossen; jemand hatte wohl das Bedürfnis hereinzukommen, aber auch
|
|||
|
wieder zu viele Bedenken. Gregor machte nun unmittelbar bei der
|
|||
|
Wohnzimmertür Halt, entschlossen, den zögernden Besucher doch irgendwie
|
|||
|
hereinzubringen oder doch wenigstens zu erfahren, wer es sei; aber nun
|
|||
|
wurde die Tür nicht mehr geöffnet und Gregor wartete vergebens. Früh,
|
|||
|
als die Türen versperrt waren, hatten alle zu ihm hereinkommen wollen,
|
|||
|
jetzt, da er die eine Tür geöffnet hatte und die anderen offenbar
|
|||
|
während des Tages geöffnet worden waren, kam keiner mehr, und die
|
|||
|
Schlüssel steckten nun auch von außen.
|
|||
|
|
|||
|
Spät erst in der Nacht wurde das Licht im Wohnzimmer ausgelöscht, und
|
|||
|
nun war leicht festzustellen, daß die Eltern und die Schwester so lange
|
|||
|
wachgeblieben waren, denn wie man genau hören konnte, entfernten sich
|
|||
|
jetzt alle drei auf den Fußspitzen. Nun kam gewiß bis zum Morgen niemand
|
|||
|
mehr zu Gregor herein; er hatte also eine lange Zeit, um ungestört zu
|
|||
|
überlegen, wie er sein Leben jetzt neu ordnen sollte. Aber das hohe
|
|||
|
freie Zimmer, in dem er gezwungen war, flach auf dem Boden zu liegen,
|
|||
|
ängstigte ihn, ohne daß er die Ursache herausfinden konnte, denn es war
|
|||
|
ja sein seit fünf Jahren von ihm bewohntes Zimmer -- und mit einer halb
|
|||
|
unbewußten Wendung und nicht ohne eine leichte Scham eilte er unter das
|
|||
|
Kanapee, wo er sich, trotzdem sein Rücken ein wenig gedrückt wurde und
|
|||
|
trotzdem er den Kopf nicht mehr erheben konnte, gleich sehr behaglich
|
|||
|
fühlte und nur bedauerte, daß sein Körper zu breit war, um vollständig
|
|||
|
unter dem Kanapee untergebracht zu werden.
|
|||
|
|
|||
|
Dort blieb er die ganze Nacht, die er zum Teil im Halbschlaf, aus dem
|
|||
|
ihn der Hunger immer wieder aufschreckte, verbrachte, zum Teil aber in
|
|||
|
Sorgen und undeutlichen Hoffnungen, die aber alle zu dem Schlusse
|
|||
|
führten, daß er sich vorläufig ruhig verhalten und durch Geduld und
|
|||
|
größte Rücksichtnahme der Familie die Unannehmlichkeiten erträglich
|
|||
|
machen müsse, die er ihr in seinem gegenwärtigen Zustand nun einmal zu
|
|||
|
verursachen gezwungen war.
|
|||
|
|
|||
|
Schon am frühen Morgen, es war fast noch Nacht, hatte Gregor
|
|||
|
Gelegenheit, die Kraft seiner eben gefaßten Entschlüsse zu prüfen, denn
|
|||
|
vom Vorzimmer her öffnete die Schwester, fast völlig angezogen, die Tür
|
|||
|
und sah mit Spannung herein. Sie fand ihn nicht gleich, aber als sie ihn
|
|||
|
unter dem Kanapee bemerkte -- Gott, er mußte doch irgendwo sein, er
|
|||
|
hatte doch nicht wegfliegen können -- erschrak sie so sehr, daß sie,
|
|||
|
ohne sich beherrschen zu können, die Tür von außen wieder zuschlug. Aber
|
|||
|
als bereue sie ihr Benehmen, öffnete sie die Tür sofort wieder und trat,
|
|||
|
als sei sie bei einem Schwerkranken oder gar bei einem Fremden, auf den
|
|||
|
Fußspitzen herein. Gregor hatte den Kopf bis knapp zum Rande des
|
|||
|
Kanapees vorgeschoben und beobachtete sie. Ob sie wohl bemerken würde,
|
|||
|
daß er die Milch stehen gelassen hatte, und zwar keineswegs aus Mangel
|
|||
|
an Hunger, und ob sie eine andere Speise hereinbringen würde, die ihm
|
|||
|
besser entsprach? Täte sie es nicht von selbst, er wollte lieber
|
|||
|
verhungern, als sie darauf aufmerksam machen, trotzdem es ihn eigentlich
|
|||
|
ungeheuer drängte, unterm Kanapee vorzuschießen, sich der Schwester zu
|
|||
|
Füßen zu werfen und sie um irgend etwas Gutes zum Essen zu bitten. Aber
|
|||
|
die Schwester bemerkte sofort mit Verwunderung den noch vollen Napf, aus
|
|||
|
dem nur ein wenig Milch ringsherum verschüttet war, sie hob ihn gleich
|
|||
|
auf, zwar nicht mit den bloßen Händen, sondern mit einem Fetzen, und
|
|||
|
trug ihn hinaus. Gregor war äußerst neugierig, was sie zum Ersatze
|
|||
|
bringen würde, und er machte sich die verschiedensten Gedanken darüber.
|
|||
|
Niemals aber hätte er erraten können, was die Schwester in ihrer Güte
|
|||
|
wirklich tat. Sie brachte ihm, um seinen Geschmack zu prüfen, eine ganze
|
|||
|
Auswahl, alles auf einer alten Zeitung ausgebreitet. Da war altes
|
|||
|
halbverfaultes Gemüse; Knochen vom Nachtmahl her, die von festgewordener
|
|||
|
weißer Sauce umgeben waren; ein paar Rosinen und Mandeln; ein Käse, den
|
|||
|
Gregor vor zwei Tagen für ungenießbar erklärt hatte; ein trockenes Brot,
|
|||
|
ein mit Butter beschmiertes Brot und ein mit Butter beschmiertes und
|
|||
|
gesalzenes Brot. Außerdem stellte sie zu dem allen noch den
|
|||
|
wahrscheinlich ein für allemal für Gregor bestimmten Napf, in den sie
|
|||
|
Wasser gegossen hatte. Und aus Zartgefühl, da sie wußte, daß Gregor vor
|
|||
|
ihr nicht essen würde, entfernte sie sich eiligst und drehte sogar den
|
|||
|
Schlüssel um, damit nur Gregor merken könne, daß er es sich so behaglich
|
|||
|
machen dürfe, wie er wolle. Gregors Beinchen schwirrten, als es jetzt
|
|||
|
zum Essen ging. Seine Wunden mußten übrigens auch schon vollständig
|
|||
|
geheilt sein, er fühlte keine Behinderung mehr, er staunte darüber und
|
|||
|
dachte daran, wie er vor mehr als einem Monat sich mit dem Messer ganz
|
|||
|
wenig in den Finger geschnitten, und wie ihm diese Wunde noch vorgestern
|
|||
|
genug wehgetan hatte. »Sollte ich jetzt weniger Feingefühl haben?«
|
|||
|
dachte er und saugte schon gierig an dem Käse, zu dem es ihn vor allen
|
|||
|
anderen Speisen sofort und nachdrücklich gezogen hatte. Rasch
|
|||
|
hintereinander und mit vor Befriedigung tränenden Augen verzehrte er den
|
|||
|
Käse, das Gemüse und die Sauce; die frischen Speisen dagegen schmeckten
|
|||
|
ihm nicht, er konnte nicht einmal ihren Geruch vertragen und schleppte
|
|||
|
sogar die Sachen, die er essen wollte, ein Stückchen weiter weg. Er war
|
|||
|
schon längst mit allem fertig und lag nur noch faul auf der gleichen
|
|||
|
Stelle, als die Schwester zum Zeichen, daß er sich zurückziehen solle,
|
|||
|
langsam den Schlüssel umdrehte. Das schreckte ihn sofort auf, trotzdem
|
|||
|
er schon fast schlummerte, und er eilte wieder unter das Kanapee. Aber
|
|||
|
es kostete ihn große Selbstüberwindung, auch nur die kurze Zeit, während
|
|||
|
welcher die Schwester im Zimmer war, unter dem Kanapee zu bleiben, denn
|
|||
|
von dem reichlichen Essen hatte sich sein Leib ein wenig gerundet, und
|
|||
|
er konnte dort in der Enge kaum atmen. Unter kleinen Erstickungsanfällen
|
|||
|
sah er mit etwas hervorgequollenen Augen zu, wie die nichtsahnende
|
|||
|
Schwester mit einem Besen nicht nur die Überbleibsel zusammenkehrte,
|
|||
|
sondern selbst die von Gregor gar nicht berührten Speisen, als seien
|
|||
|
also auch diese nicht mehr zu gebrauchen, und wie sie alles hastig in
|
|||
|
einen Kübel schüttete, den sie mit einem Holzdeckel schloß, worauf sie
|
|||
|
alles hinaustrug. Kaum hatte sie sich umgedreht, zog sich schon Gregor
|
|||
|
unter dem Kanapee hervor und streckte und blähte sich.
|
|||
|
|
|||
|
Auf diese Weise bekam nun Gregor täglich sein Essen, einmal am Morgen,
|
|||
|
wenn die Eltern und das Dienstmädchen noch schliefen, das zweitemal nach
|
|||
|
dem allgemeinen Mittagessen, denn dann schliefen die Eltern gleichfalls
|
|||
|
noch ein Weilchen, und das Dienstmädchen wurde von der Schwester mit
|
|||
|
irgendeiner Besorgung weggeschickt. Gewiß wollten auch sie nicht, daß
|
|||
|
Gregor verhungere, aber vielleicht hätten sie es nicht ertragen können,
|
|||
|
von seinem Essen mehr als durch Hörensagen zu erfahren, vielleicht
|
|||
|
wollte die Schwester ihnen auch eine möglicherweise nur kleine Trauer
|
|||
|
ersparen, denn tatsächlich litten sie ja gerade genug.
|
|||
|
|
|||
|
Mit welchen Ausreden man an jenem ersten Vormittag den Arzt und den
|
|||
|
Schlosser wieder aus der Wohnung geschafft hatte, konnte Gregor gar
|
|||
|
nicht erfahren, denn da er nicht verstanden wurde, dachte niemand daran,
|
|||
|
auch die Schwester nicht, daß er die anderen verstehen könne, und so
|
|||
|
mußte er sich, wenn die Schwester in seinem Zimmer war, damit begnügen,
|
|||
|
nur hier und da ihre Seufzer und Anrufe der Heiligen zu hören. Erst
|
|||
|
später, als sie sich ein wenig an alles gewöhnt hatte -- von
|
|||
|
vollständiger Gewöhnung konnte natürlich niemals die Rede sein --,
|
|||
|
erhaschte Gregor manchmal eine Bemerkung, die freundlich gemeint war
|
|||
|
oder so gedeutet werden konnte. »Heute hat es ihm aber geschmeckt,«
|
|||
|
sagte sie, wenn Gregor unter dem Essen tüchtig aufgeräumt hatte, während
|
|||
|
sie im gegenteiligen Fall, der sich allmählich immer häufiger
|
|||
|
wiederholte, fast traurig zu sagen pflegte: »Nun ist wieder alles
|
|||
|
stehengeblieben.«
|
|||
|
|
|||
|
Während aber Gregor unmittelbar keine Neuigkeit erfahren konnte,
|
|||
|
erhorchte er manches aus den Nebenzimmern, und wo er nun einmal Stimmen
|
|||
|
hörte, lief er gleich zu der betreffenden Tür und drückte sich mit
|
|||
|
ganzem Leib an sie. Besonders in der ersten Zeit gab es kein Gespräch,
|
|||
|
das nicht irgendwie wenn auch nur im geheimen, von ihm handelte. Zwei
|
|||
|
Tage lang waren bei allen Mahlzeiten Beratungen darüber zu hören, wie
|
|||
|
man sich jetzt verhalten solle; aber auch zwischen den Mahlzeiten sprach
|
|||
|
man über das gleiche Thema, denn immer waren zumindest zwei
|
|||
|
Familienmitglieder zu Hause, da wohl niemand allein zu Hause bleiben
|
|||
|
wollte und man die Wohnung doch auf keinen Fall gänzlich verlassen
|
|||
|
konnte. Auch hatte das Dienstmädchen gleich am ersten Tag -- es war
|
|||
|
nicht ganz klar, was und wieviel sie von dem Vorgefallenen wußte --
|
|||
|
kniefällig die Mutter gebeten, sie sofort zu entlassen, und als sie sich
|
|||
|
eine Viertelstunde danach verabschiedete, dankte sie für die Entlassung
|
|||
|
unter Tränen, wie für die größte Wohltat, die man ihr hier erwiesen
|
|||
|
hatte, und gab, ohne daß man es von ihr verlangte, einen fürchterlichen
|
|||
|
Schwur ab, niemandem auch nur das geringste zu verraten.
|
|||
|
|
|||
|
Nun mußte die Schwester im Verein mit der Mutter auch kochen; allerdings
|
|||
|
machte das nicht viel Mühe, denn man aß fast nichts. Immer wieder hörte
|
|||
|
Gregor, wie der eine den anderen vergebens zum Essen aufforderte und
|
|||
|
keine andere Antwort bekam, als: »Danke ich habe genug« oder etwas
|
|||
|
Ähnliches. Getrunken wurde vielleicht auch nichts. Öfters fragte die
|
|||
|
Schwester den Vater, ob er Bier haben wolle, und herzlich erbot sie
|
|||
|
sich, es selbst zu holen, und als der Vater schwieg, sagte sie, um ihm
|
|||
|
jedes Bedenken zu nehmen, sie könne auch die Hausmeisterin darum
|
|||
|
schicken, aber dann sagte der Vater schließlich ein großes »Nein«, und
|
|||
|
es wurde nicht mehr davon gesprochen.
|
|||
|
|
|||
|
Schon im Laufe des ersten Tages legte der Vater die ganzen
|
|||
|
Vermögensverhältnisse und Aussichten sowohl der Mutter als auch der
|
|||
|
Schwester dar. Hie und da stand er vom Tische auf und holte aus seiner
|
|||
|
kleinen Wertheimkassa, die er aus dem vor fünf Jahren erfolgten
|
|||
|
Zusammenbruch seines Geschäftes gerettet hatte, irgendeinen Beleg oder
|
|||
|
irgendein Vormerkbuch. Man hörte, wie er das komplizierte Schloß
|
|||
|
aufsperrte und nach Entnahme des Gesuchten wieder verschloß. Diese
|
|||
|
Erklärungen des Vaters waren zum Teil das erste Erfreuliche, was Gregor
|
|||
|
seit seiner Gefangenschaft zu hören bekam. Er war der Meinung gewesen,
|
|||
|
daß dem Vater von jenem Geschäft her nicht das Geringste übriggeblieben
|
|||
|
war, zumindest hatte ihm der Vater nichts Gegenteiliges gesagt, und
|
|||
|
Gregor allerdings hatte ihn auch nicht darum gefragt. Gregors Sorge war
|
|||
|
damals nur gewesen, alles daranzusetzen, um die Familie das
|
|||
|
geschäftliche Unglück, das alle in eine vollständige Hoffnungslosigkeit
|
|||
|
gebracht hatte, möglichst rasch vergessen zu lassen. Und so hatte er
|
|||
|
damals mit ganz besonderem Feuer zu arbeiten angefangen und war fast
|
|||
|
über Nacht aus einem kleinen Kommis ein Reisender geworden, der
|
|||
|
natürlich ganz andere Möglichkeiten des Geldverdienens hatte, und dessen
|
|||
|
Arbeitserfolge sich sofort in Form der Provision zu Bargeld
|
|||
|
verwandelten, das der erstaunten und beglückten Familie zu Hause auf den
|
|||
|
Tisch gelegt werden konnte. Es waren schöne Zeiten gewesen, und niemals
|
|||
|
nachher hatten sie sich, wenigstens in diesem Glanze, wiederholt,
|
|||
|
trotzdem Gregor später so viel Geld verdiente, daß er den Aufwand der
|
|||
|
ganzen Familie zu tragen imstande war und auch trug. Man hatte sich eben
|
|||
|
daran gewöhnt, sowohl die Familie, als auch Gregor, man nahm das Geld
|
|||
|
dankbar an, er lieferte es gern ab, aber eine besondere Wärme wollte
|
|||
|
sich nicht mehr ergeben. Nur die Schwester war Gregor doch noch nahe
|
|||
|
geblieben, und es war sein geheimer Plan, sie, die zum Unterschied von
|
|||
|
Gregor Musik sehr liebte und rührend Violine zu spielen verstand,
|
|||
|
nächstes Jahr, ohne Rücksicht auf die großen Kosten, die das verursachen
|
|||
|
mußte, und die man schon auf andere Weise hereinbringen würde, auf das
|
|||
|
Konservatorium zu schicken. Öfters während der kurzen Aufenthalte
|
|||
|
Gregors in der Stadt wurde in den Gesprächen mit der Schwester das
|
|||
|
Konservatorium erwähnt, aber immer nur als schöner Traum, an dessen
|
|||
|
Verwirklichung nicht zu denken war, und die Eltern hörten nicht einmal
|
|||
|
diese unschuldigen Erwähnungen gern; aber Gregor dachte sehr bestimmt
|
|||
|
daran und beabsichtigte, es am Weihnachtsabend feierlich zu erklären.
|
|||
|
|
|||
|
Solche in seinem gegenwärtigen Zustand ganz nutzlose Gedanken gingen ihm
|
|||
|
durch den Kopf, während er dort aufrecht an der Türe klebte und horchte.
|
|||
|
Manchmal konnte er vor allgemeiner Müdigkeit gar nicht mehr zuhören und
|
|||
|
ließ den Kopf nachlässig gegen die Tür schlagen, hielt ihn aber sofort
|
|||
|
wieder fest, denn selbst das kleine Geräusch, das er damit verursacht
|
|||
|
hatte, war nebenan gehört worden und hatte alle verstummen lassen. »Was
|
|||
|
er nur wieder treibt,« sagte der Vater nach einer Weile, offenbar zur
|
|||
|
Türe hingewendet, und dann erst wurde das unterbrochene Gespräch
|
|||
|
allmählich wieder aufgenommen.
|
|||
|
|
|||
|
Gregor erfuhr nun zur Genüge -- denn der Vater pflegte sich in seinen
|
|||
|
Erklärungen öfters zu wiederholen, teils, weil er selbst sich mit diesen
|
|||
|
Dingen schon lange nicht beschäftigt hatte, teils auch, weil die Mutter
|
|||
|
nicht alles gleich beim erstenmal verstand --, daß trotz allen Unglücks
|
|||
|
ein allerdings ganz kleines Vermögen aus der alten Zeit noch vorhanden
|
|||
|
war, das die nicht angerührten Zinsen in der Zwischenzeit ein wenig
|
|||
|
hatten anwachsen lassen. Außerdem aber war das Geld, das Gregor
|
|||
|
allmonatlich nach Hause gebracht hatte -- er selbst hatte nur ein paar
|
|||
|
Gulden für sich behalten --, nicht vollständig aufgebraucht worden und
|
|||
|
hatte sich zu einem kleinen Kapital angesammelt. Gregor, hinter seiner
|
|||
|
Türe, nickte eifrig, erfreut über diese unerwartete Vorsicht und
|
|||
|
Sparsamkeit. Eigentlich hätte er ja mit diesen überschüssigen Geldern
|
|||
|
die Schuld des Vaters gegenüber dem Chef weiter abgetragen haben können,
|
|||
|
und jener Tag, an dem er diesen Posten hätte loswerden können, wäre weit
|
|||
|
näher gewesen, aber jetzt war es zweifellos besser so, wie es der Vater
|
|||
|
eingerichtet hatte.
|
|||
|
|
|||
|
Nun genügte dieses Geld aber ganz und gar nicht, um die Familie etwa von
|
|||
|
den Zinsen leben zu lassen; es genügte vielleicht, um die Familie ein,
|
|||
|
höchstens zwei Jahre zu erhalten, mehr war es nicht. Es war also bloß
|
|||
|
eine Summe, die man eigentlich nicht angreifen durfte, und die für den
|
|||
|
Notfall zurückgelegt werden mußte; das Geld zum Leben aber mußte man
|
|||
|
verdienen. Nun war aber der Vater ein zwar gesunder, aber alter Mann,
|
|||
|
der schon fünf Jahre nichts gearbeitet hatte und sich jedenfalls nicht
|
|||
|
viel zutrauen durfte; er hatte in diesen fünf Jahren, welche die ersten
|
|||
|
Ferien seines mühevollen und doch erfolglosen Lebens waren, viel Fett
|
|||
|
angesetzt und war dadurch recht schwerfällig geworden. Und die alte
|
|||
|
Mutter sollte nun vielleicht Geld verdienen, die an Asthma litt, der
|
|||
|
eine Wanderung durch die Wohnung schon Anstrengung verursachte, und die
|
|||
|
jeden zweiten Tag in Atembeschwerden auf dem Sofa beim offenen Fenster
|
|||
|
verbrachte? Und die Schwester sollte Geld verdienen, die noch ein Kind
|
|||
|
war mit ihren siebzehn Jahren, und der ihre bisherige Lebensweise so
|
|||
|
sehr zu gönnen war, die daraus bestanden hatte, sich nett zu kleiden,
|
|||
|
lange zu schlafen, in der Wirtschaft mitzuhelfen, an ein paar
|
|||
|
bescheidenen Vergnügungen sich zu beteiligen und vor allem Violine zu
|
|||
|
spielen? Wenn die Rede auf diese Notwendigkeit des Geldverdienens kam,
|
|||
|
ließ zuerst immer Gregor die Türe los und warf sich auf das neben der
|
|||
|
Tür befindliche kühle Ledersofa, denn ihm war ganz heiß vor Beschämung
|
|||
|
und Trauer.
|
|||
|
|
|||
|
Oft lag er dort die ganzen langen Nächte über, schlief keinen Augenblick
|
|||
|
und scharrte nur stundenlang auf dem Leder. Oder er scheute nicht die
|
|||
|
große Mühe, einen Sessel zum Fenster zu schieben, dann die
|
|||
|
Fensterbrüstung hinaufzukriechen und, in den Sessel gestemmt, sich ans
|
|||
|
Fenster zu lehnen, offenbar nur in irgendeiner Erinnerung an das
|
|||
|
Befreiende, das früher für ihn darin gelegen war, aus dem Fenster zu
|
|||
|
schauen. Denn tatsächlich sah er von Tag zu Tag die auch nur ein wenig
|
|||
|
entfernten Dinge immer undeutlicher; das gegenüberliegende Krankenhaus,
|
|||
|
dessen nur allzu häufigen Anblick er früher verflucht hatte, bekam er
|
|||
|
überhaupt nicht mehr zu Gesicht, und wenn er nicht genau gewußt hätte,
|
|||
|
daß er in der stillen, aber völlig städtischen Charlottenstraße wohnte,
|
|||
|
hätte er glauben können, von seinem Fenster aus in eine Einöde zu
|
|||
|
schauen in welcher der graue Himmel und die graue Erde ununterscheidbar
|
|||
|
sich vereinigten. Nur zweimal hatte die aufmerksame Schwester sehen
|
|||
|
müssen, daß der Sessel beim Fenster stand, als sie schon jedesmal,
|
|||
|
nachdem sie das Zimmer aufgeräumt hatte, den Sessel wieder genau zum
|
|||
|
Fenster hinschob, ja sogar von nun ab den inneren Fensterflügel offen
|
|||
|
ließ.
|
|||
|
|
|||
|
Hätte Gregor nur mit der Schwester sprechen und ihr für alles danken
|
|||
|
können, was sie für ihn machen mußte, er hätte ihre Dienste leichter
|
|||
|
ertragen; so aber litt er darunter. Die Schwester suchte freilich die
|
|||
|
Peinlichkeit des Ganzen möglichst zu verwischen, und je längere Zeit
|
|||
|
verging, desto besser gelang es ihr natürlich auch, aber auch Gregor
|
|||
|
durchschaute mit der Zeit alles viel genauer. Schon ihr Eintritt war für
|
|||
|
ihn schrecklich. Kaum war sie eingetreten, lief sie, ohne sich Zeit zu
|
|||
|
nehmen, die Türe zu schließen, so sehr sie sonst darauf achtete, jedem
|
|||
|
den Anblick von Gregors Zimmer zu ersparen, geradewegs zum Fenster und
|
|||
|
riß es, als ersticke sie fast, mit hastigen Händen auf, blieb auch,
|
|||
|
selbst wenn es noch so kalt war, ein Weilchen beim Fenster und atmete
|
|||
|
tief. Mit diesem Laufen und Lärmen erschreckte sie Gregor täglich
|
|||
|
zweimal; die ganze Zeit über zitterte er unter dem Kanapee und wußte
|
|||
|
doch sehr gut, daß sie ihn gewiß gerne damit verschont hätte, wenn es
|
|||
|
ihr nur möglich gewesen wäre, sich in einem Zimmer, in dem sich Gregor
|
|||
|
befand, bei geschlossenem Fenster aufzuhalten.
|
|||
|
|
|||
|
Einmal, es war wohl schon ein Monat seit Gregors Verwandlung vergangen,
|
|||
|
und es war doch schon für die Schwester kein besonderer Grund mehr, über
|
|||
|
Gregors Aussehen in Erstaunen zu geraten, kam sie ein wenig früher als
|
|||
|
sonst und traf Gregor noch an, wie er, unbeweglich und so recht zum
|
|||
|
Erschrecken aufgestellt, aus dem Fenster schaute. Es wäre für Gregor
|
|||
|
nicht unerwartet gewesen, wenn sie nicht eingetreten wäre, da er sie
|
|||
|
durch seine Stellung verhinderte, sofort das Fenster zu öffnen, aber sie
|
|||
|
trat nicht nur nicht ein, sie fuhr sogar zurück und schloß die Tür; ein
|
|||
|
Fremder hätte geradezu denken können, Gregor habe ihr aufgelauert und
|
|||
|
habe sie beißen wollen. Gregor versteckte sich natürlich sofort unter
|
|||
|
dem Kanapee, aber er mußte bis zum Mittag warten, ehe die Schwester
|
|||
|
wiederkam, und sie schien viel unruhiger als sonst. Er erkannte daraus,
|
|||
|
daß ihr sein Anblick noch immer unerträglich war und ihr auch weiterhin
|
|||
|
unerträglich bleiben müsse, und daß sie sich wohl sehr überwinden mußte,
|
|||
|
vor dem Anblick auch nur der kleinen Partie seines Körpers nicht
|
|||
|
davonzulaufen, mit der er unter dem Kanapee hervorragte. Um ihr auch
|
|||
|
diesen Anblick zu ersparen, trug er eines Tages auf seinem Rücken -- er
|
|||
|
brauchte zu dieser Arbeit vier Stunden -- das Leintuch auf das Kanapee
|
|||
|
und ordnete es in einer solchen Weise an, daß er nun gänzlich verdeckt
|
|||
|
war, und daß die Schwester, selbst wenn sie sich bückte, ihn nicht sehen
|
|||
|
konnte. Wäre dieses Leintuch ihrer Meinung nach nicht nötig gewesen,
|
|||
|
dann hätte sie es ja entfernen können, denn daß es nicht zum Vergnügen
|
|||
|
Gregors gehören konnte, sich so ganz und gar abzusperren, war doch klar
|
|||
|
genug, aber sie ließ das Leintuch, so wie es war, und Gregor glaubte
|
|||
|
sogar einen dankbaren Blick erhascht zu haben, als er einmal mit dem
|
|||
|
Kopf vorsichtig das Leintuch ein wenig lüftete, um nachzusehen, wie die
|
|||
|
Schwester die neue Einrichtung aufnahm.
|
|||
|
|
|||
|
In den ersten vierzehn Tagen konnten es die Eltern nicht über sich
|
|||
|
bringen, zu ihm hereinzukommen, und er hörte oft, wie sie die jetzige
|
|||
|
Arbeit der Schwester völlig anerkannten, während sie sich bisher häufig
|
|||
|
über die Schwester geärgert hatten, weil sie ihnen als ein etwas
|
|||
|
nutzloses Mädchen erschienen war. Nun aber warteten oft beide, der Vater
|
|||
|
und die Mutter, vor Gregors Zimmer, während die Schwester dort
|
|||
|
aufräumte, und kaum war sie herausgekommen, mußte sie ganz genau
|
|||
|
erzählen, wie es in dem Zimmer aussah, was Gregor gegessen hatte, wie er
|
|||
|
sich diesmal benommen hatte, und ob vielleicht eine kleine Besserung zu
|
|||
|
bemerken war. Die Mutter übrigens wollte verhältnismäßig bald Gregor
|
|||
|
besuchen, aber der Vater und die Schwester hielten sie zuerst mit
|
|||
|
Vernunftgründen zurück, denen Gregor sehr aufmerksam zuhörte, und die er
|
|||
|
vollständig billigte. Später aber mußte man sie mit Gewalt zurückhalten,
|
|||
|
und wenn sie dann rief: »Laßt mich doch zu Gregor, er ist ja mein
|
|||
|
unglücklicher Sohn! Begreift ihr es denn nicht, daß ich zu ihm muß?«,
|
|||
|
dann dachte Gregor, daß es vielleicht doch gut wäre, wenn die Mutter
|
|||
|
hereinkäme, nicht jeden Tag natürlich, aber vielleicht einmal in der
|
|||
|
Woche; sie verstand doch alles viel besser als die Schwester, die trotz
|
|||
|
all ihrem Mute doch nur ein Kind war und im letzten Grunde vielleicht
|
|||
|
nur aus kindlichem Leichtsinn eine so schwere Aufgabe übernommen hatte.
|
|||
|
|
|||
|
Der Wunsch Gregors, die Mutter zu sehen, ging bald in Erfüllung. Während
|
|||
|
des Tages wollte Gregor schon aus Rücksicht auf seine Eltern sich nicht
|
|||
|
beim Fenster zeigen, kriechen konnte er aber auf den paar Quadratmetern
|
|||
|
des Fußbodens auch nicht viel, das ruhige Liegen ertrug er schon während
|
|||
|
der Nacht schwer, das Essen machte ihm bald nicht mehr das geringste
|
|||
|
Vergnügen, und so nahm er zur Zerstreuung die Gewohnheit an, kreuz und
|
|||
|
quer über Wände und Plafond zu kriechen. Besonders oben an der Decke
|
|||
|
hing er gern; es war ganz anders, als das Liegen auf dem Fußboden; man
|
|||
|
atmete freier; ein leichtes Schwingen ging durch den Körper, und in der
|
|||
|
fast glücklichen Zerstreutheit, in der sich Gregor dort oben befand,
|
|||
|
konnte es geschehen, daß er zu seiner eigenen Überraschung sich losließ
|
|||
|
und auf den Boden klatschte. Aber nun hatte er natürlich seinen Körper
|
|||
|
ganz anders in der Gewalt als früher und beschädigte sich selbst bei
|
|||
|
einem so großen Falle nicht. Die Schwester nun bemerkte sofort die neue
|
|||
|
Unterhaltung, die Gregor für sich gefunden hatte -- er hinterließ ja
|
|||
|
auch beim Kriechen hie und da Spuren seines Klebstoffes --, und da
|
|||
|
setzte sie es sich in den Kopf, Gregor das Kriechen in größtem Ausmaße
|
|||
|
zu ermöglichen und die Möbel, die es verhinderten, also vor allem den
|
|||
|
Kasten und den Schreibtisch, wegzuschaffen. Nun war sie aber nicht
|
|||
|
imstande, dies allein zu tun; den Vater wagte sie nicht um Hilfe zu
|
|||
|
bitten; das Dienstmädchen hätte ihr ganz gewiß nicht geholfen, denn
|
|||
|
dieses etwa sechzehnjährige Mädchen harrte zwar tapfer seit Entlassung
|
|||
|
der früheren Köchin aus, hatte aber um die Vergünstigung gebeten, die
|
|||
|
Küche unaufhörlich versperrt halten zu dürfen und nur auf besonderen
|
|||
|
Anruf öffnen zu müssen; so blieb der Schwester also nichts übrig, als
|
|||
|
einmal in Abwesenheit des Vaters die Mutter zu holen. Mit Ausrufen
|
|||
|
erregter Freude kam die Mutter auch heran, verstummte aber an der Tür
|
|||
|
vor Gregors Zimmer. Zuerst sah natürlich die Schwester nach, ob alles im
|
|||
|
Zimmer in Ordnung war; dann erst ließ sie die Mutter eintreten. Gregor
|
|||
|
hatte in größter Eile das Leintuch noch tiefer und mehr in Falten
|
|||
|
gezogen, das Ganze sah wirklich nur wie ein zufällig über das Kanapee
|
|||
|
geworfenes Leintuch aus. Gregor unterließ auch diesmal, unter dem
|
|||
|
Leintuch zu spionieren; er verzichtete darauf, die Mutter schon diesmal
|
|||
|
zu sehen, und war nur froh, daß sie nun doch gekommen war. »Komm nur,
|
|||
|
man sieht ihn nicht,« sagte die Schwester, und offenbar führte sie die
|
|||
|
Mutter an der Hand. Gregor hörte nun, wie die zwei schwachen Frauen den
|
|||
|
immerhin schweren alten Kasten von seinem Platze rückten, und wie die
|
|||
|
Schwester immerfort den größten Teil der Arbeit für sich beanspruchte,
|
|||
|
ohne auf die Warnungen der Mutter zu hören, welche fürchtete, daß sie
|
|||
|
sich überanstrengen werde. Es dauerte sehr lange. Wohl nach schon
|
|||
|
viertelstündiger Arbeit sagte die Mutter, man solle den Kasten doch
|
|||
|
lieber hier lassen, denn erstens sei er zu schwer, sie würden vor
|
|||
|
Ankunft des Vaters nicht fertig werden und mit dem Kasten in der Mitte
|
|||
|
des Zimmers Gregor jeden Weg verrammeln, zweitens aber sei es doch gar
|
|||
|
nicht sicher, daß Gregor mit der Entfernung der Möbel ein Gefallen
|
|||
|
geschehe. Ihr scheine das Gegenteil der Fall zu sein; ihr bedrücke der
|
|||
|
Anblick der leeren Wand geradezu das Herz; und warum solle nicht auch
|
|||
|
Gregor diese Empfindung haben, da er doch an die Zimmermöbel längst
|
|||
|
gewöhnt sei und sich deshalb im leeren Zimmer verlassen fühlen werde.
|
|||
|
»Und ist es dann nicht so,« schloß die Mutter ganz leise, wie sie
|
|||
|
überhaupt fast flüsterte, als wolle sie vermeiden, daß Gregor, dessen
|
|||
|
genauen Aufenthalt sie ja nicht kannte, auch nur den Klang der Stimme
|
|||
|
höre, denn daß er die Worte nicht verstand, davon war sie überzeugt,
|
|||
|
»und ist es nicht so, als ob wir durch die Entfernung der Möbel zeigten,
|
|||
|
daß wir jede Hoffnung auf Besserung aufgeben und ihn rücksichtslos sich
|
|||
|
selbst überlassen? Ich glaube, es wäre das beste, wir suchen das Zimmer
|
|||
|
genau in dem Zustand zu erhalten, in dem es früher war, damit Gregor,
|
|||
|
wenn er wieder zu uns zurückkommt, alles unverändert findet und um so
|
|||
|
leichter die Zwischenzeit vergessen kann.«
|
|||
|
|
|||
|
Beim Anhören dieser Worte der Mutter erkannte Gregor, daß der Mangel
|
|||
|
jeder unmittelbaren menschlichen Ansprache, verbunden mit dem
|
|||
|
einförmigen Leben inmitten der Familie, im Laufe dieser zwei Monate
|
|||
|
seinen Verstand hatte verwirren müssen, denn anders konnte er es sich
|
|||
|
nicht erklären, daß er ernsthaft darnach hatte verlangen können, daß
|
|||
|
sein Zimmer ausgeleert würde. Hatte er wirklich Lust, das warme, mit
|
|||
|
ererbten Möbeln gemütlich ausgestattete Zimmer in eine Höhle verwandeln
|
|||
|
zu lassen, in der er dann freilich nach allen Richtungen ungestört würde
|
|||
|
kriechen können, jedoch auch unter gleichzeitigem, schnellen, gänzlichen
|
|||
|
Vergessen seiner menschlichen Vergangenheit? War er doch jetzt schon
|
|||
|
nahe daran, zu vergessen, und nur die seit langem nicht gehörte Stimme
|
|||
|
der Mutter hatte ihn aufgerüttelt. Nichts sollte entfernt werden, alles
|
|||
|
mußte bleiben, die guten Einwirkungen der Möbel auf seinen Zustand
|
|||
|
konnte er nicht entbehren; und wenn die Möbel ihn hinderten, das
|
|||
|
sinnlose Herumkriechen zu betreiben, so war es kein Schaden, sondern ein
|
|||
|
großer Vorteil.
|
|||
|
|
|||
|
Aber die Schwester war leider anderer Meinung; sie hatte sich,
|
|||
|
allerdings nicht ganz unberechtigt, angewöhnt, bei Besprechung der
|
|||
|
Angelegenheiten Gregors als besonders Sachverständige gegenüber den
|
|||
|
Eltern aufzutreten, und so war auch jetzt der Rat der Mutter für die
|
|||
|
Schwester Grund genug, auf der Entfernung nicht nur des Kastens und des
|
|||
|
Schreibtisches, an die sie zuerst allein gedacht hatte, sondern auf der
|
|||
|
Entfernung sämtlicher Möbel, mit Ausnahme des unentbehrlichen Kanapees,
|
|||
|
zu bestehen. Es war natürlich nicht nur kindlicher Trotz und das in der
|
|||
|
letzten Zeit so unerwartet und schwer erworbene Selbstvertrauen, das sie
|
|||
|
zu dieser Forderung bestimmte; sie hatte doch auch tatsächlich
|
|||
|
beobachtet, daß Gregor viel Raum zum Kriechen brauchte, dagegen die
|
|||
|
Möbel, soweit man sehen konnte, nicht im geringsten benützte. Vielleicht
|
|||
|
aber spielte auch der schwärmerische Sinn der Mädchen ihres Alters mit,
|
|||
|
der bei jeder Gelegenheit seine Befriedigung sucht, und durch den Grete
|
|||
|
jetzt sich dazu verlocken ließ, die Lage Gregors noch
|
|||
|
schreckenerregender machen zu wollen, um dann noch mehr als bis jetzt
|
|||
|
für ihn leisten zu können. Denn in einem Raum, in dem Gregor ganz allein
|
|||
|
die leeren Wände beherrschte, würde wohl kein Mensch außer Grete jemals
|
|||
|
einzutreten sich getrauen.
|
|||
|
|
|||
|
Und so ließ sie sich von ihrem Entschlusse durch die Mutter nicht
|
|||
|
abbringen, die auch in diesem Zimmer vor lauter Unruhe unsicher schien,
|
|||
|
bald verstummte und der Schwester nach Kräften beim Hinausschaffen des
|
|||
|
Kastens half. Nun, den Kasten konnte Gregor im Notfall noch entbehren,
|
|||
|
aber schon der Schreibtisch mußte bleiben. Und kaum hatten die Frauen
|
|||
|
mit dem Kasten, an dem sie sich ächzend drückten, das Zimmer verlassen,
|
|||
|
als Gregor den Kopf unter dem Kanapee hervorstieß, um zu sehen, wie er
|
|||
|
vorsichtig und möglichst rücksichtsvoll eingreifen könnte. Aber zum
|
|||
|
Unglück war es gerade die Mutter, welche zuerst zurückkehrte, während
|
|||
|
Grete im Nebenzimmer den Kasten umfangen hielt und ihn allein hin und
|
|||
|
her schwang, ohne ihn natürlich von der Stelle zu bringen. Die Mutter
|
|||
|
aber war Gregors Anblick nicht gewöhnt, er hätte sie krank machen
|
|||
|
können, und so eilte Gregor erschrocken im Rückwärtslauf bis an das
|
|||
|
andere Ende des Kanapees, konnte es aber nicht mehr verhindern, daß das
|
|||
|
Leintuch vorne ein wenig sich bewegte. Das genügte, um die Mutter
|
|||
|
aufmerksam zu machen. Sie stockte, stand einen Augenblick still und ging
|
|||
|
dann zu Grete zurück.
|
|||
|
|
|||
|
Trotzdem sich Gregor immer wieder sagte, daß ja nichts Außergewöhnliches
|
|||
|
geschehe, sondern nur ein paar Möbel umgestellt würden, wirkte doch, wie
|
|||
|
er sich bald eingestehen mußte, dieses Hin- und Hergehen der Frauen,
|
|||
|
ihre kleinen Zurufe, das Kratzen der Möbel auf dem Boden, wie ein
|
|||
|
großer, von allen Seiten genährter Trubel auf ihn, und er mußte sich, so
|
|||
|
fest er Kopf und Beine an sich zog und den Leib bis an den Boden
|
|||
|
drückte, unweigerlich sagen, daß er das Ganze nicht lange aushalten
|
|||
|
werde. Sie räumten ihm sein Zimmer aus; nahmen ihm alles, was ihm lieb
|
|||
|
war; den Kasten, in dem die Laubsäge und andere Werkzeuge lagen, hatten
|
|||
|
sie schon hinausgetragen; lockerten jetzt den schon im Boden fest
|
|||
|
eingegrabenen Schreibtisch, an dem er als Handelsakademiker, als
|
|||
|
Bürgerschüler, ja sogar schon als Volksschüler seine Aufgaben
|
|||
|
geschrieben hatte, -- da hatte er wirklich keine Zeit mehr, die guten
|
|||
|
Absichten zu prüfen, welche die zwei Frauen hatten, deren Existenz er
|
|||
|
übrigens fast vergessen hatte, denn vor Erschöpfung arbeiteten sie schon
|
|||
|
stumm, und man hörte nur das schwere Tappen ihrer Füße.
|
|||
|
|
|||
|
Und so brach er denn hervor -- die Frauen stützten sich gerade im
|
|||
|
Nebenzimmer an den Schreibtisch, um ein wenig zu verschnaufen --,
|
|||
|
wechselte viermal die Richtung des Laufes, er wußte wirklich nicht, was
|
|||
|
er zuerst retten sollte, da sah er an der im übrigen schon leeren Wand
|
|||
|
auffallend das Bild der in lauter Pelzwerk gekleideten Dame hängen,
|
|||
|
kroch eilends hinauf und preßte sich an das Glas, das ihn festhielt und
|
|||
|
seinem heißen Bauch wohltat. Dieses Bild wenigstens, das Gregor jetzt
|
|||
|
ganz verdeckte, würde nun gewiß niemand wegnehmen. Er verdrehte den Kopf
|
|||
|
nach der Tür des Wohnzimmers, um die Frauen bei ihrer Rückkehr zu
|
|||
|
beobachten.
|
|||
|
|
|||
|
Sie hatten sich nicht viel Ruhe gegönnt und kamen schon wieder; Grete
|
|||
|
hatte den Arm um die Mutter gelegt und trug sie fast. »Also was nehmen
|
|||
|
wir jetzt?« sagte Grete und sah sich um, Da kreuzten sich ihre Blicke
|
|||
|
mit denen Gregors an der Wand. Wohl nur infolge der Gegenwart der Mutter
|
|||
|
behielt sie ihre Fassung, beugte ihr Gesicht zur Mutter, um diese vom
|
|||
|
Herumschauen abzuhalten, und sagte, allerdings zitternd und unüberlegt:
|
|||
|
»Komm, wollen wir nicht lieber auf einen Augenblick noch ins Wohnzimmer
|
|||
|
zurückgehen?« Die Absicht Gretes war für Gregor klar, sie wollte die
|
|||
|
Mutter in Sicherheit bringen und dann ihn von der Wand hinunterjagen.
|
|||
|
Nun, sie konnte es ja immerhin versuchen! Er saß auf seinem Bild und
|
|||
|
gab es nicht her. Lieber würde er Grete ins Gesicht springen.
|
|||
|
|
|||
|
Aber Gretes Worte hatten die Mutter erst recht beunruhigt, sie trat zur
|
|||
|
Seite, erblickte den riesigen braunen Fleck auf der geblümten Tapete,
|
|||
|
rief, ehe ihr eigentlich zum Bewußtsein kam, daß das Gregor war, was sie
|
|||
|
sah, mit schreiender, rauher Stimme: »Ach Gott, ach Gott!« und fiel mit
|
|||
|
ausgebreiteten Armen, als gebe sie alles auf, über das Kanapee hin und
|
|||
|
rührte sich nicht. »Du, Gregor!« rief die Schwester mit erhobener Faust
|
|||
|
und eindringlichen Blicken. Es waren seit der Verwandlung die ersten
|
|||
|
Worte, die sie unmittelbar an ihn gerichtet hatte. Sie lief ins
|
|||
|
Nebenzimmer, um irgendeine Essenz zu holen, mit der sie die Mutter aus
|
|||
|
ihrer Ohnmacht wecken könnte; Gregor wollte auch helfen -- zur Rettung
|
|||
|
des Bildes war noch Zeit --; er klebte aber fest an dem Glas und mußte
|
|||
|
sich mit Gewalt losreißen; er lief dann auch ins Nebenzimmer, als könne
|
|||
|
er der Schwester irgendeinen Rat geben, wie in früherer Zeit; mußte aber
|
|||
|
dann untätig hinter ihr stehen; während sie in verschiedenen Fläschchen
|
|||
|
kramte, erschreckte sie noch, als sie sich umdrehte; eine Flasche fiel
|
|||
|
auf den Boden und zerbrach; ein Splitter verletzte Gregor im Gesicht,
|
|||
|
irgendeine ätzende Medizin umfloß ihn; Grete nahm nun, ohne sich länger
|
|||
|
aufzuhalten, so viele Fläschchen, als sie nur halten konnte, und rannte
|
|||
|
mit ihnen zur Mutter hinein; die Tür schlug sie mit dem Fuße zu. Gregor
|
|||
|
war nun von der Mutter abgeschlossen, die durch seine Schuld vielleicht
|
|||
|
dem Tode nahe war; die Tür durfte er nicht öffnen, wollte er die
|
|||
|
Schwester, die bei der Mutter bleiben mußte, nicht verjagen; er hatte
|
|||
|
jetzt nichts zu tun, als zu warten; und von Selbstvorwürfen und
|
|||
|
Besorgnis bedrängt, begann er zu kriechen, überkroch alles, Wände,
|
|||
|
Möbel und Zimmerdecke und fiel endlich in seiner Verzweiflung, als sich
|
|||
|
das ganze Zimmer schon um ihn zu drehen anfing, mitten auf den großen
|
|||
|
Tisch.
|
|||
|
|
|||
|
Es verging eine kleine Weile, Gregor lag matt da, ringsherum war es
|
|||
|
still, vielleicht war das ein gutes Zeichen. Da läutete es. Das Mädchen
|
|||
|
war natürlich in ihrer Küche eingesperrt und Grete mußte daher öffnen
|
|||
|
gehen. Der Vater war gekommen. »Was ist geschehen?« waren seine ersten
|
|||
|
Worte; Gretes Aussehen hatte ihm wohl alles verraten. Grete antwortete
|
|||
|
mit dumpfer Stimme, offenbar drückte sie ihr Gesicht an des Vaters
|
|||
|
Brust: »Die Mutter war ohnmächtig, aber es geht ihr schon besser. Gregor
|
|||
|
ist ausgebrochen.« »Ich habe es ja erwartet,« sagte der Vater, »ich habe
|
|||
|
es euch ja immer gesagt, aber ihr Frauen wollt nicht hören.« Gregor war
|
|||
|
es klar, daß der Vater Gretes allzukurze Mitteilung schlecht gedeutet
|
|||
|
hatte und annahm, daß Gregor sich irgendeine Gewalttat habe zuschulden
|
|||
|
kommen lassen. Deshalb mußte Gregor den Vater jetzt zu besänftigen
|
|||
|
suchen, denn ihn aufzuklären hatte er weder Zeit noch Möglichkeit. Und
|
|||
|
so flüchtete er sich zur Tür seines Zimmers und drückte sich an sie,
|
|||
|
damit der Vater beim Eintritt vom Vorzimmer her gleich sehen könne, daß
|
|||
|
Gregor die beste Absicht habe, sofort in sein Zimmer zurückzukehren, und
|
|||
|
daß es nicht nötig sei, ihn zurückzutreiben, sondern daß man nur die Tür
|
|||
|
zu öffnen brauchte, und gleich werde er verschwinden.
|
|||
|
|
|||
|
Aber der Vater war nicht in der Stimmung, solche Feinheiten zu bemerken.
|
|||
|
»Ah!« rief er gleich beim Eintritt in einem Tone, als sei er
|
|||
|
gleichzeitig wütend und froh. Gregor zog den Kopf von der Tür zurück und
|
|||
|
hob ihn gegen den Vater. So hatte er sich den Vater wirklich nicht
|
|||
|
vorgestellt, wie er jetzt dastand; allerdings hatte er in der letzten
|
|||
|
Zeit über dem neuartigen Herumkriechen versäumt, sich so wie früher um
|
|||
|
die Vorgänge in der übrigen Wohnung zu kümmern, und hätte eigentlich
|
|||
|
darauf gefaßt sein müssen, veränderte Verhältnisse anzutreffen.
|
|||
|
Trotzdem, trotzdem, war das noch der Vater? Der gleiche Mann, der müde
|
|||
|
im Bett vergraben lag, wenn früher Gregor zu einer Geschäftsreise
|
|||
|
ausgerückt war; der ihn an Abenden der Heimkehr im Schlafrock im
|
|||
|
Lehnstuhl empfangen hatte; gar nicht recht imstande war, aufzustehen,
|
|||
|
sondern zum Zeichen der Freude nur die Arme gehoben hatte, und der bei
|
|||
|
den seltenen gemeinsamen Spaziergängen an ein paar Sonntagen im Jahr und
|
|||
|
an den höchsten Feiertagen zwischen Gregor und der Mutter, die schon an
|
|||
|
und für sich langsam gingen, immer noch ein wenig langsamer, in seinen
|
|||
|
alten Mantel eingepackt, mit stets vorsichtig aufgesetztem Krückstock
|
|||
|
sich vorwärts arbeitete und, wenn er etwas sagen wollte, fast immer
|
|||
|
stillstand und seine Begleitung um sich versammelte? Nun aber war er
|
|||
|
doch gut aufgerichtet; in eine straffe blaue Uniform mit Goldknöpfen
|
|||
|
gekleidet, wie sie Diener der Bankinstitute tragen; über dem hohen
|
|||
|
steifen Kragen des Rockes entwickelte sich sein starkes Doppelkinn;
|
|||
|
unter den buschigen Augenbrauen drang der Blick der schwarzen Augen
|
|||
|
frisch und aufmerksam hervor; das sonst zerzauste weiße Haar war zu
|
|||
|
einer peinlich genauen, leuchtenden Scheitelfrisur niedergekämmt. Er
|
|||
|
warf seine Mütze, auf der ein Goldmonogramm, wahrscheinlich das einer
|
|||
|
Bank, angebracht war, über das ganze Zimmer im Bogen auf das Kanapee hin
|
|||
|
und ging, die Enden seines langen Uniformrockes zurückgeschlagen, die
|
|||
|
Hände in den Hosentaschen, mit verbissenem Gesicht auf Gregor zu. Er
|
|||
|
wußte wohl selbst nicht, was er vorhatte; immerhin hob er die Füße
|
|||
|
ungewöhnlich hoch, und Gregor staunte über die Riesengröße seiner
|
|||
|
Stiefelsohlen. Doch hielt er sich dabei nicht auf, er wußte ja noch vom
|
|||
|
ersten Tage seines neuen Lebens her, daß der Vater ihm gegenüber nur die
|
|||
|
größte Strenge für angebracht ansah. Und so lief er vor dem Vater her,
|
|||
|
stockte, wenn der Vater stehen blieb, und eilte schon wieder vorwärts,
|
|||
|
wenn sich der Vater nur rührte. So machten sie mehrmals die Runde um das
|
|||
|
Zimmer, ohne daß sich etwas Entscheidendes ereignete, ja ohne daß das
|
|||
|
Ganze infolge seines langsamen Tempos den Anschein einer Verfolgung
|
|||
|
gehabt hätte. Deshalb blieb auch Gregor vorläufig auf dem Fußboden,
|
|||
|
zumal er fürchtete, der Vater könnte eine Flucht auf die Wände oder den
|
|||
|
Plafond für besondere Bosheit halten. Allerdings mußte sich Gregor
|
|||
|
sagen, daß er sogar dieses Laufen nicht lange aushalten würde, denn
|
|||
|
während der Vater einen Schritt machte, mußte er eine Unzahl von
|
|||
|
Bewegungen ausführen. Atemnot begann sich schon bemerkbar zu machen, wie
|
|||
|
er ja auch in seiner früheren Zeit keine ganz vertrauenswürdige Lunge
|
|||
|
besessen hatte. Als er nun so dahintorkelte, um alle Kräfte für den Lauf
|
|||
|
zu sammeln, kaum die Augen offenhielt; in seiner Stumpfheit an eine
|
|||
|
andere Rettung als durch Laufen gar nicht dachte; und fast schon
|
|||
|
vergessen hatte, daß ihm die Wände freistanden, die hier allerdings mit
|
|||
|
sorgfältig geschnitzten Möbeln voll Zacken und Spitzen verstellt waren
|
|||
|
-- da flog knapp neben ihm, leicht geschleudert, irgend etwas nieder und
|
|||
|
rollte vor ihm her. Es war ein Apfel; gleich flog ihm ein zweiter nach;
|
|||
|
Gregor blieb vor Schrecken stehen; ein Weiterlaufen war nutzlos, denn
|
|||
|
der Vater hatte sich entschlossen, ihn zu bombardieren. Aus der
|
|||
|
Obstschale auf der Kredenz hatte er sich die Taschen gefüllt und warf
|
|||
|
nun, ohne vorläufig scharf zu zielen, Apfel für Apfel. Diese kleinen
|
|||
|
roten Äpfel rollten wie elektrisiert auf dem Boden herum und stießen
|
|||
|
aneinander. Ein schwach geworfener Apfel streifte Gregors Rücken, glitt
|
|||
|
aber unschädlich ab. Ein ihm sofort nachfliegender drang dagegen
|
|||
|
förmlich in Gregors Rücken ein; Gregor wollte sich weiterschleppen, als
|
|||
|
könne der überraschende unglaubliche Schmerz mit dem Ortswechsel
|
|||
|
vergehen; doch fühlte er sich wie festgenagelt und streckte sich in
|
|||
|
vollständiger Verwirrung aller Sinne. Nur mit dem letzten Blick sah er
|
|||
|
noch, wie die Tür seines Zimmers aufgerissen wurde, und vor der
|
|||
|
schreienden Schwester die Mutter hervoreilte, im Hemd, denn die
|
|||
|
Schwester hatte sie entkleidet, um ihr in der Ohnmacht Atemfreiheit zu
|
|||
|
verschaffen, wie dann die Mutter auf den Vater zulief und ihr auf dem
|
|||
|
Weg die aufgebundenen Röcke einer nach dem anderen zu Boden glitten, und
|
|||
|
wie sie stolpernd über die Röcke auf den Vater eindrang und ihn
|
|||
|
umarmend, in gänzlicher Vereinigung mit ihm -- nun versagte aber Gregors
|
|||
|
Sehkraft schon -- die Hände an des Vaters Hinterkopf um Schonung von
|
|||
|
Gregors Leben bat.
|
|||
|
|
|||
|
|
|||
|
|
|||
|
|
|||
|
III.
|
|||
|
|
|||
|
|
|||
|
Die schwere Verwundung Gregors, an der er über einen Monat litt -- der
|
|||
|
Apfel blieb, da ihn niemand zu entfernen wagte, als sichtbares Andenken
|
|||
|
im Fleische sitzen --, schien selbst den Vater daran erinnert zu haben,
|
|||
|
daß Gregor trotz seiner gegenwärtigen traurigen und ekelhaften Gestalt
|
|||
|
ein Familienglied war, das man nicht wie einen Feind behandeln durfte,
|
|||
|
sondern dem gegenüber es das Gebot der Familienpflicht war, den
|
|||
|
Widerwillen hinunterzuschlucken und zu dulden, nichts als dulden.
|
|||
|
|
|||
|
Und wenn nun auch Gregor durch seine Wunde an Beweglichkeit
|
|||
|
wahrscheinlich für immer verloren hatte und vorläufig zur Durchquerung
|
|||
|
seines Zimmers wie ein alter Invalide lange, lange Minuten brauchte --
|
|||
|
an das Kriechen in der Höhe war nicht zu denken --, so bekam er für
|
|||
|
diese Verschlimmerung seines Zustandes einen seiner Meinung nach
|
|||
|
vollständig genügenden Ersatz dadurch, daß immer gegen Abend die
|
|||
|
Wohnzimmertür, die er schon ein bis zwei Stunden vorher scharf zu
|
|||
|
beobachten pflegte, geöffnet wurde, so daß er, im Dunkel seines Zimmers
|
|||
|
liegend, vom Wohnzimmer aus unsichtbar, die ganze Familie beim
|
|||
|
beleuchteten Tische sehen und ihre Reden, gewissermaßen mit allgemeiner
|
|||
|
Erlaubnis, also ganz anders als früher, anhören durfte.
|
|||
|
|
|||
|
Freilich waren es nicht mehr die lebhaften Unterhaltungen der früheren
|
|||
|
Zeiten, an die Gregor in den kleinen Hotelzimmern stets mit einigem
|
|||
|
Verlangen gedacht hatte, wenn er sich müde in das feuchte Bettzeug hatte
|
|||
|
werfen müssen. Es ging jetzt meist nur sehr still zu. Der Vater schlief
|
|||
|
bald nach dem Nachtessen in seinem Sessel ein; die Mutter und Schwester
|
|||
|
ermahnten einander zur Stille; die Mutter nähte, weit über das Licht
|
|||
|
vorgebeugt, feine Wäsche für ein Modengeschäft; die Schwester, die eine
|
|||
|
Stellung als Verkäuferin angenommen hatte, lernte am Abend Stenographie
|
|||
|
und Französisch, um vielleicht später einmal einen besseren Posten zu
|
|||
|
erreichen. Manchmal wachte der Vater auf, und als wisse er gar nicht,
|
|||
|
daß er geschlafen habe, sagte er zur Mutter: »Wie lange du heute schon
|
|||
|
wieder nähst!« und schlief sofort wieder ein, während Mutter und
|
|||
|
Schwester einander müde zulächelten.
|
|||
|
|
|||
|
Mit einer Art Eigensinn weigerte sich der Vater, auch zu Hause seine
|
|||
|
Dieneruniform abzulegen; und während der Schlafrock nutzlos am
|
|||
|
Kleiderhaken hing, schlummerte der Vater vollständig angezogen auf
|
|||
|
seinem Platz, als sei er immer zu seinem Dienste bereit und warte auch
|
|||
|
hier auf die Stimme des Vorgesetzten. Infolgedessen verlor die gleich
|
|||
|
anfangs nicht neue Uniform trotz aller Sorgfalt von Mutter und Schwester
|
|||
|
an Reinlichkeit, und Gregor sah oft ganze Abende lang auf dieses über
|
|||
|
und über fleckige, mit seinen stets geputzten Goldknöpfen leuchtende
|
|||
|
Kleid, in dem der alte Mann höchst unbequem und doch ruhig schlief.
|
|||
|
|
|||
|
Sobald die Uhr zehn schlug, suchte die Mutter durch leise Zusprache den
|
|||
|
Vater zu wecken und dann zu überreden, ins Bett zu gehen, denn hier war
|
|||
|
es doch kein richtiger Schlaf und diesen hatte der Vater, der um sechs
|
|||
|
Uhr seinen Dienst antreten mußte, äußerst nötig. Aber in dem Eigensinn,
|
|||
|
der ihn, seitdem er Diener war, ergriffen hatte, bestand er immer
|
|||
|
darauf, noch länger bei Tisch zu bleiben, trotzdem er regelmäßig
|
|||
|
einschlief, und war dann überdies nur mit der größten Mühe zu bewegen,
|
|||
|
den Sessel mit dem Bett zu vertauschen. Da mochten Mutter und Schwester
|
|||
|
mit kleinen Ermahnungen noch so sehr auf ihn eindringen,
|
|||
|
viertelstundenlang schüttelte er langsam den Kopf, hielt die Augen
|
|||
|
geschlossen und stand nicht auf. Die Mutter zupfte ihn am Ärmel, sagte
|
|||
|
ihm Schmeichelworte ins Ohr, die Schwester verließ ihre Aufgabe, um der
|
|||
|
Mutter zu helfen, aber beim Vater verfing das nicht. Er versank nur noch
|
|||
|
tiefer in seinen Sessel. Erst bis ihn die Frauen unter den Achseln
|
|||
|
faßten, schlug er die Augen auf, sah abwechselnd die Mutter und die
|
|||
|
Schwester an und pflegte zu sagen: »Das ist ein Leben. Das ist die Ruhe
|
|||
|
meiner alten Tage.« Und auf die beiden Frauen gestützt, erhob er sich,
|
|||
|
umständlich, als sei er für sich selbst die größte Last, ließ sich von
|
|||
|
den Frauen bis zur Türe führen, winkte ihnen dort ab und ging nun
|
|||
|
selbständig weiter, während die Mutter ihr Nähzeug, die Schwester ihre
|
|||
|
Feder eiligst hinwarfen, um hinter dem Vater zu laufen und ihm weiter
|
|||
|
behilflich zu sein.
|
|||
|
|
|||
|
Wer hatte in dieser abgearbeiteten und übermüdeten Familie Zeit, sich um
|
|||
|
Gregor mehr zu kümmern, als unbedingt nötig war? Der Haushalt wurde
|
|||
|
immer mehr eingeschränkt; das Dienstmädchen wurde nun doch entlassen;
|
|||
|
eine riesige knochige Bedienerin mit weißem, den Kopf umflatterndem Haar
|
|||
|
kam des Morgens und des Abends, um die schwerste Arbeit zu leisten;
|
|||
|
alles andere besorgte die Mutter neben ihrer vielen Näharbeit. Es
|
|||
|
geschah sogar, daß verschiedene Familienschmuckstücke, welche früher die
|
|||
|
Mutter und die Schwester überglücklich bei Unterhaltungen und
|
|||
|
Feierlichkeiten getragen hatten, verkauft wurden, wie Gregor am Abend
|
|||
|
aus der allgemeinen Besprechung der erzielten Preise erfuhr. Die größte
|
|||
|
Klage war aber stets, daß man diese für die gegenwärtigen Verhältnisse
|
|||
|
allzugroße Wohnung nicht verlassen konnte, da es nicht auszudenken war,
|
|||
|
wie man Gregor übersiedeln sollte. Aber Gregor sah wohl ein, daß es
|
|||
|
nicht nur die Rücksicht auf ihn war, welche eine Übersiedlung
|
|||
|
verhinderte, denn ihn hätte man doch in einer passenden Kiste mit ein
|
|||
|
paar Luftlöchern leicht transportieren können; was die Familie
|
|||
|
hauptsächlich vom Wohnungswechsel abhielt, war vielmehr die völlige
|
|||
|
Hoffnungslosigkeit und der Gedanke daran, daß sie mit einem Unglück
|
|||
|
geschlagen war, wie niemand sonst im ganzen Verwandten- und
|
|||
|
Bekanntenkreis. Was die Welt von armen Leuten verlangt, erfüllten sie
|
|||
|
bis zum äußersten, der Vater holte den kleinen Bankbeamten das
|
|||
|
Frühstück, die Mutter opferte sich für die Wäsche fremder Leute, die
|
|||
|
Schwester lief nach dem Befehl der Kunden hinter dem Pulte hin und her,
|
|||
|
aber weiter reichten die Kräfte der Familie schon nicht. Und die Wunde
|
|||
|
im Rücken fing Gregor wie neu zu schmerzen an, wenn Mutter und
|
|||
|
Schwester, nachdem sie den Vater zu Bett gebracht hatten, nun
|
|||
|
zurückkehrten, die Arbeit liegen ließen, nahe zusammenrückten, schon
|
|||
|
Wange an Wange saßen; wenn jetzt die Mutter, auf Gregors Zimmer zeigend,
|
|||
|
sagte: »Mach' dort die Tür zu, Grete,« und wenn nun Gregor wieder im
|
|||
|
Dunkel war, während nebenan die Frauen ihre Tränen vermischten oder gar
|
|||
|
tränenlos den Tisch anstarrten.
|
|||
|
|
|||
|
Die Nächte und Tage verbrachte Gregor fast ganz ohne Schlaf. Manchmal
|
|||
|
dachte er daran, beim nächsten Öffnen der Tür die Angelegenheiten der
|
|||
|
Familie ganz so wie früher wieder in die Hand zu nehmen; in seinen
|
|||
|
Gedanken erschienen wieder nach langer Zeit der Chef und der Prokurist,
|
|||
|
die Kommis und die Lehrjungen, der so begriffsstützige Hausknecht, zwei
|
|||
|
drei Freunde aus anderen Geschäften, ein Stubenmädchen aus einem Hotel
|
|||
|
in der Provinz, eine liebe, flüchtige Erinnerung, eine Kassiererin aus
|
|||
|
einem Hutgeschäft, um die er sich ernsthaft, aber zu langsam beworben
|
|||
|
hatte -- sie alle erschienen untermischt mit Fremden oder schon
|
|||
|
Vergessenen, aber statt ihm und seiner Familie zu helfen, waren sie
|
|||
|
sämtlich unzugänglich, und er war froh, wenn sie verschwanden. Dann aber
|
|||
|
war er wieder gar nicht in der Laune, sich um seine Familie zu sorgen,
|
|||
|
bloß Wut über die schlechte Wartung erfüllte ihn, und trotzdem er sich
|
|||
|
nichts vorstellen konnte, worauf er Appetit gehabt hätte, machte er doch
|
|||
|
Pläne, wie er in die Speisekammer gelangen könnte, um dort zu nehmen,
|
|||
|
was ihm, auch wenn er keinen Hunger hatte, immerhin gebührte. Ohne jetzt
|
|||
|
mehr nachzudenken, womit man Gregor einen besonderen Gefallen machen
|
|||
|
könnte, schob die Schwester eiligst, ehe sie morgens und mittags ins
|
|||
|
Geschäft lief, mit dem Fuß irgendeine beliebige Speise in Gregors Zimmer
|
|||
|
hinein, um sie am Abend, gleichgültig dagegen, ob die Speise vielleicht
|
|||
|
nur gekostet oder -- der häufigste Fall -- gänzlich unberührt war, mit
|
|||
|
einem Schwenken des Besens hinauszukehren. Das Aufräumen des Zimmers,
|
|||
|
das sie nun immer abends besorgte, konnte gar nicht mehr schneller getan
|
|||
|
sein. Schmutzstreifen zogen sich die Wände entlang, hie und da lagen
|
|||
|
Knäuel von Staub und Unrat. In der ersten Zeit stellte sich Gregor bei
|
|||
|
der Ankunft der Schwester in derartige besonders bezeichnende Winkel, um
|
|||
|
ihr durch diese Stellung gewissermaßen einen Vorwurf zu machen. Aber er
|
|||
|
hätte wohl wochenlang dort bleiben können, ohne daß sich die Schwester
|
|||
|
gebessert hätte; sie sah ja den Schmutz genau so wie er, aber sie hatte
|
|||
|
sich eben entschlossen, ihn zu lassen. Dabei wachte sie mit einer an ihr
|
|||
|
ganz neuen Empfindlichkeit, die überhaupt die ganze Familie ergriffen
|
|||
|
hatte, darüber, daß das Aufräumen von Gregors Zimmer ihr vorbehalten
|
|||
|
blieb. Einmal hatte die Mutter Gregors Zimmer einer großen Reinigung
|
|||
|
unterzogen, die ihr nur nach Verbrauch einiger Kübel Wasser gelungen war
|
|||
|
-- die viele Feuchtigkeit kränkte allerdings Gregor auch und er lag
|
|||
|
breit, verbittert und unbeweglich auf dem Kanapee --, aber die Strafe
|
|||
|
blieb für die Mutter nicht aus. Denn kaum hatte am Abend die Schwester
|
|||
|
die Veränderung in Gregors Zimmer bemerkt, als sie, aufs höchste
|
|||
|
beleidigt, ins Wohnzimmer lief und, trotz der beschwörend erhobenen
|
|||
|
Hände der Mutter, in einen Weinkrampf ausbrach, dem die Eltern -- der
|
|||
|
Vater war natürlich aus seinem Sessel aufgeschreckt worden -- zuerst
|
|||
|
erstaunt und hilflos zusahen; bis auch sie sich zu rühren anfingen; der
|
|||
|
Vater rechts der Mutter Vorwürfe machte, daß sie Gregors Zimmer nicht
|
|||
|
der Schwester zur Reinigung überließ; links dagegen die Schwester
|
|||
|
anschrie, sie werde niemals mehr Gregors Zimmer reinigen dürfen; während
|
|||
|
die Mutter den Vater, der sich vor Erregung nicht mehr kannte, ins
|
|||
|
Schlafzimmer zu schleppen suchte; die Schwester, von Schluchzen
|
|||
|
geschüttelt, mit ihren kleinen Fäusten den Tisch bearbeitete; und Gregor
|
|||
|
laut vor Wut darüber zischte, daß es keinem einfiel, die Tür zu
|
|||
|
schließen und ihm diesen Anblick und Lärm zu ersparen.
|
|||
|
|
|||
|
Aber selbst wenn die Schwester, erschöpft von ihrer Berufsarbeit, dessen
|
|||
|
überdrüssig geworden war, für Gregor, wie früher, zu sorgen, so hätte
|
|||
|
noch keineswegs die Mutter für sie eintreten müssen und Gregor hätte
|
|||
|
doch nicht vernachlässigt zu werden brauchen. Denn nun war die
|
|||
|
Bedienerin da. Diese alte Witwe, die in ihrem langen Leben mit Hilfe
|
|||
|
ihres starken Knochenbaues das Ärgste überstanden haben mochte, hatte
|
|||
|
keinen eigentlichen Abscheu vor Gregor. Ohne irgendwie neugierig zu
|
|||
|
sein, hatte sie zufällig einmal die Tür von Gregors Zimmer aufgemacht
|
|||
|
und war im Anblick Gregors, der, gänzlich überrascht, trotzdem ihn
|
|||
|
niemand jagte, hin- und herzulaufen begann, die Hände im Schoß gefaltet
|
|||
|
staunend stehen geblieben. Seitdem versäumte sie nicht, stets flüchtig
|
|||
|
morgens und abends die Tür ein wenig zu öffnen und zu Gregor
|
|||
|
hineinzuschauen. Anfangs rief sie ihn auch zu sich herbei, mit Worten,
|
|||
|
die sie wahrscheinlich für freundlich hielt, wie »Komm mal herüber,
|
|||
|
alter Mistkäfer!« oder »Seht mal den alten Mistkäfer!« Auf solche
|
|||
|
Ansprachen antwortete Gregor mit nichts, sondern blieb unbeweglich auf
|
|||
|
seinem Platz, als sei die Tür gar nicht geöffnet worden. Hätte man doch
|
|||
|
dieser Bedienerin, statt sie nach ihrer Laune ihn nutzlos stören zu
|
|||
|
lassen, lieber den Befehl gegeben, sein Zimmer täglich zu reinigen!
|
|||
|
Einmal am frühen Morgen -- ein heftiger Regen, vielleicht schon ein
|
|||
|
Zeichen des kommenden Frühjahrs, schlug an die Scheiben -- war Gregor,
|
|||
|
als die Bedienerin mit ihren Redensarten wieder begann, derartig
|
|||
|
erbittert, daß er, wie zum Angriff, allerdings langsam und hinfällig,
|
|||
|
sich gegen sie wendete. Die Bedienerin aber, statt sich zu fürchten, hob
|
|||
|
bloß einen in der Nähe der Tür befindlichen Stuhl hoch empor, und wie
|
|||
|
sie mit groß geöffnetem Munde dastand, war ihre Absicht klar, den Mund
|
|||
|
erst zu schließen, wenn der Sessel in ihrer Hand auf Gregors Rücken
|
|||
|
niederschlagen würde. »Also weiter geht es nicht?« fragte sie, als
|
|||
|
Gregor sich wieder umdrehte, und stellte den Sessel ruhig in die Ecke
|
|||
|
zurück.
|
|||
|
|
|||
|
Gregor aß nun fast gar nichts mehr. Nur wenn er zufällig an der
|
|||
|
vorbereiteten Speise vorüberkam, nahm er zum Spiel einen Bissen in den
|
|||
|
Mund, hielt ihn dort stundenlang und spie ihn dann meist wieder aus.
|
|||
|
Zuerst dachte er, es sei die Trauer über den Zustand seines Zimmers, die
|
|||
|
ihn vom Essen abhalte, aber gerade mit den Veränderungen des Zimmers
|
|||
|
söhnte er sich sehr bald aus. Man hatte sich angewöhnt, Dinge, die man
|
|||
|
anderswo nicht unterbringen konnte, in dieses Zimmer hineinzustellen,
|
|||
|
und solcher Dinge gab es nun viele, da man ein Zimmer der Wohnung an
|
|||
|
drei Zimmerherren vermietet hatte. Diese ernsten Herren, -- alle drei
|
|||
|
hatten Vollbärte, wie Gregor einmal durch eine Türspalte feststellte --
|
|||
|
waren peinlich auf Ordnung, nicht nur in ihrem Zimmer, sondern, da sie
|
|||
|
sich nun einmal hier eingemietet hatten, in der ganzen Wirtschaft, also
|
|||
|
insbesondere in der Küche, bedacht. Unnützen oder gar schmutzigen Kram
|
|||
|
ertrugen sie nicht. Überdies hatten sie zum größten Teil ihre eigenen
|
|||
|
Einrichtungsstücke mitgebracht. Aus diesem Grunde waren viele Dinge
|
|||
|
überflüssig geworden, die zwar nicht verkäuflich waren, die man aber
|
|||
|
auch nicht wegwerfen wollte. Alle diese wanderten in Gregors Zimmer.
|
|||
|
Ebenso auch die Aschenkiste und die Abfallkiste aus der Küche. Was nur
|
|||
|
im Augenblick unbrauchbar war, schleuderte die Bedienerin, die es immer
|
|||
|
sehr eilig hatte, einfach in Gregors Zimmer; Gregor sah glücklicherweise
|
|||
|
meist nur den betreffenden Gegenstand und die Hand, die ihn hielt. Die
|
|||
|
Bedienerin hatte vielleicht die Absicht, bei Zeit und Gelegenheit die
|
|||
|
Dinge wieder zu holen oder alle insgesamt mit einemmal hinauszuwerfen,
|
|||
|
tatsächlich aber blieben sie dort liegen, wohin sie durch den ersten
|
|||
|
Wurf gekommen waren, wenn nicht Gregor sich durch das Rumpelzeug wand
|
|||
|
und es in Bewegung brachte, zuerst gezwungen, weil kein sonstiger Platz
|
|||
|
zum Kriechen frei war, später aber mit wachsendem Vergnügen, obwohl er
|
|||
|
nach solchen Wanderungen, zum Sterben müde und traurig, wieder
|
|||
|
stundenlang sich nicht rührte.
|
|||
|
|
|||
|
Da die Zimmerherren manchmal auch ihr Abendessen zu Hause im gemeinsamen
|
|||
|
Wohnzimmer einnahmen, blieb die Wohnzimmertür an manchen Abenden
|
|||
|
geschlossen, aber Gregor verzichtete ganz leicht auf das Öffnen der Tür,
|
|||
|
hatte er doch schon manche Abende, an denen sie geöffnet war, nicht
|
|||
|
ausgenützt, sondern war, ohne daß es die Familie merkte, im dunkelsten
|
|||
|
Winkel seines Zimmers gelegen. Einmal aber hatte die Bedienerin die Tür
|
|||
|
zum Wohnzimmer ein wenig offen gelassen, und sie blieb so offen, auch
|
|||
|
als die Zimmerherren am Abend eintraten und Licht gemacht wurde. Sie
|
|||
|
setzten sich oben an den Tisch, wo in früheren Zeiten der Vater, die
|
|||
|
Mutter und Gregor gesessen hatten, entfalteten die Servietten und nahmen
|
|||
|
Messer und Gabel in die Hand. Sofort erschien in der Tür die Mutter mit
|
|||
|
einer Schüssel Fleisch und knapp hinter ihr die Schwester mit einer
|
|||
|
Schüssel hochgeschichteter Kartoffeln. Das Essen dampfte mit starkem
|
|||
|
Rauch. Die Zimmerherren beugten sich über die vor sie hingestellten
|
|||
|
Schüsseln, als wollten sie sie vor dem Essen prüfen, und tatsächlich
|
|||
|
zerschnitt der, welcher in der Mitte saß und den anderen zwei als
|
|||
|
Autorität zu gelten schien, ein Stück Fleisch noch auf der Schüssel,
|
|||
|
offenbar um festzustellen, ob es mürbe genug sei und ob es nicht etwa in
|
|||
|
die Küche zurückgeschickt werden solle. Er war befriedigt, und Mutter
|
|||
|
und Schwester, die gespannt zugesehen hatten, begannen aufatmend zu
|
|||
|
lächeln.
|
|||
|
|
|||
|
Die Familie selbst aß in der Küche. Trotzdem kam der Vater, ehe er in
|
|||
|
die Küche ging, in dieses Zimmer herein und machte mit einer einzigen
|
|||
|
Verbeugung, die Kappe in der Hand, einen Rundgang um den Tisch. Die
|
|||
|
Zimmerherren erhoben sich sämtlich und murmelten etwas in ihre Bärte.
|
|||
|
Als sie dann allein waren, aßen sie fast unter vollkommenem
|
|||
|
Stillschweigen. Sonderbar schien es Gregor, daß man aus allen
|
|||
|
mannigfachen Geräuschen des Essens immer wieder ihre kauenden Zähne
|
|||
|
heraushörte, als ob damit Gregor gezeigt werden sollte, daß man Zähne
|
|||
|
brauche, um zu essen, und daß man auch mit den schönsten zahnlosen
|
|||
|
Kiefern nichts ausrichten könne. »Ich habe ja Appetit,« sagte sich
|
|||
|
Gregor sorgenvoll, »aber nicht auf diese Dinge. Wie sich diese
|
|||
|
Zimmerherren nähren, und ich komme um!«
|
|||
|
|
|||
|
Gerade an diesem Abend -- Gregor erinnerte sich nicht, während der
|
|||
|
ganzen Zeit die Violine gehört zu haben -- ertönte sie von der Küche
|
|||
|
her. Die Zimmerherren hatten schon ihr Nachtmahl beendet, der mittlere
|
|||
|
hatte eine Zeitung hervorgezogen, den zwei anderen je ein Blatt gegeben,
|
|||
|
und nun lasen sie zurückgelehnt und rauchten. Als die Violine zu spielen
|
|||
|
begann, wurden sie aufmerksam, erhoben sich und gingen auf den
|
|||
|
Fußspitzen zur Vorzimmertür, in der sie aneinandergedrängt stehen
|
|||
|
blieben. Man mußte sie von der Küche aus gehört haben, denn der Vater
|
|||
|
rief: »Ist den Herren das Spiel vielleicht unangenehm? Es kann sofort
|
|||
|
eingestellt werden.« »Im Gegenteil,« sagte der mittlere der Herren,
|
|||
|
»möchte das Fräulein nicht zu uns hereinkommen und hier im Zimmer
|
|||
|
spielen, wo es doch viel bequemer und gemütlicher ist?« »O bitte,« rief
|
|||
|
der Vater, als sei er der Violinspieler. Die Herren traten ins Zimmer
|
|||
|
zurück und warteten. Bald kam der Vater mit dem Notenpult, die Mutter
|
|||
|
mit den Noten und die Schwester mit der Violine. Die Schwester bereitete
|
|||
|
alles ruhig zum Spiele vor; die Eltern, die niemals früher Zimmer
|
|||
|
vermietet hatten und deshalb die Höflichkeit gegen die Zimmerherren
|
|||
|
übertrieben, wagten gar nicht, sich auf ihre eigenen Sessel zu setzen;
|
|||
|
der Vater lehnte an der Tür, die rechte Hand zwischen zwei Knöpfe des
|
|||
|
geschlossenen Livreerockes gesteckt; die Mutter aber erhielt von einem
|
|||
|
Herrn einen Sessel angeboten und saß, da sie den Sessel dort ließ, wohin
|
|||
|
ihn der Herr zufällig gestellt hatte, abseits in einem Winkel.
|
|||
|
|
|||
|
Die Schwester begann zu spielen; Vater und Mutter verfolgten, jeder von
|
|||
|
seiner Seite, aufmerksam die Bewegungen ihrer Hände. Gregor hatte, von
|
|||
|
dem Spiele angezogen, sich ein wenig weiter vorgewagt und war schon mit
|
|||
|
dem Kopf im Wohnzimmer. Er wunderte sich kaum darüber, daß er in letzter
|
|||
|
Zeit so wenig Rücksicht auf die andern nahm; früher war diese
|
|||
|
Rücksichtnahme sein Stolz gewesen. Und dabei hätte er gerade jetzt mehr
|
|||
|
Grund gehabt, sich zu verstecken, denn infolge des Staubes, der in
|
|||
|
seinem Zimmer überall lag und bei der kleinsten Bewegung umherflog, war
|
|||
|
auch er ganz staubbedeckt; Fäden, Haare, Speiseüberreste schleppte er
|
|||
|
auf seinem Rücken und an den Seiten mit sich herum; seine
|
|||
|
Gleichgültigkeit gegen alles war viel zu groß, als daß er sich, wie
|
|||
|
früher mehrmals während des Tages, auf den Rücken gelegt und am Teppich
|
|||
|
gescheuert hätte. Und trotz dieses Zustandes hatte er keine Scheu, ein
|
|||
|
Stück auf dem makellosen Fußboden des Wohnzimmers vorzurücken.
|
|||
|
|
|||
|
Allerdings achtete auch niemand auf ihn. Die Familie war gänzlich vom
|
|||
|
Violinspiel in Anspruch genommen; die Zimmerherren dagegen, die
|
|||
|
zunächst, die Hände in den Hosentaschen, viel zu nahe hinter dem
|
|||
|
Notenpult der Schwester sich aufgestellt hatten, so daß sie alle in die
|
|||
|
Noten hätte sehen können, was sicher die Schwester stören mußte, zogen
|
|||
|
sich bald unter halblauten Gesprächen mit gesenkten Köpfen zum Fenster
|
|||
|
zurück, wo sie, vom Vater besorgt beobachtet, auch blieben. Es hatte nun
|
|||
|
wirklich den überdeutlichen Anschein, als wären sie in ihrer Annahme,
|
|||
|
ein schönes oder unterhaltendes Violinspiel zu hören, enttäuscht, hätten
|
|||
|
die ganze Vorführung satt und ließen sich nur aus Höflichkeit noch in
|
|||
|
ihrer Ruhe stören. Besonders die Art, wie sie alle aus Nase und Mund den
|
|||
|
Rauch ihrer Zigarren in die Höhe bliesen, ließ auf große Nervosität
|
|||
|
schließen. Und doch spielte die Schwester so schön. Ihr Gesicht war zur
|
|||
|
Seite geneigt, prüfend und traurig folgten ihre Blicke den Notenzeilen.
|
|||
|
Gregor kroch noch ein Stück vorwärts und hielt den Kopf eng an den
|
|||
|
Boden, um möglicherweise ihren Blicken begegnen zu können. War er ein
|
|||
|
Tier, da ihn Musik so ergriff? Ihm war, als zeige sich ihm der Weg zu
|
|||
|
der ersehnten unbekannten Nahrung. Er war entschlossen, bis zur
|
|||
|
Schwester vorzudringen, sie am Rock zu zupfen und ihr dadurch
|
|||
|
anzudeuten, sie möge doch mit ihrer Violine in sein Zimmer kommen, denn
|
|||
|
niemand lohnte hier das Spiel so, wie er es lohnen wollte. Er wollte sie
|
|||
|
nicht mehr aus seinem Zimmer lassen, wenigstens nicht, solange er lebte;
|
|||
|
seine Schreckgestalt sollte ihm zum erstenmal nützlich werden; an allen
|
|||
|
Türen seines Zimmers wollte er gleichzeitig sein und den Angreifern
|
|||
|
entgegenfauchen; die Schwester aber sollte nicht gezwungen, sondern
|
|||
|
freiwillig bei ihm bleiben; sie sollte neben ihm auf dem Kanapee sitzen,
|
|||
|
das Ohr zu ihm herunterneigen, und er wollte ihr dann anvertrauen, daß
|
|||
|
er die feste Absicht gehabt habe, sie auf das Konservatorium zu
|
|||
|
schicken, und daß er dies, wenn nicht das Unglück dazwischen gekommen
|
|||
|
wäre, vergangene Weihnachten -- Weihnachten war doch wohl schon vorüber?
|
|||
|
-- allen gesagt hätte, ohne sich um irgendwelche Widerreden zu kümmern.
|
|||
|
Nach dieser Erklärung würde die Schwester in Tränen der Rührung
|
|||
|
ausbrechen, und Gregor würde sich bis zu ihrer Achsel erheben und ihren
|
|||
|
Hals küssen, den sie, seitdem sie ins Geschäft ging, frei ohne Band oder
|
|||
|
Kragen trug.
|
|||
|
|
|||
|
»Herr Samsa!« rief der mittlere Herr dem Vater zu und zeigte, ohne ein
|
|||
|
weiteres Wort zu verlieren, mit dem Zeigefinger auf den langsam sich
|
|||
|
vorwärtsbewegenden Gregor. Die Violine verstummte, der mittlere
|
|||
|
Zimmerherr lächelte erst einmal kopfschüttelnd seinen Freunden zu und
|
|||
|
sah dann wieder auf Gregor hin. Der Vater schien es für nötiger zu
|
|||
|
halten, statt Gregor zu vertreiben, vorerst die Zimmerherren zu
|
|||
|
beruhigen, trotzdem diese gar nicht aufgeregt waren und Gregor sie mehr
|
|||
|
als das Violinspiel zu unterhalten schien. Er eilte zu ihnen und suchte
|
|||
|
sie mit ausgebreiteten Armen in ihr Zimmer zu drängen und gleichzeitig
|
|||
|
mit seinem Körper ihnen den Ausblick auf Gregor zu nehmen. Sie wurden
|
|||
|
nun tatsächlich ein wenig böse, man wußte nicht mehr, ob über das
|
|||
|
Benehmen des Vaters oder über die ihnen jetzt aufgehende Erkenntnis,
|
|||
|
ohne es zu wissen, einen solchen Zimmernachbar wie Gregor besessen zu
|
|||
|
haben. Sie verlangten vom Vater Erklärungen, hoben ihrerseits die Arme,
|
|||
|
zupften unruhig an ihren Bärten und wichen nur langsam gegen ihr Zimmer
|
|||
|
zurück. Inzwischen hatte die Schwester die Verlorenheit, in die sie nach
|
|||
|
dem plötzlich abgebrochenen Spiel verfallen war, überwunden, hatte sich,
|
|||
|
nachdem sie eine Zeitlang in den lässig hängenden Händen Violine und
|
|||
|
Bogen gehalten und weiter, als spiele sie noch, in die Noten gesehen
|
|||
|
hatte, mit einem Male aufgerafft, hatte das Instrument auf den Schoß der
|
|||
|
Mutter gelegt, die in Atembeschwerden mit heftig arbeitenden Lungen noch
|
|||
|
auf ihrem Sessel saß, und war in das Nebenzimmer gelaufen, dem sich die
|
|||
|
Zimmerherren unter dem Drängen des Vaters schon schneller näherten. Man
|
|||
|
sah, wie unter den geübten Händen der Schwester die Decken und Polster
|
|||
|
in den Betten in die Höhe flogen und sich ordneten. Noch ehe die Herren
|
|||
|
das Zimmer erreicht hatten, war sie mit dem Aufbetten fertig und
|
|||
|
schlüpfte heraus. Der Vater schien wieder von seinem Eigensinn derartig
|
|||
|
ergriffen, daß er jeden Respekt vergaß, den er seinen Mietern immerhin
|
|||
|
schuldete. Er drängte nur und drängte, bis schon in der Tür des Zimmers
|
|||
|
der mittlere der Herren donnernd mit dem Fuß aufstampfte und dadurch den
|
|||
|
Vater zum Stehen brachte. »Ich erkläre hiermit,« sagte er, hob die Hand
|
|||
|
und suchte mit den Blicken auch die Mutter und die Schwester, »daß ich
|
|||
|
mit Rücksicht auf die in dieser Wohnung und Familie herrschenden
|
|||
|
widerlichen Verhältnisse« -- hierbei spie er kurz entschlossen auf den
|
|||
|
Boden -- »mein Zimmer augenblicklich kündige. Ich werde natürlich auch
|
|||
|
für die Tage, die ich hier gewohnt habe, nicht das Geringste bezahlen,
|
|||
|
dagegen werde ich es mir noch überlegen, ob ich nicht mit irgendwelchen
|
|||
|
-- glauben Sie mir -- sehr leicht zu begründenden Forderungen gegen Sie
|
|||
|
auftreten werde.« Er schwieg und sah gerade vor sich hin, als erwarte er
|
|||
|
etwas. Tatsächlich fielen sofort seine zwei Freunde mit den Worten ein:
|
|||
|
»Auch wir kündigen augenblicklich.« Darauf faßte er die Türklinke und
|
|||
|
schloß mit einem Krach die Tür.
|
|||
|
|
|||
|
Der Vater wankte mit tastenden Händen zu seinem Sessel und ließ sich
|
|||
|
hineinfallen; es sah aus, als strecke er sich zu seinem gewöhnlichen
|
|||
|
Abendschläfchen, aber das starke Nicken seines wie haltlosen Kopfes
|
|||
|
zeigte, daß er ganz und gar nicht schlief. Gregor war die ganze Zeit
|
|||
|
still auf dem Platz gelegen, auf dem ihn die Zimmerherren ertappt
|
|||
|
hatten. Die Enttäuschung über das Mißlingen seines Planes, vielleicht
|
|||
|
aber auch die durch das viele Hungern verursachte Schwäche machten es
|
|||
|
ihm unmöglich, sich zu bewegen. Er fürchtete mit einer gewissen
|
|||
|
Bestimmtheit schon für den nächsten Augenblick einen allgemeinen über
|
|||
|
ihn sich entladenden Zusammensturz und wartete. Nicht einmal die Violine
|
|||
|
schreckte ihn auf, die, unter den zitternden Fingern der Mutter hervor,
|
|||
|
ihr vom Schoße fiel und einen hallenden Ton von sich gab.
|
|||
|
|
|||
|
»Liebe Eltern,« sagte die Schwester und schlug zur Einleitung mit der
|
|||
|
Hand auf den Tisch, »so geht es nicht weiter. Wenn ihr das vielleicht
|
|||
|
nicht einsehet, ich sehe es ein. Ich will vor diesem Untier nicht den
|
|||
|
Namen meines Bruders aussprechen und sage daher bloß: wir müssen
|
|||
|
versuchen es loszuwerden. Wir haben das Menschenmögliche versucht, es zu
|
|||
|
pflegen und zu dulden, ich glaube, es kann uns niemand den geringsten
|
|||
|
Vorwurf machen.«
|
|||
|
|
|||
|
»Sie hat tausendmal recht,« sagte der Vater für sich. Die Mutter, die
|
|||
|
noch immer nicht genug Atem finden konnte, fing mit einem irrsinnigen
|
|||
|
Ausdruck der Augen dumpf in die vorgehaltene Hand zu husten an.
|
|||
|
|
|||
|
Die Schwester eilte zur Mutter und hielt ihr die Stirn. Der Vater schien
|
|||
|
durch die Worte der Schwester auf bestimmtere Gedanken gebracht zu sein,
|
|||
|
hatte sich aufrecht gesetzt, spielte mit seiner Dienermütze zwischen den
|
|||
|
Tellern, die noch vom Nachtmahl der Zimmerherren her auf dem Tische
|
|||
|
standen, und sah bisweilen auf den stillen Gregor hin.
|
|||
|
|
|||
|
»Wir müssen es loszuwerden suchen,« sagte die Schwester nun
|
|||
|
ausschließlich zum Vater, denn die Mutter hörte in ihrem Husten nichts,
|
|||
|
»es bringt euch noch beide um, ich sehe es kommen. Wenn man schon so
|
|||
|
schwer arbeiten muß, wie wir alle, kann man nicht noch zu Hause diese
|
|||
|
ewige Quälerei ertragen. Ich kann es auch nicht mehr.« Und sie brach so
|
|||
|
heftig in Weinen aus, daß ihre Tränen auf das Gesicht der Mutter
|
|||
|
niederflossen, von dem sie sie mit mechanischen Handbewegungen wischte.
|
|||
|
|
|||
|
»Kind,« sagte der Vater mitleidig und mit auffallendem Verständnis, »was
|
|||
|
sollen wir aber tun?«
|
|||
|
|
|||
|
Die Schwester zuckte nur die Achseln zum Zeichen der Ratlosigkeit, die
|
|||
|
sie nun während des Weinens im Gegensatz zu ihrer früheren Sicherheit
|
|||
|
ergriffen hatte.
|
|||
|
|
|||
|
»Wenn er uns verstünde,« sagte der Vater halb fragend; die Schwester
|
|||
|
schüttelte aus dem Weinen heraus heftig die Hand zum Zeichen, daß daran
|
|||
|
nicht zu denken sei.
|
|||
|
|
|||
|
»Wenn er uns verstünde,« wiederholte der Vater und nahm durch Schließen
|
|||
|
der Augen die Überzeugung der Schwester von der Unmöglichkeit dessen in
|
|||
|
sich auf, »dann wäre vielleicht ein Übereinkommen mit ihm möglich. Aber
|
|||
|
so --«
|
|||
|
|
|||
|
»Weg muß es,« rief die Schwester, »das ist das einzige Mittel, Vater. Du
|
|||
|
mußt bloß den Gedanken loszuwerden suchen, daß es Gregor ist. Daß wir es
|
|||
|
so lange geglaubt haben, das ist ja unser eigentliches Unglück. Aber wie
|
|||
|
kann es denn Gregor sein? Wenn es Gregor wäre, er hätte längst
|
|||
|
eingesehen, daß ein Zusammenleben von Menschen mit einem solchen Tier
|
|||
|
nicht möglich ist, und wäre freiwillig fortgegangen. Wir hätten dann
|
|||
|
keinen Bruder, aber könnten weiter leben und sein Andenken in Ehren
|
|||
|
halten. So aber verfolgt uns dieses Tier, vertreibt die Zimmerherren,
|
|||
|
will offenbar die ganze Wohnung einnehmen und uns auf der Gasse
|
|||
|
übernachten lassen. Sieh nur, Vater,« schrie sie plötzlich auf, »er
|
|||
|
fängt schon wieder an!« Und in einem für Gregor gänzlich
|
|||
|
unverständlichen Schrecken verließ die Schwester sogar die Mutter, stieß
|
|||
|
sich förmlich von ihrem Sessel ab, als wollte sie lieber die Mutter
|
|||
|
opfern, als in Gregors Nähe bleiben, und eilte hinter den Vater, der,
|
|||
|
lediglich durch ihr Benehmen erregt, auch aufstand und die Arme wie zum
|
|||
|
Schutze der Schwester vor ihr halb erhob.
|
|||
|
|
|||
|
Aber Gregor fiel es doch gar nicht ein, irgend jemandem und gar seiner
|
|||
|
Schwester Angst machen zu wollen. Er hatte bloß angefangen sich
|
|||
|
umzudrehen, um in sein Zimmer zurückzuwandern, und das nahm sich
|
|||
|
allerdings auffallend aus, da er infolge seines leidenden Zustandes bei
|
|||
|
den schwierigen Umdrehungen mit seinem Kopfe nachhelfen mußte, den er
|
|||
|
hierbei viele Male hob und gegen den Boden schlug. Er hielt inne und sah
|
|||
|
sich um. Seine gute Absicht schien erkannt worden zu sein; es war nur
|
|||
|
ein augenblicklicher Schrecken gewesen. Nun sahen ihn alle schweigend
|
|||
|
und traurig an. Die Mutter lag, die Beine ausgestreckt und
|
|||
|
aneinandergedrückt, in ihrem Sessel, die Augen fielen ihr vor Ermattung
|
|||
|
fast zu; der Vater und die Schwester saßen nebeneinander, die Schwester
|
|||
|
hatte ihre Hand um des Vaters Hals gelegt.
|
|||
|
|
|||
|
»Nun darf ich mich schon vielleicht umdrehen,« dachte Gregor und begann
|
|||
|
seine Arbeit wieder. Er konnte das Schnaufen der Anstrengung nicht
|
|||
|
unterdrücken und mußte auch hie und da ausruhen. Im übrigen drängte ihn
|
|||
|
auch niemand, es war alles ihm selbst überlassen. Als er die Umdrehung
|
|||
|
vollendet hatte, fing er sofort an, geradeaus zurückzuwandern. Er
|
|||
|
staunte über die große Entfernung, die ihn von seinem Zimmer trennte,
|
|||
|
und begriff gar nicht, wie er bei seiner Schwäche vor kurzer Zeit den
|
|||
|
gleichen Weg, fast ohne es zu merken, zurückgelegt hatte. Immerfort nur
|
|||
|
auf rasches Kriechen bedacht, achtete er kaum darauf, daß kein Wort,
|
|||
|
kein Ausruf seiner Familie ihn störte. Erst als er schon in der Tür war,
|
|||
|
wendete er den Kopf, nicht, vollständig, denn er fühlte den Hals steif
|
|||
|
werden, immerhin sah er noch, daß sich hinter ihm nichts verändert
|
|||
|
hatte, nur die Schwester war aufgestanden. Sein letzter Blick streifte
|
|||
|
die Mutter, die nun völlig eingeschlafen war.
|
|||
|
|
|||
|
Kaum war er innerhalb seines Zimmers, wurde die Tür eiligst zugedrückt,
|
|||
|
festgeriegelt und versperrt. Über den plötzlichen Lärm hinter sich
|
|||
|
erschrak Gregor so, daß ihm die Beinchen einknickten. Es war die
|
|||
|
Schwester, die sich so beeilt hatte. Aufrecht war sie schon da
|
|||
|
gestanden und hatte gewartet, leichtfüßig war sie dann
|
|||
|
vorwärtsgesprungen, Gregor hatte sie gar nicht kommen hören, und ein
|
|||
|
»Endlich!« rief sie den Eltern zu, während sie den Schlüssel im Schloß
|
|||
|
umdrehte.
|
|||
|
|
|||
|
»Und jetzt?« fragte sich Gregor und sah sich im Dunkeln um. Er machte
|
|||
|
bald die Entdeckung, daß er sich nun überhaupt nicht mehr rühren konnte.
|
|||
|
Er wunderte sich darüber nicht, eher kam es ihm unnatürlich vor, daß er
|
|||
|
sich bis jetzt tatsächlich mit diesen dünnen Beinchen hatte fortbewegen
|
|||
|
können. Im übrigen fühlte er sich verhältnismäßig behaglich. Er hatte
|
|||
|
zwar Schmerzen im ganzen Leib, aber ihm war, als würden sie allmählich
|
|||
|
schwächer und schwächer und würden schließlich ganz vergehen. Den
|
|||
|
verfaulten Apfel in seinem Rücken und die entzündete Umgebung, die ganz
|
|||
|
von weichem Staub bedeckt war, spürte er schon kaum. An seine Familie
|
|||
|
dachte er mit Rührung und Liebe zurück. Seine Meinung darüber, daß er
|
|||
|
verschwinden müsse, war womöglich noch entschiedener, als die seiner
|
|||
|
Schwester. In diesem Zustand leeren und friedlichen Nachdenkens blieb
|
|||
|
er, bis die Turmuhr die dritte Morgenstunde schlug. Den Anfang des
|
|||
|
allgemeinen Hellerwerdens draußen vor dem Fenster erlebte er noch. Dann
|
|||
|
sank sein Kopf ohne seinen Willen gänzlich nieder, und aus seinen
|
|||
|
Nüstern strömte sein letzter Atem schwach hervor.
|
|||
|
|
|||
|
Als am frühen Morgen die Bedienerin kam -- vor lauter Kraft und Eile
|
|||
|
schlug sie, wie oft man sie auch schon gebeten hatte, das zu vermeiden,
|
|||
|
alle Türen derartig zu, daß in der ganzen Wohnung von ihrem Kommen an
|
|||
|
kein ruhiger Schlaf mehr möglich war --, fand sie bei ihrem gewöhnlichen
|
|||
|
kurzen Besuch bei Gregor zuerst nichts Besonderes. Sie dachte, er liege
|
|||
|
absichtlich so unbeweglich da und spiele den Beleidigten; sie traute
|
|||
|
ihm allen möglichen Verstand zu. Weil sie zufällig den langen Besen in
|
|||
|
der Hand hielt, suchte sie mit ihm Gregor von der Tür aus zu kitzeln.
|
|||
|
Als sich auch da kein Erfolg zeigte, wurde sie ärgerlich und stieß ein
|
|||
|
wenig in Gregor hinein, und erst als sie ihn ohne jeden Widerstand von
|
|||
|
seinem Platze geschoben hatte, wurde sie aufmerksam. Als sie bald den
|
|||
|
wahren Sachverhalt erkannte, machte sie große Augen, pfiff vor sich hin,
|
|||
|
hielt sich aber nicht lange auf, sondern riß die Tür des Schlafzimmers
|
|||
|
auf und rief mit lauter Stimme in das Dunkel hinein: »Sehen Sie nur mal
|
|||
|
an, es ist krepiert; da liegt es, ganz und gar krepiert!«
|
|||
|
|
|||
|
Das Ehepaar Samsa saß im Ehebett aufrecht da und hatte zu tun, den
|
|||
|
Schrecken über die Bedienerin zu verwinden, ehe es dazu kam, ihre
|
|||
|
Meldung aufzufassen. Dann aber stiegen Herr und Frau Samsa, jeder auf
|
|||
|
seiner Seite, eiligst aus dem Bett, Herr Samsa warf die Decke über seine
|
|||
|
Schultern, Frau Samsa kam nur im Nachthemd hervor; so traten sie in
|
|||
|
Gregors Zimmer. Inzwischen hatte sich auch die Tür des Wohnzimmers
|
|||
|
geöffnet, in dem Grete seit dem Einzug der Zimmerherren schlief; sie war
|
|||
|
völlig angezogen, als hätte sie gar nicht geschlafen, auch ihr bleiches
|
|||
|
Gesicht schien das zu beweisen. »Tot?« sagte Frau Samsa und sah fragend
|
|||
|
zur Bedienerin auf, trotzdem sie doch alles selbst prüfen und sogar ohne
|
|||
|
Prüfung erkennen konnte. »Das will ich meinen,« sagte die Bedienerin und
|
|||
|
stieß zum Beweis Gregors Leiche mit dem Besen noch ein großes Stück
|
|||
|
seitwärts. Frau Samsa machte eine Bewegung, als wolle sie den Besen
|
|||
|
zurückhalten, tat es aber nicht. »Nun,« sagte Herr Samsa, »jetzt können
|
|||
|
wir Gott danken.« Er bekreuzte sich, und die drei Frauen folgten seinem
|
|||
|
Beispiel. Grete, die kein Auge von der Leiche wendete, sagte: »Seht
|
|||
|
nur, wie mager er war. Er hat ja auch schon so lange Zeit nichts
|
|||
|
gegessen. So wie die Speisen hereinkamen, sind sie wieder
|
|||
|
hinausgekommen.« Tatsächlich war Gregors Körper vollständig flach und
|
|||
|
trocken, man erkannte das eigentlich erst jetzt, da er nicht mehr von
|
|||
|
den Beinchen gehoben war und auch sonst nichts den Blick ablenkte.
|
|||
|
|
|||
|
»Komm, Grete, auf ein Weilchen zu uns herein,« sagte Frau Samsa mit
|
|||
|
einem wehmütigen Lächeln, und Grete ging, nicht ohne nach der Leiche
|
|||
|
zurückzusehen, hinter den Eltern in das Schlafzimmer. Die Bedienerin
|
|||
|
schloß die Tür und öffnete gänzlich das Fenster. Trotz des frühen
|
|||
|
Morgens war der frischen Luft schon etwas Lauigkeit beigemischt. Es war
|
|||
|
eben schon Ende März.
|
|||
|
|
|||
|
Aus ihrem Zimmer traten die drei Zimmerherren und sahen sich erstaunt
|
|||
|
nach ihrem Frühstück um; man hatte sie vergessen. »Wo ist das
|
|||
|
Frühstück?« fragte der mittlere der Herren mürrisch die Bedienerin.
|
|||
|
Diese aber legte den Finger an den Mund und winkte dann hastig und
|
|||
|
schweigend den Herren zu, sie möchten in Gregors Zimmer kommen. Sie
|
|||
|
kamen auch und standen dann, die Hände in den Taschen ihrer etwas
|
|||
|
abgenützten Röckchen, in dem nun schon ganz hellen Zimmer um Gregors
|
|||
|
Leiche herum.
|
|||
|
|
|||
|
Da öffnete sich die Tür des Schlafzimmers, und Herr Samsa erschien in
|
|||
|
seiner Livree, an einem Arm seine Frau, am anderen seine Tochter. Alle
|
|||
|
waren ein wenig verweint; Grete drückte bisweilen ihr Gesicht an den Arm
|
|||
|
des Vaters.
|
|||
|
|
|||
|
»Verlassen Sie sofort meine Wohnung!« sagte Herr Samsa und zeigte auf
|
|||
|
die Tür, ohne die Frauen von sich zu lassen. »Wie meinen Sie das?« sagte
|
|||
|
der mittlere der Herren etwas bestürzt und lächelte süßlich. Die zwei
|
|||
|
anderen hielten die Hände auf dem Rücken und rieben sie ununterbrochen
|
|||
|
aneinander, wie in freudiger Erwartung eines großen Streites, der aber
|
|||
|
für sie günstig ausfallen mußte. »Ich meine es genau so, wie ich es
|
|||
|
sage,« antwortete Herr Samsa und ging in einer Linie mit seinen zwei
|
|||
|
Begleiterinnen auf den Zimmerherrn zu. Dieser stand zuerst still da und
|
|||
|
sah zu Boden, als ob sich die Dinge in seinem Kopf zu einer neuen
|
|||
|
Ordnung zusammenstellten. »Dann gehen wir also,« sagte er dann und sah
|
|||
|
zu Herrn Samsa auf, als verlange er in einer plötzlich ihn überkommenden
|
|||
|
Demut sogar für diesen Entschluß eine neue Genehmigung. Herr Samsa
|
|||
|
nickte ihm bloß mehrmals kurz mit großen Augen zu. Daraufhin ging der
|
|||
|
Herr tatsächlich sofort mit langen Schritten ins Vorzimmer; seine beiden
|
|||
|
Freunde hatten schon ein Weilchen lang mit ganz ruhigen Händen
|
|||
|
aufgehorcht und hüpften ihm jetzt geradezu nach, wie in Angst, Herr
|
|||
|
Samsa könnte vor ihnen ins Vorzimmer eintreten und die Verbindung mit
|
|||
|
ihrem Führer stören. Im Vorzimmer nahmen alle drei die Hüte vom
|
|||
|
Kleiderrechen, zogen ihre Stöcke aus dem Stockbehälter, verbeugten sich
|
|||
|
stumm und verließen die Wohnung. In einem, wie sich zeigte, gänzlich
|
|||
|
unbegründeten Mißtrauen trat Herr Samsa mit den zwei Frauen auf den
|
|||
|
Vorplatz hinaus; an das Geländer gelehnt, sahen sie zu, wie die drei
|
|||
|
Herren zwar langsam, aber ständig die lange Treppe hinunterstiegen, in
|
|||
|
jedem Stockwerk in einer bestimmten Biegung des Treppenhauses
|
|||
|
verschwanden und nach ein paar Augenblicken wieder hervorkamen; je
|
|||
|
tiefer sie gelangten, desto mehr verlor sich das Interesse der Familie
|
|||
|
Samsa für sie, und als ihnen entgegen und dann hoch über sie hinweg ein
|
|||
|
Fleischergeselle mit der Trage auf dem Kopf in stolzer Haltung
|
|||
|
heraufstieg, verließ bald Herr Samsa mit den Frauen das Geländer, und
|
|||
|
alle kehrten, wie erleichtert, in ihre Wohnung zurück.
|
|||
|
|
|||
|
Sie beschlossen, den heutigen Tag zum Ausruhen und Spazierengehen zu
|
|||
|
verwenden; sie hatten diese Arbeitsunterbrechung nicht nur verdient, sie
|
|||
|
brauchten sie sogar unbedingt. Und so setzten sie sich zum Tisch und
|
|||
|
schrieben drei Entschuldigungsbriefe, Herr Samsa an seine Direktion,
|
|||
|
Frau Samsa an ihren Auftraggeber, und Grete an ihren Prinzipal. Während
|
|||
|
des Schreibens kam die Bedienerin herein, um zu sagen, daß sie fortgehe,
|
|||
|
denn ihre Morgenarbeit war beendet. Die drei Schreibenden nickten zuerst
|
|||
|
bloß, ohne aufzuschauen, erst als die Bedienerin sich immer noch nicht
|
|||
|
entfernen wollte, sah man ärgerlich auf. »Nun?« fragte Herr Samsa. Die
|
|||
|
Bedienerin stand lächelnd in der Tür, als habe sie der Familie ein
|
|||
|
großes Glück zu melden, werde es aber nur dann tun, wenn sie gründlich
|
|||
|
ausgefragt werde. Die fast aufrechte kleine Straußfeder auf ihrem Hut,
|
|||
|
über die sich Herr Samsa schon während ihrer ganzen Dienstzeit ärgerte,
|
|||
|
schwankte leicht nach allen Richtungen. »Also was wollen Sie
|
|||
|
eigentlich?« fragte Frau Samsa, vor welcher die Bedienerin noch am
|
|||
|
meisten Respekt hatte. »Ja,« antwortete die Bedienerin und konnte vor
|
|||
|
freundlichem Lachen nicht gleich weiter reden, »also darüber, wie das
|
|||
|
Zeug von nebenan weggeschafft werden soll, müssen Sie sich keine Sorge
|
|||
|
machen. Es ist schon in Ordnung.« Frau Samsa und Grete beugten sich zu
|
|||
|
ihren Briefen nieder, als wollten sie weiterschreiben; Herr Samsa,
|
|||
|
welcher merkte, daß die Bedienerin nun alles ausführlich zu beschreiben
|
|||
|
anfangen wollte, wehrte dies mit ausgestreckter Hand entschieden ab. Da
|
|||
|
sie aber nicht erzählen durfte, erinnerte sie sich an die große Eile,
|
|||
|
die sie hatte, rief offenbar beleidigt: »Adjes allseits,« drehte sich
|
|||
|
wild um und verließ unter fürchterlichem Türezuschlagen die Wohnung.
|
|||
|
|
|||
|
»Abends wird sie entlassen,« sagte Herr Samsa, bekam aber weder von
|
|||
|
seiner Frau noch von seiner Tochter eine Antwort, denn die Bedienerin
|
|||
|
schien ihre kaum gewonnene Ruhe wieder gestört zu haben. Sie erhoben
|
|||
|
sich, gingen zum Fenster und blieben dort, sich umschlungen haltend.
|
|||
|
Herr Samsa drehte sich in seinem Sessel nach ihnen um und beobachtete
|
|||
|
sie still ein Weilchen. Dann rief er: »Also kommt doch her. Laßt schon
|
|||
|
endlich die alten Sachen. Und nehmt auch ein wenig Rücksicht auf mich.«
|
|||
|
Gleich folgten ihm die Frauen, eilten zu ihm, liebkosten ihn und
|
|||
|
beendeten rasch ihre Briefe.
|
|||
|
|
|||
|
Dann verließen alle drei gemeinschaftlich die Wohnung, was sie schon
|
|||
|
seit Monaten nicht getan hatten, und fuhren mit der Elektrischen ins
|
|||
|
Freie vor die Stadt. Der Wagen, in dem sie allein saßen, war ganz von
|
|||
|
warmer Sonne durchschienen. Sie besprachen, bequem auf ihren Sitzen
|
|||
|
zurückgelehnt, die Aussichten für die Zukunft, und es fand sich, daß
|
|||
|
diese bei näherer Betrachtung durchaus nicht schlecht waren, denn aller
|
|||
|
drei Anstellungen waren, worüber sie einander eigentlich noch gar nicht
|
|||
|
ausgefragt hatten, überaus günstig und besonders für später
|
|||
|
vielversprechend. Die größte augenblickliche Besserung der Lage mußte
|
|||
|
sich natürlich leicht durch einen Wohnungswechsel ergeben; sie wollten
|
|||
|
nun eine kleinere und billigere, aber besser gelegene und überhaupt
|
|||
|
praktischere Wohnung nehmen, als es die jetzige, noch von Gregor
|
|||
|
ausgesuchte war. Während sie sich so unterhielten, fiel es Herrn und
|
|||
|
Frau Samsa im Anblick ihrer immer lebhafter werdenden Tochter fast
|
|||
|
gleichzeitig ein, wie sie in der letzten Zeit trotz aller Pflege, die
|
|||
|
ihre Wangen bleich gemacht hatte, zu einem schönen und üppigen Mädchen
|
|||
|
aufgeblüht war. Stiller werdend und fast unbewußt durch Blicke sich
|
|||
|
verständigend, dachten sie daran, daß es nun Zeit sein werde, auch einen
|
|||
|
braven Mann für sie zu suchen. Und es war ihnen wie eine Bestätigung
|
|||
|
ihrer neuen Träume und guten Absichten, als am Ziele ihrer Fahrt die
|
|||
|
Tochter als erste sich erhob und ihren jungen Körper dehnte.
|
|||
|
|
|||
|
|
|||
|
|
|||
|
|
|||
|
|
|||
|
End of the Project Gutenberg EBook of Die Verwandlung, by Franz Kafka
|
|||
|
|
|||
|
*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK DIE VERWANDLUNG ***
|
|||
|
|
|||
|
***** This file should be named 22367-8.txt or 22367-8.zip *****
|
|||
|
This and all associated files of various formats will be found in:
|
|||
|
http://www.gutenberg.org/2/2/3/6/22367/
|
|||
|
|
|||
|
Produced by Jana Srna, Alexander Bauer and the Online
|
|||
|
Distributed Proofreading Team at http://www.pgdp.net
|
|||
|
|
|||
|
|
|||
|
Updated editions will replace the previous one--the old editions
|
|||
|
will be renamed.
|
|||
|
|
|||
|
Creating the works from public domain print editions means that no
|
|||
|
one owns a United States copyright in these works, so the Foundation
|
|||
|
(and you!) can copy and distribute it in the United States without
|
|||
|
permission and without paying copyright royalties. Special rules,
|
|||
|
set forth in the General Terms of Use part of this license, apply to
|
|||
|
copying and distributing Project Gutenberg-tm electronic works to
|
|||
|
protect the PROJECT GUTENBERG-tm concept and trademark. Project
|
|||
|
Gutenberg is a registered trademark, and may not be used if you
|
|||
|
charge for the eBooks, unless you receive specific permission. If you
|
|||
|
do not charge anything for copies of this eBook, complying with the
|
|||
|
rules is very easy. You may use this eBook for nearly any purpose
|
|||
|
such as creation of derivative works, reports, performances and
|
|||
|
research. They may be modified and printed and given away--you may do
|
|||
|
practically ANYTHING with public domain eBooks. Redistribution is
|
|||
|
subject to the trademark license, especially commercial
|
|||
|
redistribution.
|
|||
|
|
|||
|
|
|||
|
|
|||
|
*** START: FULL LICENSE ***
|
|||
|
|
|||
|
THE FULL PROJECT GUTENBERG LICENSE
|
|||
|
PLEASE READ THIS BEFORE YOU DISTRIBUTE OR USE THIS WORK
|
|||
|
|
|||
|
To protect the Project Gutenberg-tm mission of promoting the free
|
|||
|
distribution of electronic works, by using or distributing this work
|
|||
|
(or any other work associated in any way with the phrase "Project
|
|||
|
Gutenberg"), you agree to comply with all the terms of the Full Project
|
|||
|
Gutenberg-tm License (available with this file or online at
|
|||
|
http://gutenberg.org/license).
|
|||
|
|
|||
|
|
|||
|
Section 1. General Terms of Use and Redistributing Project Gutenberg-tm
|
|||
|
electronic works
|
|||
|
|
|||
|
1.A. By reading or using any part of this Project Gutenberg-tm
|
|||
|
electronic work, you indicate that you have read, understand, agree to
|
|||
|
and accept all the terms of this license and intellectual property
|
|||
|
(trademark/copyright) agreement. If you do not agree to abide by all
|
|||
|
the terms of this agreement, you must cease using and return or destroy
|
|||
|
all copies of Project Gutenberg-tm electronic works in your possession.
|
|||
|
If you paid a fee for obtaining a copy of or access to a Project
|
|||
|
Gutenberg-tm electronic work and you do not agree to be bound by the
|
|||
|
terms of this agreement, you may obtain a refund from the person or
|
|||
|
entity to whom you paid the fee as set forth in paragraph 1.E.8.
|
|||
|
|
|||
|
1.B. "Project Gutenberg" is a registered trademark. It may only be
|
|||
|
used on or associated in any way with an electronic work by people who
|
|||
|
agree to be bound by the terms of this agreement. There are a few
|
|||
|
things that you can do with most Project Gutenberg-tm electronic works
|
|||
|
even without complying with the full terms of this agreement. See
|
|||
|
paragraph 1.C below. There are a lot of things you can do with Project
|
|||
|
Gutenberg-tm electronic works if you follow the terms of this agreement
|
|||
|
and help preserve free future access to Project Gutenberg-tm electronic
|
|||
|
works. See paragraph 1.E below.
|
|||
|
|
|||
|
1.C. The Project Gutenberg Literary Archive Foundation ("the Foundation"
|
|||
|
or PGLAF), owns a compilation copyright in the collection of Project
|
|||
|
Gutenberg-tm electronic works. Nearly all the individual works in the
|
|||
|
collection are in the public domain in the United States. If an
|
|||
|
individual work is in the public domain in the United States and you are
|
|||
|
located in the United States, we do not claim a right to prevent you from
|
|||
|
copying, distributing, performing, displaying or creating derivative
|
|||
|
works based on the work as long as all references to Project Gutenberg
|
|||
|
are removed. Of course, we hope that you will support the Project
|
|||
|
Gutenberg-tm mission of promoting free access to electronic works by
|
|||
|
freely sharing Project Gutenberg-tm works in compliance with the terms of
|
|||
|
this agreement for keeping the Project Gutenberg-tm name associated with
|
|||
|
the work. You can easily comply with the terms of this agreement by
|
|||
|
keeping this work in the same format with its attached full Project
|
|||
|
Gutenberg-tm License when you share it without charge with others.
|
|||
|
|
|||
|
1.D. The copyright laws of the place where you are located also govern
|
|||
|
what you can do with this work. Copyright laws in most countries are in
|
|||
|
a constant state of change. If you are outside the United States, check
|
|||
|
the laws of your country in addition to the terms of this agreement
|
|||
|
before downloading, copying, displaying, performing, distributing or
|
|||
|
creating derivative works based on this work or any other Project
|
|||
|
Gutenberg-tm work. The Foundation makes no representations concerning
|
|||
|
the copyright status of any work in any country outside the United
|
|||
|
States.
|
|||
|
|
|||
|
1.E. Unless you have removed all references to Project Gutenberg:
|
|||
|
|
|||
|
1.E.1. The following sentence, with active links to, or other immediate
|
|||
|
access to, the full Project Gutenberg-tm License must appear prominently
|
|||
|
whenever any copy of a Project Gutenberg-tm work (any work on which the
|
|||
|
phrase "Project Gutenberg" appears, or with which the phrase "Project
|
|||
|
Gutenberg" is associated) is accessed, displayed, performed, viewed,
|
|||
|
copied or distributed:
|
|||
|
|
|||
|
This eBook is for the use of anyone anywhere at no cost and with
|
|||
|
almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or
|
|||
|
re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included
|
|||
|
with this eBook or online at www.gutenberg.org
|
|||
|
|
|||
|
1.E.2. If an individual Project Gutenberg-tm electronic work is derived
|
|||
|
from the public domain (does not contain a notice indicating that it is
|
|||
|
posted with permission of the copyright holder), the work can be copied
|
|||
|
and distributed to anyone in the United States without paying any fees
|
|||
|
or charges. If you are redistributing or providing access to a work
|
|||
|
with the phrase "Project Gutenberg" associated with or appearing on the
|
|||
|
work, you must comply either with the requirements of paragraphs 1.E.1
|
|||
|
through 1.E.7 or obtain permission for the use of the work and the
|
|||
|
Project Gutenberg-tm trademark as set forth in paragraphs 1.E.8 or
|
|||
|
1.E.9.
|
|||
|
|
|||
|
1.E.3. If an individual Project Gutenberg-tm electronic work is posted
|
|||
|
with the permission of the copyright holder, your use and distribution
|
|||
|
must comply with both paragraphs 1.E.1 through 1.E.7 and any additional
|
|||
|
terms imposed by the copyright holder. Additional terms will be linked
|
|||
|
to the Project Gutenberg-tm License for all works posted with the
|
|||
|
permission of the copyright holder found at the beginning of this work.
|
|||
|
|
|||
|
1.E.4. Do not unlink or detach or remove the full Project Gutenberg-tm
|
|||
|
License terms from this work, or any files containing a part of this
|
|||
|
work or any other work associated with Project Gutenberg-tm.
|
|||
|
|
|||
|
1.E.5. Do not copy, display, perform, distribute or redistribute this
|
|||
|
electronic work, or any part of this electronic work, without
|
|||
|
prominently displaying the sentence set forth in paragraph 1.E.1 with
|
|||
|
active links or immediate access to the full terms of the Project
|
|||
|
Gutenberg-tm License.
|
|||
|
|
|||
|
1.E.6. You may convert to and distribute this work in any binary,
|
|||
|
compressed, marked up, nonproprietary or proprietary form, including any
|
|||
|
word processing or hypertext form. However, if you provide access to or
|
|||
|
distribute copies of a Project Gutenberg-tm work in a format other than
|
|||
|
"Plain Vanilla ASCII" or other format used in the official version
|
|||
|
posted on the official Project Gutenberg-tm web site (www.gutenberg.org),
|
|||
|
you must, at no additional cost, fee or expense to the user, provide a
|
|||
|
copy, a means of exporting a copy, or a means of obtaining a copy upon
|
|||
|
request, of the work in its original "Plain Vanilla ASCII" or other
|
|||
|
form. Any alternate format must include the full Project Gutenberg-tm
|
|||
|
License as specified in paragraph 1.E.1.
|
|||
|
|
|||
|
1.E.7. Do not charge a fee for access to, viewing, displaying,
|
|||
|
performing, copying or distributing any Project Gutenberg-tm works
|
|||
|
unless you comply with paragraph 1.E.8 or 1.E.9.
|
|||
|
|
|||
|
1.E.8. You may charge a reasonable fee for copies of or providing
|
|||
|
access to or distributing Project Gutenberg-tm electronic works provided
|
|||
|
that
|
|||
|
|
|||
|
- You pay a royalty fee of 20% of the gross profits you derive from
|
|||
|
the use of Project Gutenberg-tm works calculated using the method
|
|||
|
you already use to calculate your applicable taxes. The fee is
|
|||
|
owed to the owner of the Project Gutenberg-tm trademark, but he
|
|||
|
has agreed to donate royalties under this paragraph to the
|
|||
|
Project Gutenberg Literary Archive Foundation. Royalty payments
|
|||
|
must be paid within 60 days following each date on which you
|
|||
|
prepare (or are legally required to prepare) your periodic tax
|
|||
|
returns. Royalty payments should be clearly marked as such and
|
|||
|
sent to the Project Gutenberg Literary Archive Foundation at the
|
|||
|
address specified in Section 4, "Information about donations to
|
|||
|
the Project Gutenberg Literary Archive Foundation."
|
|||
|
|
|||
|
- You provide a full refund of any money paid by a user who notifies
|
|||
|
you in writing (or by e-mail) within 30 days of receipt that s/he
|
|||
|
does not agree to the terms of the full Project Gutenberg-tm
|
|||
|
License. You must require such a user to return or
|
|||
|
destroy all copies of the works possessed in a physical medium
|
|||
|
and discontinue all use of and all access to other copies of
|
|||
|
Project Gutenberg-tm works.
|
|||
|
|
|||
|
- You provide, in accordance with paragraph 1.F.3, a full refund of any
|
|||
|
money paid for a work or a replacement copy, if a defect in the
|
|||
|
electronic work is discovered and reported to you within 90 days
|
|||
|
of receipt of the work.
|
|||
|
|
|||
|
- You comply with all other terms of this agreement for free
|
|||
|
distribution of Project Gutenberg-tm works.
|
|||
|
|
|||
|
1.E.9. If you wish to charge a fee or distribute a Project Gutenberg-tm
|
|||
|
electronic work or group of works on different terms than are set
|
|||
|
forth in this agreement, you must obtain permission in writing from
|
|||
|
both the Project Gutenberg Literary Archive Foundation and Michael
|
|||
|
Hart, the owner of the Project Gutenberg-tm trademark. Contact the
|
|||
|
Foundation as set forth in Section 3 below.
|
|||
|
|
|||
|
1.F.
|
|||
|
|
|||
|
1.F.1. Project Gutenberg volunteers and employees expend considerable
|
|||
|
effort to identify, do copyright research on, transcribe and proofread
|
|||
|
public domain works in creating the Project Gutenberg-tm
|
|||
|
collection. Despite these efforts, Project Gutenberg-tm electronic
|
|||
|
works, and the medium on which they may be stored, may contain
|
|||
|
"Defects," such as, but not limited to, incomplete, inaccurate or
|
|||
|
corrupt data, transcription errors, a copyright or other intellectual
|
|||
|
property infringement, a defective or damaged disk or other medium, a
|
|||
|
computer virus, or computer codes that damage or cannot be read by
|
|||
|
your equipment.
|
|||
|
|
|||
|
1.F.2. LIMITED WARRANTY, DISCLAIMER OF DAMAGES - Except for the "Right
|
|||
|
of Replacement or Refund" described in paragraph 1.F.3, the Project
|
|||
|
Gutenberg Literary Archive Foundation, the owner of the Project
|
|||
|
Gutenberg-tm trademark, and any other party distributing a Project
|
|||
|
Gutenberg-tm electronic work under this agreement, disclaim all
|
|||
|
liability to you for damages, costs and expenses, including legal
|
|||
|
fees. YOU AGREE THAT YOU HAVE NO REMEDIES FOR NEGLIGENCE, STRICT
|
|||
|
LIABILITY, BREACH OF WARRANTY OR BREACH OF CONTRACT EXCEPT THOSE
|
|||
|
PROVIDED IN PARAGRAPH F3. YOU AGREE THAT THE FOUNDATION, THE
|
|||
|
TRADEMARK OWNER, AND ANY DISTRIBUTOR UNDER THIS AGREEMENT WILL NOT BE
|
|||
|
LIABLE TO YOU FOR ACTUAL, DIRECT, INDIRECT, CONSEQUENTIAL, PUNITIVE OR
|
|||
|
INCIDENTAL DAMAGES EVEN IF YOU GIVE NOTICE OF THE POSSIBILITY OF SUCH
|
|||
|
DAMAGE.
|
|||
|
|
|||
|
1.F.3. LIMITED RIGHT OF REPLACEMENT OR REFUND - If you discover a
|
|||
|
defect in this electronic work within 90 days of receiving it, you can
|
|||
|
receive a refund of the money (if any) you paid for it by sending a
|
|||
|
written explanation to the person you received the work from. If you
|
|||
|
received the work on a physical medium, you must return the medium with
|
|||
|
your written explanation. The person or entity that provided you with
|
|||
|
the defective work may elect to provide a replacement copy in lieu of a
|
|||
|
refund. If you received the work electronically, the person or entity
|
|||
|
providing it to you may choose to give you a second opportunity to
|
|||
|
receive the work electronically in lieu of a refund. If the second copy
|
|||
|
is also defective, you may demand a refund in writing without further
|
|||
|
opportunities to fix the problem.
|
|||
|
|
|||
|
1.F.4. Except for the limited right of replacement or refund set forth
|
|||
|
in paragraph 1.F.3, this work is provided to you 'AS-IS' WITH NO OTHER
|
|||
|
WARRANTIES OF ANY KIND, EXPRESS OR IMPLIED, INCLUDING BUT NOT LIMITED TO
|
|||
|
WARRANTIES OF MERCHANTIBILITY OR FITNESS FOR ANY PURPOSE.
|
|||
|
|
|||
|
1.F.5. Some states do not allow disclaimers of certain implied
|
|||
|
warranties or the exclusion or limitation of certain types of damages.
|
|||
|
If any disclaimer or limitation set forth in this agreement violates the
|
|||
|
law of the state applicable to this agreement, the agreement shall be
|
|||
|
interpreted to make the maximum disclaimer or limitation permitted by
|
|||
|
the applicable state law. The invalidity or unenforceability of any
|
|||
|
provision of this agreement shall not void the remaining provisions.
|
|||
|
|
|||
|
1.F.6. INDEMNITY - You agree to indemnify and hold the Foundation, the
|
|||
|
trademark owner, any agent or employee of the Foundation, anyone
|
|||
|
providing copies of Project Gutenberg-tm electronic works in accordance
|
|||
|
with this agreement, and any volunteers associated with the production,
|
|||
|
promotion and distribution of Project Gutenberg-tm electronic works,
|
|||
|
harmless from all liability, costs and expenses, including legal fees,
|
|||
|
that arise directly or indirectly from any of the following which you do
|
|||
|
or cause to occur: (a) distribution of this or any Project Gutenberg-tm
|
|||
|
work, (b) alteration, modification, or additions or deletions to any
|
|||
|
Project Gutenberg-tm work, and (c) any Defect you cause.
|
|||
|
|
|||
|
|
|||
|
Section 2. Information about the Mission of Project Gutenberg-tm
|
|||
|
|
|||
|
Project Gutenberg-tm is synonymous with the free distribution of
|
|||
|
electronic works in formats readable by the widest variety of computers
|
|||
|
including obsolete, old, middle-aged and new computers. It exists
|
|||
|
because of the efforts of hundreds of volunteers and donations from
|
|||
|
people in all walks of life.
|
|||
|
|
|||
|
Volunteers and financial support to provide volunteers with the
|
|||
|
assistance they need, is critical to reaching Project Gutenberg-tm's
|
|||
|
goals and ensuring that the Project Gutenberg-tm collection will
|
|||
|
remain freely available for generations to come. In 2001, the Project
|
|||
|
Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure
|
|||
|
and permanent future for Project Gutenberg-tm and future generations.
|
|||
|
To learn more about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation
|
|||
|
and how your efforts and donations can help, see Sections 3 and 4
|
|||
|
and the Foundation web page at http://www.pglaf.org.
|
|||
|
|
|||
|
|
|||
|
Section 3. Information about the Project Gutenberg Literary Archive
|
|||
|
Foundation
|
|||
|
|
|||
|
The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non profit
|
|||
|
501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the
|
|||
|
state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal
|
|||
|
Revenue Service. The Foundation's EIN or federal tax identification
|
|||
|
number is 64-6221541. Its 501(c)(3) letter is posted at
|
|||
|
http://pglaf.org/fundraising. Contributions to the Project Gutenberg
|
|||
|
Literary Archive Foundation are tax deductible to the full extent
|
|||
|
permitted by U.S. federal laws and your state's laws.
|
|||
|
|
|||
|
The Foundation's principal office is located at 4557 Melan Dr. S.
|
|||
|
Fairbanks, AK, 99712., but its volunteers and employees are scattered
|
|||
|
throughout numerous locations. Its business office is located at
|
|||
|
809 North 1500 West, Salt Lake City, UT 84116, (801) 596-1887, email
|
|||
|
business@pglaf.org. Email contact links and up to date contact
|
|||
|
information can be found at the Foundation's web site and official
|
|||
|
page at http://pglaf.org
|
|||
|
|
|||
|
For additional contact information:
|
|||
|
Dr. Gregory B. Newby
|
|||
|
Chief Executive and Director
|
|||
|
gbnewby@pglaf.org
|
|||
|
|
|||
|
|
|||
|
Section 4. Information about Donations to the Project Gutenberg
|
|||
|
Literary Archive Foundation
|
|||
|
|
|||
|
Project Gutenberg-tm depends upon and cannot survive without wide
|
|||
|
spread public support and donations to carry out its mission of
|
|||
|
increasing the number of public domain and licensed works that can be
|
|||
|
freely distributed in machine readable form accessible by the widest
|
|||
|
array of equipment including outdated equipment. Many small donations
|
|||
|
($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt
|
|||
|
status with the IRS.
|
|||
|
|
|||
|
The Foundation is committed to complying with the laws regulating
|
|||
|
charities and charitable donations in all 50 states of the United
|
|||
|
States. Compliance requirements are not uniform and it takes a
|
|||
|
considerable effort, much paperwork and many fees to meet and keep up
|
|||
|
with these requirements. We do not solicit donations in locations
|
|||
|
where we have not received written confirmation of compliance. To
|
|||
|
SEND DONATIONS or determine the status of compliance for any
|
|||
|
particular state visit http://pglaf.org
|
|||
|
|
|||
|
While we cannot and do not solicit contributions from states where we
|
|||
|
have not met the solicitation requirements, we know of no prohibition
|
|||
|
against accepting unsolicited donations from donors in such states who
|
|||
|
approach us with offers to donate.
|
|||
|
|
|||
|
International donations are gratefully accepted, but we cannot make
|
|||
|
any statements concerning tax treatment of donations received from
|
|||
|
outside the United States. U.S. laws alone swamp our small staff.
|
|||
|
|
|||
|
Please check the Project Gutenberg Web pages for current donation
|
|||
|
methods and addresses. Donations are accepted in a number of other
|
|||
|
ways including checks, online payments and credit card donations.
|
|||
|
To donate, please visit: http://pglaf.org/donate
|
|||
|
|
|||
|
|
|||
|
Section 5. General Information About Project Gutenberg-tm electronic
|
|||
|
works.
|
|||
|
|
|||
|
Professor Michael S. Hart is the originator of the Project Gutenberg-tm
|
|||
|
concept of a library of electronic works that could be freely shared
|
|||
|
with anyone. For thirty years, he produced and distributed Project
|
|||
|
Gutenberg-tm eBooks with only a loose network of volunteer support.
|
|||
|
|
|||
|
|
|||
|
Project Gutenberg-tm eBooks are often created from several printed
|
|||
|
editions, all of which are confirmed as Public Domain in the U.S.
|
|||
|
unless a copyright notice is included. Thus, we do not necessarily
|
|||
|
keep eBooks in compliance with any particular paper edition.
|
|||
|
|
|||
|
|
|||
|
Most people start at our Web site which has the main PG search facility:
|
|||
|
|
|||
|
http://www.gutenberg.org
|
|||
|
|
|||
|
This Web site includes information about Project Gutenberg-tm,
|
|||
|
including how to make donations to the Project Gutenberg Literary
|
|||
|
Archive Foundation, how to help produce our new eBooks, and how to
|
|||
|
subscribe to our email newsletter to hear about new eBooks.
|