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The Project Gutenberg EBook of Die Verwandlung, by Franz Kafka
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Title: Die Verwandlung
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Author: Franz Kafka
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Release Date: August 21, 2007 [EBook #22367]
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Language: German
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*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK DIE VERWANDLUNG ***
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Produced by Jana Srna, Alexander Bauer and the Online
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Distributed Proofreading Team at http://www.pgdp.net
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DIE VERWANDLUNG
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VON
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FRANZ KAFKA
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K U R T W O L F F V E R L A G
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L E I P Z I G
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B Ü C H E R E I »D E R J Ü N G S T E T A G« B A N D 2 2 / 2 3
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GEDRUCKT BEI DIETSCH & BRÜCKNER · WEIMAR
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COPYRIGHT KURT WOLFF VERLAG · LEIPZIG. 1917
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I.
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Als Gregor Samsa eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte, fand er
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sich in seinem Bett zu einem ungeheueren Ungeziefer verwandelt. Er lag
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auf seinem panzerartig harten Rücken und sah, wenn er den Kopf ein wenig
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hob, seinen gewölbten, braunen, von bogenförmigen Versteifungen
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geteilten Bauch, auf dessen Höhe sich die Bettdecke, zum gänzlichen
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Niedergleiten bereit, kaum noch erhalten konnte. Seine vielen, im
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Vergleich zu seinem sonstigen Umfang kläglich dünnen Beine flimmerten
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ihm hilflos vor den Augen.
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»Was ist mit mir geschehen?« dachte er. Es war kein Traum. Sein Zimmer,
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ein richtiges, nur etwas zu kleines Menschenzimmer, lag ruhig zwischen
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den vier wohlbekannten Wänden. Über dem Tisch, auf dem eine
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auseinandergepackte Musterkollektion von Tuchwaren ausgebreitet war --
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Samsa war Reisender --, hing das Bild, das er vor kurzem aus einer
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illustrierten Zeitschrift ausgeschnitten und in einem hübschen,
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vergoldeten Rahmen untergebracht hatte. Es stellte eine Dame dar, die,
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mit einem Pelzhut und einer Pelzboa versehen, aufrecht dasaß und einen
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schweren Pelzmuff, in dem ihr ganzer Unterarm verschwunden war, dem
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Beschauer entgegenhob.
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Gregors Blick richtete sich dann zum Fenster, und das trübe Wetter --
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man hörte Regentropfen auf das Fensterblech aufschlagen -- machte ihn
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ganz melancholisch. »Wie wäre es, wenn ich noch ein wenig
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weiterschliefe und alle Narrheiten vergäße,« dachte er, aber das war
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gänzlich undurchführbar, denn er war gewöhnt, auf der rechten Seite zu
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schlafen, konnte sich aber in seinem gegenwärtigen Zustand nicht in
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diese Lage bringen. Mit welcher Kraft er sich auch auf die rechte Seite
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warf, immer wieder schaukelte er in die Rückenlage zurück. Er versuchte
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es wohl hundertmal, schloß die Augen, um die zappelnden Beine nicht
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sehen zu müssen, und ließ erst ab, als er in der Seite einen noch nie
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gefühlten, leichten, dumpfen Schmerz zu fühlen begann.
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»Ach Gott,« dachte er, »was für einen anstrengenden Beruf habe ich
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gewählt! Tag aus, Tag ein auf der Reise. Die geschäftlichen Aufregungen
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sind viel größer, als im eigentlichen Geschäft zu Hause, und außerdem
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ist mir noch diese Plage des Reisens auferlegt, die Sorgen um die
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Zuganschlüsse, das unregelmäßige, schlechte Essen, ein immer
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wechselnder, nie andauernder, nie herzlich werdender menschlicher
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Verkehr. Der Teufel soll das alles holen!« Er fühlte ein leichtes Jucken
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oben auf dem Bauch; schob sich auf dem Rücken langsam näher zum
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Bettpfosten, um den Kopf besser heben zu können; fand die juckende
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Stelle, die mit lauter kleinen weißen Pünktchen besetzt war, die er
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nicht zu beurteilen verstand; und wollte mit einem Bein die Stelle
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betasten, zog es aber gleich zurück, denn bei der Berührung umwehten ihn
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Kälteschauer.
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Er glitt wieder in seine frühere Lage zurück. »Dies frühzeitige
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Aufstehen«, dachte er, »macht einen ganz blödsinnig. Der Mensch muß
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seinen Schlaf haben. Andere Reisende leben wie Haremsfrauen. Wenn ich
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zum Beispiel im Laufe des Vormittags ins Gasthaus zurückgehe, um die
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erlangten Aufträge zu überschreiben, sitzen diese Herren erst beim
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Frühstück. Das sollte ich bei meinem Chef versuchen; ich würde auf der
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Stelle hinausfliegen. Wer weiß übrigens, ob das nicht sehr gut für mich
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wäre. Wenn ich mich nicht wegen meiner Eltern zurückhielte, ich hätte
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längst gekündigt, ich wäre vor den Chef hingetreten und hätte ihm meine
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Meinung von Grund des Herzens aus gesagt. Vom Pult hätte er fallen
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müssen! Es ist auch eine sonderbare Art, sich auf das Pult zu setzen und
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von der Höhe herab mit dem Angestellten zu reden, der überdies wegen der
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Schwerhörigkeit des Chefs ganz nahe herantreten muß. Nun, die Hoffnung
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ist noch nicht gänzlich aufgegeben, habe ich einmal das Geld beisammen,
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um die Schuld der Eltern an ihn abzuzahlen -- es dürfte noch fünf bis
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sechs Jahre dauern --, mache ich die Sache unbedingt. Dann wird der
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große Schnitt gemacht. Vorläufig allerdings muß ich aufstehen, denn mein
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Zug fährt um fünf.«
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Und er sah zur Weckuhr hinüber, die auf dem Kasten tickte. »Himmlischer
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Vater!« dachte er, Es war halb sieben Uhr, und die Zeiger gingen ruhig
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vorwärts, es war sogar halb vorüber, es näherte sich schon dreiviertel.
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Sollte der Wecker nicht geläutet haben? Man sah vom Bett aus, daß er auf
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vier Uhr richtig eingestellt war; gewiß hatte er auch geläutet. Ja, aber
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war es möglich, dieses möbelerschütternde Läuten ruhig zu verschlafen?
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Nun, ruhig hatte er ja nicht geschlafen, aber wahrscheinlich desto
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fester. Was aber sollte er jetzt tun? Der nächste Zug ging um sieben
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Uhr; um den einzuholen, hätte er sich unsinnig beeilen müssen, und die
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Kollektion war noch nicht eingepackt, und er selbst fühlte sich durchaus
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nicht besonders frisch und beweglich. Und selbst wenn er den Zug
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einholte, ein Donnerwetter des Chefs war nicht zu vermeiden, denn der
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Geschäftsdiener hatte beim Fünfuhrzug gewartet und die Meldung von
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seiner Versäumnis längst erstattet. Es war eine Kreatur des Chefs, ohne
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Rückgrat und Verstand. Wie nun, wenn er sich krank meldete? Das wäre
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aber äußerst peinlich und verdächtig, denn Gregor war während seines
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fünfjährigen Dienstes noch nicht einmal krank gewesen. Gewiß würde der
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Chef mit dem Krankenkassenarzt kommen, würde den Eltern wegen des faulen
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Sohnes Vorwürfe machen und alle Einwände durch den Hinweis auf den
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Krankenkassenarzt abschneiden, für den es ja überhaupt nur ganz gesunde,
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aber arbeitsscheue Menschen gibt. Und hätte er übrigens in diesem Falle
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so ganz unrecht? Gregor fühlte sich tatsächlich, abgesehen von einer
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nach dem langen Schlaf wirklich überflüssigen Schläfrigkeit, ganz wohl
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und hatte sogar einen besonders kräftigen Hunger.
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Als er dies alles in größter Eile überlegte, ohne sich entschließen zu
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können, das Bett zu verlassen -- gerade schlug der Wecker dreiviertel
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sieben -- klopfte es vorsichtig an die Tür am Kopfende seines Bettes.
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»Gregor,« rief es -- es war die Mutter --, »es ist dreiviertel sieben.
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Wolltest du nicht wegfahren?« Die sanfte Stimme! Gregor erschrak, als er
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seine antwortende Stimme hörte, die wohl unverkennbar seine frühere war,
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in die sich aber, wie von unten her, ein nicht zu unterdrückendes,
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schmerzliches Piepsen mischte, das die Worte förmlich nur im ersten
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Augenblick in ihrer Deutlichkeit beließ, um sie im Nachklang derart zu
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zerstören, daß man nicht wußte, ob man recht gehört hatte. Gregor hatte
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ausführlich antworten und alles erklären wollen, beschränkte sich aber
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bei diesen Umständen darauf, zu sagen: »Ja, ja, danke, Mutter, ich stehe
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schon auf.« Infolge der Holztür war die Veränderung in Gregors Stimme
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draußen wohl nicht zu merken, denn die Mutter beruhigte sich mit dieser
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Erklärung und schlürfte davon. Aber durch das kleine Gespräch waren die
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anderen Familienmitglieder darauf aufmerksam geworden, daß Gregor wider
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Erwarten noch zu Hause war, und schon klopfte an der einen Seitentür der
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Vater, schwach, aber mit der Faust. »Gregor, Gregor,« rief er, »was ist
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denn?« Und nach einer kleinen Weile mahnte er nochmals mit tieferer
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Stimme: »Gregor! Gregor!« An der anderen Seitentür aber klagte leise die
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Schwester: »Gregor? Ist dir nicht wohl? Brauchst du etwas?« Nach beiden
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Seiten hin antwortete Gregor: »Bin schon fertig,« und bemühte sich,
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durch die sorgfältigste Aussprache und durch Einschaltung von langen
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Pausen zwischen den einzelnen Worten seiner Stimme alles Auffallende zu
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nehmen. Der Vater kehrte auch zu seinem Frühstück zurück, die Schwester
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aber flüsterte: »Gregor, mach auf, ich beschwöre dich.« Gregor aber
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dachte gar nicht daran aufzumachen, sondern lobte die vom Reisen her
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übernommene Vorsicht, auch zu Hause alle Türen während der Nacht zu
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versperren.
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Zunächst wollte er ruhig und ungestört aufstehen, sich anziehen und vor
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allem frühstücken, und dann erst das Weitere überlegen, denn, das merkte
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er wohl, im Bett würde er mit dem Nachdenken zu keinem vernünftigen Ende
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kommen. Er erinnerte sich, schon öfters im Bett irgendeinen vielleicht
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durch ungeschicktes Liegen erzeugten, leichten Schmerz empfunden zu
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haben, der sich dann beim Aufstehen als reine Einbildung herausstellte,
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und er war gespannt, wie sich seine heutigen Vorstellungen allmählich
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auflösen würden. Daß die Veränderung der Stimme nichts anderes war als
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der Vorbote einer tüchtigen Verkühlung, einer Berufskrankheit der
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Reisenden, daran zweifelte er nicht im geringsten.
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Die Decke abzuwerfen war ganz einfach; er brauchte sich nur ein wenig
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aufzublasen und sie fiel von selbst. Aber weiterhin wurde es schwierig,
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besonders weil er so ungemein breit war. Er hätte Arme und Hände
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gebraucht, um sich aufzurichten; statt dessen aber hatte er nur die
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vielen Beinchen, die ununterbrochen in der verschiedensten Bewegung
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waren und die er überdies nicht beherrschen konnte. Wollte er eines
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einmal einknicken, so war es das erste, daß er sich streckte; und gelang
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es ihm endlich, mit diesem Bein das auszuführen, was er wollte, so
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arbeiteten inzwischen alle anderen, wie freigelassen, in höchster,
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schmerzlicher Aufregung. »Nur sich nicht im Bett unnütz aufhalten,«
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sagte sich Gregor.
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Zuerst wollte er mit dem unteren Teil seines Körpers aus dem Bett
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hinauskommen, aber dieser untere Teil, den er übrigens noch nicht
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gesehen hatte und von dem er sich auch keine rechte Vorstellung machen
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konnte, erwies sich als zu schwer beweglich; es ging so langsam; und als
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er schließlich, fast wild geworden, mit gesammelter Kraft, ohne
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Rücksicht sich vorwärtsstieß, hatte er die Richtung falsch gewählt,
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schlug an den unteren Bettpfosten heftig an, und der brennende Schmerz,
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den er empfand, belehrte ihn, daß gerade der untere Teil seines Körpers
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augenblicklich vielleicht der empfindlichste war.
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Er versuchte es daher, zuerst den Oberkörper aus dem Bett zu bekommen,
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und drehte vorsichtig den Kopf dem Bettrand zu. Dies gelang auch leicht,
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und trotz ihrer Breite und Schwere folgte schließlich die Körpermasse
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langsam der Wendung des Kopfes. Aber als er den Kopf endlich außerhalb
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des Bettes in der freien Luft hielt, bekam er Angst, weiter auf diese
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Weise vorzurücken, denn wenn er sich schließlich so fallen ließ, mußte
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geradezu ein Wunder geschehen wenn der Kopf nicht verletzt werden
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sollte. Und die Besinnung durfte er gerade jetzt um keinen Preis
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verlieren; lieber wollte er im Bett bleiben.
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Aber als er wieder nach gleicher Mühe aufseufzend so dalag wie früher,
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und wieder seine Beinchen womöglich noch ärger gegeneinander kämpfen sah
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und keine Möglichkeit fand, in diese Willkür Ruhe und Ordnung zu
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bringen, sagte er sich wieder, daß er unmöglich im Bett bleiben könne
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und daß es das Vernünftigste sei, alles zu opfern, wenn auch nur die
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kleinste Hoffnung bestünde, sich dadurch vom Bett zu befreien.
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Gleichzeitig aber vergaß er nicht, sich zwischendurch daran zu erinnern,
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daß viel besser als verzweifelte Entschlüsse ruhige und ruhigste
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Überlegung sei. In solchen Augenblicken richtete er die Augen möglichst
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scharf auf das Fenster, aber leider war aus dem Anblick des
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Morgennebels, der sogar die andere Seite der engen Straße verhüllte,
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wenig Zuversicht und Munterkeit zu holen. »Schon sieben Uhr,« sagte er
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sich beim neuerlichen Schlagen des Weckers, »schon sieben Uhr und noch
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immer ein solcher Nebel.« Und ein Weilchen lang lag er ruhig mit
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schwachem Atem, als erwarte er vielleicht von der völligen Stille die
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Wiederkehr der wirklichen und selbstverständlichen Verhältnisse.
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Dann aber sagte er sich: »Ehe es einviertel acht schlägt, muß ich
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unbedingt das Bett vollständig verlassen haben. Im übrigen wird auch bis
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dahin jemand aus dem Geschäft kommen, um nach mir zu fragen, denn das
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Geschäft wird vor sieben Uhr geöffnet.« Und er machte sich nun daran,
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den Körper in seiner ganzen Länge vollständig gleichmäßig aus dem Bett
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hinauszuschaukeln. Wenn er sich auf diese Weise aus dem Bett fallen
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ließ, blieb der Kopf, den er beim Fall scharf heben wollte,
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voraussichtlich unverletzt. Der Rücken schien hart zu sein; dem würde
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wohl bei dem Fall auf den Teppich nichts geschehen. Das größte Bedenken
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machte ihm die Rücksicht auf den lauten Krach, den es geben müßte und
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der wahrscheinlich hinter allen Türen wenn nicht Schrecken, so doch
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Besorgnisse erregen würde. Das mußte aber gewagt werden.
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Als Gregor schon zur Hälfte aus dem Bette ragte -- die neue Methode war
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mehr ein Spiel als eine Anstrengung, er brauchte immer nur ruckweise zu
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schaukeln --, fiel ihm ein, wie einfach alles wäre, wenn man ihm zu
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Hilfe käme. Zwei starke Leute -- er dachte an seinen Vater und das
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Dienstmädchen -- hätten vollständig genügt; sie hätten ihre Arme nur
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unter seinen gewölbten Rücken schieben, ihn so aus dem Bett schälen,
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sich mit der Last niederbeugen und dann bloß vorsichtig dulden müssen,
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daß er den Überschwung auf dem Fußboden vollzog, wo dann die Beinchen
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hoffentlich einen Sinn bekommen würden. Nun, ganz abgesehen davon, daß
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die Türen versperrt waren, hätte er wirklich um Hilfe rufen sollen?
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Trotz aller Not konnte er bei diesem Gedanken ein Lächeln nicht
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unterdrücken.
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Schon war er so weit, daß er bei stärkerem Schaukeln kaum das
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Gleichgewicht noch erhielt, und sehr bald mußte er sich nun endgültig
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entscheiden, denn es war in fünf Minuten einviertel acht, -- als es an
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der Wohnungstür läutete. »Das ist jemand aus dem Geschäft,« sagte er
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sich und erstarrte fast, während seine Beinchen nur desto eiliger
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tanzten. Einen Augenblick blieb alles still. »Sie öffnen nicht,« sagte
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sich Gregor, befangen in irgendeiner unsinnigen Hoffnung. Aber dann ging
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natürlich wie immer das Dienstmädchen festen Schrittes zur Tür und
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öffnete. Gregor brauchte nur das erste Grußwort des Besuchers zu hören
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und wußte schon, wer es war -- der Prokurist selbst. Warum war nur
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Gregor dazu verurteilt, bei einer Firma zu dienen, wo man bei der
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kleinsten Versäumnis gleich den größten Verdacht faßte? Waren denn alle
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Angestellten samt und sonders Lumpen, gab es denn unter ihnen keinen
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treuen ergebenen Menschen, den, wenn er auch nur ein paar Morgenstunden
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für das Geschäft nicht ausgenützt hatte, vor Gewissensbissen närrisch
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wurde und geradezu nicht imstande war, das Bett zu verlassen? Genügte es
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wirklich nicht, einen Lehrjungen nachfragen zu lassen -- wenn überhaupt
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diese Fragerei nötig war --, mußte da der Prokurist selbst kommen, und
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mußte dadurch der ganzen unschuldigen Familie gezeigt werden, daß die
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Untersuchung dieser verdächtigen Angelegenheit nur dem Verstand des
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Prokuristen anvertraut werden konnte? Und mehr infolge der Erregung, in
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welche Gregor durch diese Überlegungen versetzt wurde, als infolge eines
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richtigen Entschlusses, schwang er sich mit aller Macht aus dem Bett. Es
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gab einen lauten Schlag, aber ein eigentlicher Krach war es nicht. Ein
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wenig wurde der Fall durch den Teppich abgeschwächt, auch war der Rücken
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elastischer, als Gregor gedacht hatte, daher kam der nicht gar so
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auffallende dumpfe Klang. Nur den Kopf hatte er nicht vorsichtig genug
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gehalten und ihn angeschlagen; er drehte ihn und rieb ihn an dem Teppich
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vor Ärger und Schmerz.
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»Da drin ist etwas gefallen,« sagte der Prokurist im Nebenzimmer links.
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Gregor suchte sich vorzustellen, ob nicht auch einmal dem Prokuristen
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etwas Ähnliches passieren könnte, wie heute ihm; die Möglichkeit dessen
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mußte man doch eigentlich zugeben. Aber wie zur rohen Antwort auf diese
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Frage machte jetzt der Prokurist im Nebenzimmer ein paar bestimmte
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Schritte und ließ seine Lackstiefel knarren. Aus dem Nebenzimmer rechts
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flüsterte die Schwester, um Gregor zu verständigen: »Gregor, der
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Prokurist ist da.« »Ich weiß,« sagte Gregor vor sich hin; aber so laut,
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daß es die Schwester hätte hören können, wagte er die Stimme nicht zu
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erheben.
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»Gregor,« sagte nun der Vater aus dem Nebenzimmer links, »der Herr
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Prokurist ist gekommen und erkundigt sich, warum du nicht mit dem
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Frühzug weggefahren bist. Wir wissen nicht, was wir ihm sagen sollen.
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||
Übrigens will er auch mit dir persönlich sprechen. Also bitte mach die
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Tür auf. Er wird die Unordnung im Zimmer zu entschuldigen schon die Güte
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haben.« »Guten Morgen, Herr Samsa,« rief der Prokurist freundlich
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||
dazwischen. »Ihm ist nicht wohl,« sagte die Mutter zum Prokuristen,
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||
während der Vater noch an der Tür redete, »ihm ist nicht wohl, glauben
|
||
Sie mir, Herr Prokurist. Wie würde denn Gregor sonst einen Zug
|
||
versäumen! Der Junge hat ja nichts im Kopf als das Geschäft. Ich ärgere
|
||
mich schon fast, daß er abends niemals ausgeht; jetzt war er doch acht
|
||
Tage in der Stadt, aber jeden Abend war er zu Hause. Da sitzt er bei uns
|
||
am Tisch und liest still die Zeitung oder studiert Fahrpläne. Es ist
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||
schon eine Zerstreuung für ihn, wenn er sich mit Laubsägearbeiten
|
||
beschäftigt. Da hat er zum Beispiel im Laufe von zwei, drei Abenden
|
||
einen kleinen Rahmen geschnitzt; Sie werden staunen, wie hübsch er ist;
|
||
er hängt drin im Zimmer; Sie werden ihn gleich sehen, wenn Gregor
|
||
aufmacht. Ich bin übrigens glücklich, daß Sie da sind, Herr Prokurist;
|
||
wir allein hätten Gregor nicht dazu gebracht, die Tür zu öffnen; er ist
|
||
so hartnäckig; und bestimmt ist ihm nicht wohl, trotzdem er es am Morgen
|
||
geleugnet hat.« »Ich komme gleich,« sagte Gregor langsam und bedächtig
|
||
und rührte sich nicht, um kein Wort der Gespräche zu verlieren. »Anders,
|
||
gnädige Frau, kann ich es mir auch nicht erklären,« sagte der Prokurist,
|
||
»hoffentlich ist es nichts Ernstes. Wenn ich auch andererseits sagen
|
||
muß, daß wir Geschäftsleute -- wie man will, leider oder
|
||
glücklicherweise -- ein leichtes Unwohlsein sehr oft aus geschäftlichen
|
||
Rücksichten einfach überwinden müssen.« »Also kann der Herr Prokurist
|
||
schon zu dir hinein?« fragte der ungeduldige Vater und klopfte wiederum
|
||
an die Tür. »Nein,« sagte Gregor. Im Nebenzimmer links trat eine
|
||
peinliche Stille ein, im Nebenzimmer rechts begann die Schwester zu
|
||
schluchzen.
|
||
|
||
Warum ging denn die Schwester nicht zu den anderen? Sie war wohl erst
|
||
jetzt aus dem Bett aufgestanden und hatte noch gar nicht angefangen sich
|
||
anzuziehen. Und warum weinte sie denn? Weil er nicht aufstand und den
|
||
Prokuristen nicht hereinließ, weil er in Gefahr war, den Posten zu
|
||
verlieren und weil dann der Chef die Eltern mit den alten Forderungen
|
||
wieder verfolgen würde? Das waren doch vorläufig wohl unnötige Sorgen.
|
||
Noch war Gregor hier und dachte nicht im geringsten daran, seine Familie
|
||
zu verlassen. Augenblicklich lag er wohl da auf dem Teppich, und
|
||
niemand, der seinen Zustand gekannt hätte, hätte im Ernst von ihm
|
||
verlangt, daß er den Prokuristen hereinlasse. Aber wegen dieser kleinen
|
||
Unhöflichkeit, für die sich ja später leicht eine passende Ausrede
|
||
finden würde, konnte Gregor doch nicht gut sofort weggeschickt werden.
|
||
Und Gregor schien es, daß es viel vernünftiger wäre, ihn jetzt in Ruhe
|
||
zu lassen, statt ihn mit Weinen und Zureden zu stören. Aber es war eben
|
||
die Ungewißheit, welche die anderen bedrängte und ihr Benehmen
|
||
entschuldigte.
|
||
|
||
»Herr Samsa,« rief nun der Prokurist mit erhobener Stimme, »was ist denn
|
||
los? Sie verbarrikadieren sich da in Ihrem Zimmer, antworten bloß mit ja
|
||
und nein, machen Ihren Eltern schwere, unnötige Sorgen und versäumen --
|
||
dies nur nebenbei erwähnt -- Ihre geschäftlichen Pflichten in einer
|
||
eigentlich unerhörten Weise. Ich spreche hier im Namen Ihrer Eltern und
|
||
Ihres Chefs und bitte Sie ganz ernsthaft um eine augenblickliche,
|
||
deutliche Erklärung. Ich staune, ich staune. Ich glaubte Sie als einen
|
||
ruhigen, vernünftigen Menschen zu kennen, und nun scheinen Sie plötzlich
|
||
anfangen zu wollen, mit sonderbaren Launen zu paradieren. Der Chef
|
||
deutete mir zwar heute früh eine mögliche Erklärung für Ihre Versäumnis
|
||
an -- sie betraf das Ihnen seit kurzem anvertraute Inkasso --, aber ich
|
||
legte wahrhaftig fast mein Ehrenwort dafür ein, daß diese Erklärung
|
||
nicht zutreffen könne. Nun aber sehe ich hier Ihren unbegreiflichen
|
||
Starrsinn und verliere ganz und gar jede Lust, mich auch nur im
|
||
geringsten für Sie einzusetzen. Und Ihre Stellung ist durchaus nicht die
|
||
festeste. Ich hatte ursprünglich die Absicht, Ihnen das alles unter vier
|
||
Augen zu sagen, aber da Sie mich hier nutzlos meine Zeit versäumen
|
||
lassen, weiß ich nicht, warum es nicht auch Ihre Herren Eltern erfahren
|
||
sollen. Ihre Leistungen in der letzten Zeit waren also sehr
|
||
unbefriedigend; es ist zwar nicht die Jahreszeit, um besondere Geschäfte
|
||
zu machen, das erkennen wir an; aber eine Jahreszeit, um keine Geschäfte
|
||
zu machen, gibt es überhaupt nicht, Herr Samsa, darf es nicht geben.«
|
||
|
||
»Aber Herr Prokurist,« rief Gregor außer sich und vergaß in der
|
||
Aufregung alles andere, »ich mache ja sofort, augenblicklich auf. Ein
|
||
leichtes Unwohlsein, ein Schwindelanfall, haben mich verhindert
|
||
aufzustehen. Ich liege noch jetzt im Bett. Jetzt bin ich aber schon
|
||
wieder ganz frisch. Eben steige ich aus dem Bett. Nur einen kleinen
|
||
Augenblick Geduld! Es geht noch nicht so gut, wie ich dachte. Es ist mir
|
||
aber schon wohl. Wie das nur einen Menschen so überfallen kann! Noch
|
||
gestern abend war mir ganz gut, meine Eltern wissen es ja, oder besser,
|
||
schon gestern abend hatte ich eine kleine Vorahnung. Man hätte es mir
|
||
ansehen müssen. Warum habe ich es nur im Geschäfte nicht gemeldet! Aber
|
||
man denkt eben immer, daß man die Krankheit ohne Zuhausebleiben
|
||
überstehen wird. Herr Prokurist! Schonen Sie meine Eltern! Für alle die
|
||
Vorwürfe, die Sie mir jetzt machen, ist ja kein Grund; man hat mir ja
|
||
davon auch kein Wort gesagt. Sie haben vielleicht die letzten Aufträge,
|
||
die ich geschickt habe, nicht gelesen. Übrigens, noch mit dem Achtuhrzug
|
||
fahre ich auf die Reise, die paar Stunden Ruhe haben mich gekräftigt.
|
||
Halten Sie sich nur nicht auf, Herr Prokurist; ich bin gleich selbst im
|
||
Geschäft, und haben Sie die Güte, das zu sagen und mich dem Herrn Chef
|
||
zu empfehlen!«
|
||
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Und während Gregor dies alles hastig ausstieß und kaum wußte, was er
|
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sprach, hatte er sich leicht, wohl infolge der im Bett bereits erlangten
|
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Übung, dem Kasten genähert und versuchte nun, an ihm sich aufzurichten.
|
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Er wollte tatsächlich die Tür aufmachen, tatsächlich sich sehen lassen
|
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und mit dem Prokuristen sprechen; er war begierig zu erfahren, was die
|
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anderen, die jetzt so nach ihm verlangten, bei seinem Anblick sagen
|
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würden. Würden sie erschrecken, dann hatte Gregor keine Verantwortung
|
||
mehr und konnte ruhig sein. Würden sie aber alles ruhig hinnehmen, dann
|
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hatte auch er keinen Grund sich aufzuregen, und konnte, wenn er sich
|
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beeilte, um acht Uhr tatsächlich auf dem Bahnhof sein. Zuerst glitt er
|
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nun einigemale von dem glatten Kasten ab, aber endlich gab er sich
|
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einen letzten Schwung und stand aufrecht da; auf die Schmerzen im
|
||
Unterleib achtete er gar nicht mehr, so sehr sie auch brannten. Nun ließ
|
||
er sich gegen die Rücklehne eines nahen Stuhles fallen, an deren Rändern
|
||
er sich mit seinen Beinchen festhielt. Damit hatte er aber auch die
|
||
Herrschaft über sich erlangt und verstummte, denn nun konnte er den
|
||
Prokuristen anhören.
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||
»Haben Sie auch nur ein Wort verstanden?« fragte der Prokurist die
|
||
Eltern, »er macht sich doch wohl nicht einen Narren aus uns?« »Um Gottes
|
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willen,« rief die Mutter schon unter Weinen, »er ist vielleicht schwer
|
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krank, und wir quälen ihn. Grete! Grete!« schrie sie dann. »Mutter?«
|
||
rief die Schwester von der anderen Seite. Sie verständigten sich durch
|
||
Gregors Zimmer. »Du mußt augenblicklich zum Arzt. Gregor ist krank.
|
||
Rasch um den Arzt. Hast du Gregor jetzt reden hören?« »Das war eine
|
||
Tierstimme,« sagte der Prokurist, auffallend leise gegenüber dem
|
||
Schreien der Mutter. »Anna! Anna!« rief der Vater durch das Vorzimmer in
|
||
die Küche und klatschte in die Hände, »sofort einen Schlosser holen!«
|
||
Und schon liefen die zwei Mädchen mit rauschenden Röcken durch das
|
||
Vorzimmer -- wie hatte sich die Schwester denn so schnell angezogen? --
|
||
und rissen die Wohnungstüre auf. Man hörte gar nicht die Türe
|
||
zuschlagen; sie hatten sie wohl offen gelassen, wie es in Wohnungen zu
|
||
sein pflegt, in denen ein großes Unglück geschehen ist.
|
||
|
||
Gregor war aber viel ruhiger geworden. Man verstand zwar also seine
|
||
Worte nicht mehr, trotzdem sie ihm genug klar, klarer als früher,
|
||
vorgekommen waren, vielleicht infolge der Gewöhnung des Ohres. Aber
|
||
immerhin glaubte man nun schon daran, daß es mit ihm nicht ganz in
|
||
Ordnung war, und war bereit, ihm zu helfen. Die Zuversicht und
|
||
Sicherheit, womit die ersten Anordnungen getroffen worden waren, taten
|
||
ihm wohl. Er fühlte sich wieder einbezogen in den menschlichen Kreis und
|
||
erhoffte von beiden, vom Arzt und vom Schlosser, ohne sie eigentlich
|
||
genau zu scheiden, großartige und überraschende Leistungen. Um für die
|
||
sich nähernden entscheidenden Besprechungen eine möglichst klare Stimme
|
||
zu bekommen, hustete er ein wenig ab, allerdings bemüht, dies ganz
|
||
gedämpft zu tun, da möglicherweise auch schon dieses Geräusch anders als
|
||
menschlicher Husten klang, was er selbst zu entscheiden sich nicht mehr
|
||
getraute. Im Nebenzimmer war es inzwischen ganz still geworden.
|
||
Vielleicht saßen die Eltern mit dem Prokuristen beim Tisch und
|
||
tuschelten, vielleicht lehnten alle an der Türe und horchten.
|
||
|
||
Gregor schob sich langsam mit dem Sessel zur Tür hin, ließ ihn dort los,
|
||
warf sich gegen die Tür, hielt sich an ihr aufrecht -- die Ballen seiner
|
||
Beinchen hatten ein wenig Klebstoff -- und ruhte sich dort einen
|
||
Augenblick lang von der Anstrengung aus. Dann aber machte er sich daran,
|
||
mit dem Mund den Schlüssel im Schloß umzudrehen. Es schien leider, daß
|
||
er keine eigentlichen Zähne hatte, -- womit sollte er gleich den
|
||
Schlüssel fassen? -- aber dafür waren die Kiefer freilich sehr stark,
|
||
mit ihrer Hilfe brachte er auch wirklich den Schlüssel in Bewegung und
|
||
achtete nicht darauf, daß er sich zweifellos irgendeinen Schaden
|
||
zufügte, denn eine braune Flüssigkeit kam ihm aus dem Mund, floß über
|
||
den Schlüssel und tropfte auf den Boden. »Hören Sie nur,« sagte der
|
||
Prokurist im Nebenzimmer, »er dreht den Schlüssel um.« Das war für
|
||
Gregor eine große Aufmunterung; aber alle hätten ihm zurufen sollen,
|
||
auch der Vater und die Mutter: »Frisch, Gregor,« hätten sie rufen
|
||
sollen, »immer nur heran, fest an das Schloß heran!« Und in der
|
||
Vorstellung, daß alle seine Bemühungen mit Spannung verfolgten, verbiß
|
||
er sich mit allem, was er an Kraft aufbringen konnte, besinnungslos in
|
||
den Schlüssel. Je nach dem Fortschreiten der Drehung des Schlüssels
|
||
umtanzte er das Schloß, hielt sich jetzt nur noch mit dem Munde
|
||
aufrecht, und je nach Bedarf hing er sich an den Schlüssel oder drückte
|
||
ihn dann wieder nieder mit der ganzen Last seines Körpers. Der hellere
|
||
Klang des endlich zurückschnappenden Schlosses erweckte Gregor förmlich.
|
||
Aufatmend sagte er sich: »Ich habe also den Schlosser nicht gebraucht,«
|
||
und legte den Kopf auf die Klinke, um die Türe gänzlich zu öffnen.
|
||
|
||
Da er die Türe auf diese Weise öffnen mußte, war sie eigentlich schon
|
||
recht weit geöffnet, und er selbst noch nicht zu sehen. Er mußte sich
|
||
erst langsam um den einen Türflügel herumdrehen, und zwar sehr
|
||
vorsichtig, wenn er nicht gerade vor dem Eintritt ins Zimmer plump auf
|
||
den Rücken fallen wollte. Er war noch mit jener schwierigen Bewegung
|
||
beschäftigt und hatte nicht Zeit, auf anderes zu achten, da hörte er
|
||
schon den Prokuristen ein lautes »Oh!« ausstoßen -- es klang, wie wenn
|
||
der Wind saust -- und nun sah er ihn auch, wie er, der der Nächste an
|
||
der Türe war, die Hand gegen den offenen Mund drückte und langsam
|
||
zurückwich, als vertreibe ihn eine unsichtbare, gleichmäßig fortwirkende
|
||
Kraft. Die Mutter -- sie stand hier trotz der Anwesenheit des
|
||
Prokuristen mit von der Nacht her noch aufgelösten, hoch sich
|
||
sträubenden Haaren -- sah zuerst mit gefalteten Händen den Vater an,
|
||
ging dann zwei Schritte zu Gregor hin und fiel inmitten ihrer rings um
|
||
sie herum sich ausbreitenden Röcke nieder, das Gesicht ganz unauffindbar
|
||
zu ihrer Brust gesenkt. Der Vater ballte mit feindseligem Ausdruck die
|
||
Faust, als wolle er Gregor in sein Zimmer zurückstoßen, sah sich dann
|
||
unsicher im Wohnzimmer um, beschattete dann mit den Händen die Augen und
|
||
weinte, daß sich seine mächtige Brust schüttelte.
|
||
|
||
Gregor trat nun gar nicht in das Zimmer, sondern lehnte sich von innen
|
||
an den festgeriegelten Türflügel, so daß sein Leib nur zur Hälfte und
|
||
darüber der seitlich geneigte Kopf zu sehen war, mit dem er zu den
|
||
anderen hinüberlugte. Es war inzwischen viel heller geworden; klar stand
|
||
auf der anderen Straßenseite ein Ausschnitt des gegenüberliegenden,
|
||
endlosen, grauschwarzen Hauses -- es war ein Krankenhaus -- mit seinen
|
||
hart die Front durchbrechenden regelmäßigen Fenstern; der Regen fiel
|
||
noch nieder, aber nur mit großen, einzeln sichtbaren und förmlich auch
|
||
einzelnweise auf die Erde hinuntergeworfenen Tropfen. Das
|
||
Frühstücksgeschirr stand in überreicher Zahl auf dem Tisch, denn für den
|
||
Vater war das Frühstück die wichtigste Mahlzeit des Tages, die er bei
|
||
der Lektüre verschiedener Zeitungen stundenlang hinzog. Gerade an der
|
||
gegenüberliegenden Wand hing eine Photographie Gregors aus seiner
|
||
Militärzeit, die ihn als Leutnant darstellte, wie er, die Hand am Degen,
|
||
sorglos lächelnd, Respekt für seine Haltung und Uniform verlangte. Die
|
||
Tür zum Vorzimmer war geöffnet, und man sah, da auch die Wohnungstür
|
||
offen war, auf den Vorplatz der Wohnung hinaus und auf den Beginn der
|
||
abwärts führenden Treppe.
|
||
|
||
»Nun,« sagte Gregor und war sich dessen wohl bewußt, daß er der einzige
|
||
war, der die Ruhe bewahrt hatte, »ich werde mich gleich anziehen, die
|
||
Kollektion zusammenpacken und wegfahren. Wollt ihr, wollt ihr mich
|
||
wegfahren lassen? Nun, Herr Prokurist, Sie sehen, ich bin nicht
|
||
starrköpfig und ich arbeite gern; das Reisen ist beschwerlich, aber ich
|
||
könnte ohne das Reisen nicht leben. Wohin gehen Sie denn, Herr
|
||
Prokurist? Ins Geschäft? Ja? Werden Sie alles wahrheitsgetreu berichten?
|
||
Man kann im Augenblick unfähig sein zu arbeiten, aber dann ist gerade
|
||
der richtige Zeitpunkt, sich an die früheren Leistungen zu erinnern und
|
||
zu bedenken, daß man später, nach Beseitigung des Hindernisses, gewiß
|
||
desto fleißiger und gesammelter arbeiten wird. Ich bin ja dem Herrn Chef
|
||
so sehr verpflichtet, das wissen Sie doch recht gut. Andererseits habe
|
||
ich die Sorge um meine Eltern und die Schwester. Ich bin in der Klemme,
|
||
ich werde mich aber auch wieder herausarbeiten. Machen Sie es mir aber
|
||
nicht schwieriger, als es schon ist. Halten Sie im Geschäft meine
|
||
Partei! Man liebt den Reisenden nicht, ich weiß. Man denkt, er verdient
|
||
ein Heidengeld und führt dabei ein schönes Leben. Man hat eben keine
|
||
besondere Veranlassung, dieses Vorurteil besser zu durchdenken. Sie
|
||
aber, Herr Prokurist, Sie haben einen besseren Überblick über die
|
||
Verhältnisse, als das sonstige Personal, ja sogar, ganz im Vertrauen
|
||
gesagt, einen besseren Überblick, als der Herr Chef selbst, der in
|
||
seiner Eigenschaft als Unternehmer sich in seinem Urteil leicht
|
||
zuungunsten eines Angestellten beirren läßt. Sie wissen auch sehr wohl,
|
||
daß der Reisende, der fast das ganze Jahr außerhalb des Geschäftes ist,
|
||
so leicht ein Opfer von Klatschereien, Zufälligkeiten und grundlosen
|
||
Beschwerden werden kann, gegen die sich zu wehren ihm ganz unmöglich
|
||
ist, da er von ihnen meistens gar nichts erfährt und nur dann, wenn er
|
||
erschöpft eine Reise beendet hat, zu Hause die schlimmen, auf ihre
|
||
Ursachen hin nicht mehr zu durchschauenden Folgen am eigenen Leibe zu
|
||
spüren bekommt. Herr Prokurist, gehen Sie nicht weg, ohne mir ein Wort
|
||
gesagt zu haben, das mir zeigt, daß Sie mir wenigstens zu einem kleinen
|
||
Teil recht geben!«
|
||
|
||
Aber der Prokurist hatte sich schon bei den ersten Worten Gregors
|
||
abgewendet, und nur über die zuckende Schulter hinweg sah er mit
|
||
aufgeworfenen Lippen nach Gregor zurück. Und während Gregors Rede stand
|
||
er keinen Augenblick still, sondern verzog sich, ohne Gregor aus den
|
||
Augen zu lassen, gegen die Tür, aber ganz allmählich, als bestehe ein
|
||
geheimes Verbot, das Zimmer zu verlassen. Schon war er im Vorzimmer, und
|
||
nach der plötzlichen Bewegung, mit der er zum letztenmal den Fuß aus dem
|
||
Wohnzimmer zog, hätte man glauben können, er habe sich soeben die Sohle
|
||
verbrannt. Im Vorzimmer aber streckte er die rechte Hand weit von sich
|
||
zur Treppe hin, als warte dort auf ihn eine geradezu überirdische
|
||
Erlösung.
|
||
|
||
Gregor sah ein, daß er den Prokuristen in dieser Stimmung auf keinen
|
||
Fall weggehen lassen dürfe, wenn dadurch seine Stellung im Geschäft
|
||
nicht aufs äußerste gefährdet werden sollte. Die Eltern verstanden das
|
||
alles nicht so gut; sie hatten sich in den langen Jahren die Überzeugung
|
||
gebildet, daß Gregor in diesem Geschäft für sein Leben versorgt war, und
|
||
hatten außerdem jetzt mit den augenblicklichen Sorgen so viel zu tun,
|
||
daß ihnen jede Voraussicht abhanden gekommen war. Aber Gregor hatte
|
||
diese Voraussicht. Der Prokurist mußte gehalten, beruhigt, überzeugt und
|
||
schließlich gewonnen werden; die Zukunft Gregors und seiner Familie hing
|
||
doch davon ab! Wäre doch die Schwester hier gewesen! Sie war klug; sie
|
||
hatte schon geweint, als Gregor noch ruhig auf dem Rücken lag. Und gewiß
|
||
hätte der Prokurist, dieser Damenfreund, sich von ihr lenken lassen;
|
||
sie hätte die Wohnungstür zugemacht und ihm im Vorzimmer den Schrecken
|
||
ausgeredet. Aber die Schwester war eben nicht da, Gregor selbst mußte
|
||
handeln. Und ohne daran zu denken, daß er seine gegenwärtigen
|
||
Fähigkeiten, sich zu bewegen, noch gar nicht kannte, ohne auch daran zu
|
||
denken, daß seine Rede möglicher- ja wahrscheinlicherweise wieder nicht
|
||
verstanden worden war, verließ er den Türflügel; schob sich durch die
|
||
Öffnung; wollte zum Prokuristen hingehen, der sich schon am Geländer des
|
||
Vorplatzes lächerlicherweise mit beiden Händen festhielt; fiel aber
|
||
sofort, nach einem Halt suchend, mit einem kleinen Schrei auf seine
|
||
vielen Beinchen nieder. Kaum war das geschehen, fühlte er zum erstenmal
|
||
an diesem Morgen ein körperliches Wohlbehagen; die Beinchen hatten
|
||
festen Boden unter sich; sie gehorchten vollkommen, wie er zu seiner
|
||
Freude merkte; strebten sogar darnach, ihn fortzutragen, wohin er
|
||
wollte; und schon glaubte er, die endgültige Besserung alles Leidens
|
||
stehe unmittelbar bevor. Aber im gleichen Augenblick, als er da
|
||
schaukelnd vor verhaltener Bewegung, gar nicht weit von seiner Mutter
|
||
entfernt, ihr gerade gegenüber auf dem Boden lag, sprang diese, die doch
|
||
so ganz in sich versunken schien, mit einemmale in die Höhe, die Arme
|
||
weit ausgestreckt, die Finger gespreizt, rief: »Hilfe, um Gottes willen
|
||
Hilfe!«, hielt den Kopf geneigt, als wolle sie Gregor besser sehen, lief
|
||
aber, im Widerspruch dazu, sinnlos zurück; hatte vergessen, daß hinter
|
||
ihr der gedeckte Tisch stand; setzte sich, als sie bei ihm angekommen
|
||
war, wie in Zerstreutheit, eilig auf ihn, und schien gar nicht zu
|
||
merken, daß neben ihr aus der umgeworfenen großen Kanne der Kaffee in
|
||
vollem Strome auf den Teppich sich ergoß.
|
||
|
||
»Mutter, Mutter,« sagte Gregor leise und sah zu ihr hinauf. Der
|
||
Prokurist war ihm für einen Augenblick ganz aus dem Sinn gekommen;
|
||
dagegen konnte er sich nicht versagen, im Anblick des fließenden Kaffees
|
||
mehrmals mit den Kiefern ins Leere zu schnappen. Darüber schrie die
|
||
Mutter neuerdings auf, flüchtete vom Tisch und fiel dem ihr
|
||
entgegeneilenden Vater in die Arme. Aber Gregor hatte jetzt keine Zeit
|
||
für seine Eltern; der Prokurist war schon auf der Treppe; das Kinn auf
|
||
dem Geländer, sah er noch zum letzten Male zurück. Gregor nahm einen
|
||
Anlauf, um ihn möglichst sicher einzuholen; der Prokurist mußte etwas
|
||
ahnen, denn er machte einen Sprung über mehrere Stufen und verschwand;
|
||
»Huh!« aber schrie er noch, es klang durchs ganze Treppenhaus. Leider
|
||
schien nun auch diese Flucht des Prokuristen den Vater, der bisher
|
||
verhältnismäßig gefaßt gewesen war, völlig zu verwirren, denn statt
|
||
selbst dem Prokuristen nachzulaufen oder wenigstens Gregor in der
|
||
Verfolgung nicht zu hindern, packte er mit der Rechten den Stock des
|
||
Prokuristen, den dieser mit Hut und Überzieher auf einem Sessel
|
||
zurückgelassen hatte, holte mit der Linken eine große Zeitung vom Tisch
|
||
und machte sich unter Füßestampfen daran, Gregor durch Schwenken des
|
||
Stockes und der Zeitung in sein Zimmer zurückzutreiben. Kein Bitten
|
||
Gregors half, kein Bitten wurde auch verstanden, er mochte den Kopf noch
|
||
so demütig drehen, der Vater stampfte nur stärker mit den Füßen. Drüben
|
||
hatte die Mutter trotz des kühlen Wetters ein Fenster aufgerissen, und
|
||
hinausgelehnt drückte sie ihr Gesicht weit außerhalb des Fensters in
|
||
ihre Hände. Zwischen Gasse und Treppenhaus entstand eine starke Zugluft,
|
||
die Fenstervorhänge flogen auf, die Zeitungen auf dem Tische rauschten,
|
||
einzelne Blätter wehten über den Boden hin. Unerbittlich drängte der
|
||
Vater und stieß Zischlaute aus, wie ein Wilder. Nun hatte aber Gregor
|
||
noch gar keine Übung im Rückwärtsgehen, es ging wirklich sehr langsam.
|
||
Wenn sich Gregor nur hätte umdrehen dürfen, er wäre gleich in seinem
|
||
Zimmer gewesen, aber er fürchtete sich, den Vater durch die zeitraubende
|
||
Umdrehung ungeduldig zu machen, und jeden Augenblick drohte ihm doch von
|
||
dem Stock in des Vaters Hand der tödliche Schlag auf den Rücken oder auf
|
||
den Kopf. Endlich aber blieb Gregor doch nichts anderes übrig, denn er
|
||
merkte mit Entsetzen, daß er im Rückwärtsgehen nicht einmal die Richtung
|
||
einzuhalten verstand; und so begann er, unter unaufhörlichen ängstlichen
|
||
Seitenblicken nach dem Vater, sich nach Möglichkeit rasch, in
|
||
Wirklichkeit aber doch nur sehr langsam umzudrehen. Vielleicht merkte
|
||
der Vater seinen guten Willen, denn er störte ihn hierbei nicht, sondern
|
||
dirigierte sogar hie und da die Drehbewegung von der Ferne mit der
|
||
Spitze seines Stockes. Wenn nur nicht dieses unerträgliche Zischen des
|
||
Vaters gewesen wäre! Gregor verlor darüber ganz den Kopf. Er war schon
|
||
fast ganz umgedreht, als er sich, immer auf dieses Zischen horchend,
|
||
sogar irrte und sich wieder ein Stück zurückdrehte. Als er aber endlich
|
||
glücklich mit dem Kopf vor der Türöffnung war, zeigte es sich, daß sein
|
||
Körper zu breit war, um ohne weiteres durchzukommen. Dem Vater fiel es
|
||
natürlich in seiner gegenwärtigen Verfassung auch nicht entfernt ein,
|
||
etwa den anderen Türflügel zu öffnen, um für Gregor einen genügenden
|
||
Durchgang zu schaffen. Seine fixe Idee war bloß, daß Gregor so rasch als
|
||
möglich in sein Zimmer müsse. Niemals hätte er auch die umständlichen
|
||
Vorbereitungen gestattet, die Gregor brauchte, um sich aufzurichten und
|
||
vielleicht auf diese Weise durch die Tür zu kommen. Vielleicht trieb er,
|
||
als gäbe es kein Hindernis, Gregor jetzt unter besonderem Lärm
|
||
vorwärts; es klang schon hinter Gregor gar nicht mehr wie die Stimme
|
||
bloß eines einzigen Vaters; nun gab es wirklich keinen Spaß mehr, und
|
||
Gregor drängte sich -- geschehe was wolle -- in die Tür. Die eine Seite
|
||
seines Körpers hob sich, er lag schief in der Türöffnung, seine eine
|
||
Flanke war ganz wundgerieben, an der weißen Tür blieben häßliche Flecke,
|
||
bald steckte er fest und hätte sich allein nicht mehr rühren können, die
|
||
Beinchen auf der einen Seite hingen zitternd oben in der Luft, die auf
|
||
der anderen waren schmerzhaft zu Boden gedrückt -- da gab ihm der Vater
|
||
von hinten einen jetzt wahrhaftig erlösenden starken Stoß, und er flog,
|
||
heftig blutend, weit in sein Zimmer hinein. Die Tür wurde noch mit dem
|
||
Stock zugeschlagen, dann war es endlich still.
|
||
|
||
|
||
|
||
|
||
II.
|
||
|
||
|
||
Erst in der Abenddämmerung erwachte Gregor aus seinem schweren
|
||
ohnmachtähnlichen Schlaf. Er wäre gewiß nicht viel später auch ohne
|
||
Störung erwacht, denn er fühlte sich genügend ausgeruht und
|
||
ausgeschlafen, doch schien es ihm, als hätte ihn ein flüchtiger Schritt
|
||
und ein vorsichtiges Schließen der zum Vorzimmer führenden Tür geweckt.
|
||
Der Schein der elektrischen Straßenbahn lag bleich hier und da auf der
|
||
Zimmerdecke und auf den höheren Teilen der Möbel, aber unten bei Gregor
|
||
war es finster. Langsam schob er sich, noch ungeschickt mit seinen
|
||
Fühlern tastend, die er jetzt erst schätzen lernte, zur Türe hin, um
|
||
nachzusehen, was dort geschehen war. Seine linke Seite schien eine
|
||
einzige lange, unangenehm spannende Narbe, und er mußte auf seinen zwei
|
||
Beinreihen regelrecht hinken. Ein Beinchen war übrigens im Laufe der
|
||
vormittägigen Vorfälle schwer verletzt worden -- es war fast ein
|
||
Wunder, daß nur eines verletzt worden war -- und schleppte leblos nach.
|
||
|
||
Erst bei der Tür merkte er, was ihn dorthin eigentlich gelockt hatte; es
|
||
war der Geruch von etwas Eßbarem gewesen. Denn dort stand ein Napf mit
|
||
süßer Milch gefüllt, in der kleine Schnitte von Weißbrot schwammen. Fast
|
||
hätte er vor Freude gelacht, denn er hatte noch größeren Hunger als am
|
||
Morgen, und gleich tauchte er seinen Kopf fast bis über die Augen in die
|
||
Milch hinein. Aber bald zog er ihn enttäuscht wieder zurück; nicht nur,
|
||
daß ihm das Essen wegen seiner heiklen linken Seite Schwierigkeiten
|
||
machte -- und er konnte nur essen, wenn der ganze Körper schnaufend
|
||
mitarbeitete --, so schmeckte ihm überdies die Milch, die sonst sein
|
||
Lieblingsgetränk war und die ihm gewiß die Schwester deshalb
|
||
hereingestellt hatte, gar nicht, ja er wandte sich fast mit Widerwillen
|
||
von dem Napf ab und kroch in die Zimmermitte zurück.
|
||
|
||
Im Wohnzimmer war, wie Gregor durch die Türspalte sah, das Gas
|
||
angezündet, aber während sonst zu dieser Tageszeit der Vater seine
|
||
nachmittags erscheinende Zeitung der Mutter und manchmal auch der
|
||
Schwester mit erhobener Stimme vorzulesen pflegte, hörte man jetzt
|
||
keinen Laut. Nun vielleicht war dieses Vorlesen, von dem ihm die
|
||
Schwester immer erzählte und schrieb, in der letzten Zeit überhaupt aus
|
||
der Übung gekommen. Aber auch ringsherum war es so still, trotzdem doch
|
||
gewiß die Wohnung nicht leer war. »Was für ein stilles Leben die Familie
|
||
doch führte,« sagte sich Gregor und fühlte, während er starr vor sich
|
||
ins Dunkle sah, einen großen Stolz darüber, daß er seinen Eltern und
|
||
seiner Schwester ein solches Leben in einer so schönen Wohnung hatte
|
||
verschaffen können. Wie aber, wenn jetzt alle Ruhe, aller Wohlstand,
|
||
alle Zufriedenheit ein Ende mit Schrecken nehmen sollte? Um sich nicht
|
||
in solche Gedanken zu verlieren, setzte sich Gregor lieber in Bewegung
|
||
und kroch im Zimmer auf und ab.
|
||
|
||
Einmal während des langen Abends wurde die eine Seitentüre und einmal
|
||
die andere bis zu einer kleinen Spalte geöffnet und rasch wieder
|
||
geschlossen; jemand hatte wohl das Bedürfnis hereinzukommen, aber auch
|
||
wieder zu viele Bedenken. Gregor machte nun unmittelbar bei der
|
||
Wohnzimmertür Halt, entschlossen, den zögernden Besucher doch irgendwie
|
||
hereinzubringen oder doch wenigstens zu erfahren, wer es sei; aber nun
|
||
wurde die Tür nicht mehr geöffnet und Gregor wartete vergebens. Früh,
|
||
als die Türen versperrt waren, hatten alle zu ihm hereinkommen wollen,
|
||
jetzt, da er die eine Tür geöffnet hatte und die anderen offenbar
|
||
während des Tages geöffnet worden waren, kam keiner mehr, und die
|
||
Schlüssel steckten nun auch von außen.
|
||
|
||
Spät erst in der Nacht wurde das Licht im Wohnzimmer ausgelöscht, und
|
||
nun war leicht festzustellen, daß die Eltern und die Schwester so lange
|
||
wachgeblieben waren, denn wie man genau hören konnte, entfernten sich
|
||
jetzt alle drei auf den Fußspitzen. Nun kam gewiß bis zum Morgen niemand
|
||
mehr zu Gregor herein; er hatte also eine lange Zeit, um ungestört zu
|
||
überlegen, wie er sein Leben jetzt neu ordnen sollte. Aber das hohe
|
||
freie Zimmer, in dem er gezwungen war, flach auf dem Boden zu liegen,
|
||
ängstigte ihn, ohne daß er die Ursache herausfinden konnte, denn es war
|
||
ja sein seit fünf Jahren von ihm bewohntes Zimmer -- und mit einer halb
|
||
unbewußten Wendung und nicht ohne eine leichte Scham eilte er unter das
|
||
Kanapee, wo er sich, trotzdem sein Rücken ein wenig gedrückt wurde und
|
||
trotzdem er den Kopf nicht mehr erheben konnte, gleich sehr behaglich
|
||
fühlte und nur bedauerte, daß sein Körper zu breit war, um vollständig
|
||
unter dem Kanapee untergebracht zu werden.
|
||
|
||
Dort blieb er die ganze Nacht, die er zum Teil im Halbschlaf, aus dem
|
||
ihn der Hunger immer wieder aufschreckte, verbrachte, zum Teil aber in
|
||
Sorgen und undeutlichen Hoffnungen, die aber alle zu dem Schlusse
|
||
führten, daß er sich vorläufig ruhig verhalten und durch Geduld und
|
||
größte Rücksichtnahme der Familie die Unannehmlichkeiten erträglich
|
||
machen müsse, die er ihr in seinem gegenwärtigen Zustand nun einmal zu
|
||
verursachen gezwungen war.
|
||
|
||
Schon am frühen Morgen, es war fast noch Nacht, hatte Gregor
|
||
Gelegenheit, die Kraft seiner eben gefaßten Entschlüsse zu prüfen, denn
|
||
vom Vorzimmer her öffnete die Schwester, fast völlig angezogen, die Tür
|
||
und sah mit Spannung herein. Sie fand ihn nicht gleich, aber als sie ihn
|
||
unter dem Kanapee bemerkte -- Gott, er mußte doch irgendwo sein, er
|
||
hatte doch nicht wegfliegen können -- erschrak sie so sehr, daß sie,
|
||
ohne sich beherrschen zu können, die Tür von außen wieder zuschlug. Aber
|
||
als bereue sie ihr Benehmen, öffnete sie die Tür sofort wieder und trat,
|
||
als sei sie bei einem Schwerkranken oder gar bei einem Fremden, auf den
|
||
Fußspitzen herein. Gregor hatte den Kopf bis knapp zum Rande des
|
||
Kanapees vorgeschoben und beobachtete sie. Ob sie wohl bemerken würde,
|
||
daß er die Milch stehen gelassen hatte, und zwar keineswegs aus Mangel
|
||
an Hunger, und ob sie eine andere Speise hereinbringen würde, die ihm
|
||
besser entsprach? Täte sie es nicht von selbst, er wollte lieber
|
||
verhungern, als sie darauf aufmerksam machen, trotzdem es ihn eigentlich
|
||
ungeheuer drängte, unterm Kanapee vorzuschießen, sich der Schwester zu
|
||
Füßen zu werfen und sie um irgend etwas Gutes zum Essen zu bitten. Aber
|
||
die Schwester bemerkte sofort mit Verwunderung den noch vollen Napf, aus
|
||
dem nur ein wenig Milch ringsherum verschüttet war, sie hob ihn gleich
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auf, zwar nicht mit den bloßen Händen, sondern mit einem Fetzen, und
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trug ihn hinaus. Gregor war äußerst neugierig, was sie zum Ersatze
|
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bringen würde, und er machte sich die verschiedensten Gedanken darüber.
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Niemals aber hätte er erraten können, was die Schwester in ihrer Güte
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wirklich tat. Sie brachte ihm, um seinen Geschmack zu prüfen, eine ganze
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Auswahl, alles auf einer alten Zeitung ausgebreitet. Da war altes
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halbverfaultes Gemüse; Knochen vom Nachtmahl her, die von festgewordener
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weißer Sauce umgeben waren; ein paar Rosinen und Mandeln; ein Käse, den
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Gregor vor zwei Tagen für ungenießbar erklärt hatte; ein trockenes Brot,
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ein mit Butter beschmiertes Brot und ein mit Butter beschmiertes und
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gesalzenes Brot. Außerdem stellte sie zu dem allen noch den
|
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wahrscheinlich ein für allemal für Gregor bestimmten Napf, in den sie
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Wasser gegossen hatte. Und aus Zartgefühl, da sie wußte, daß Gregor vor
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ihr nicht essen würde, entfernte sie sich eiligst und drehte sogar den
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Schlüssel um, damit nur Gregor merken könne, daß er es sich so behaglich
|
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machen dürfe, wie er wolle. Gregors Beinchen schwirrten, als es jetzt
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zum Essen ging. Seine Wunden mußten übrigens auch schon vollständig
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geheilt sein, er fühlte keine Behinderung mehr, er staunte darüber und
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dachte daran, wie er vor mehr als einem Monat sich mit dem Messer ganz
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wenig in den Finger geschnitten, und wie ihm diese Wunde noch vorgestern
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genug wehgetan hatte. »Sollte ich jetzt weniger Feingefühl haben?«
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dachte er und saugte schon gierig an dem Käse, zu dem es ihn vor allen
|
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anderen Speisen sofort und nachdrücklich gezogen hatte. Rasch
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hintereinander und mit vor Befriedigung tränenden Augen verzehrte er den
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Käse, das Gemüse und die Sauce; die frischen Speisen dagegen schmeckten
|
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ihm nicht, er konnte nicht einmal ihren Geruch vertragen und schleppte
|
||
sogar die Sachen, die er essen wollte, ein Stückchen weiter weg. Er war
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schon längst mit allem fertig und lag nur noch faul auf der gleichen
|
||
Stelle, als die Schwester zum Zeichen, daß er sich zurückziehen solle,
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langsam den Schlüssel umdrehte. Das schreckte ihn sofort auf, trotzdem
|
||
er schon fast schlummerte, und er eilte wieder unter das Kanapee. Aber
|
||
es kostete ihn große Selbstüberwindung, auch nur die kurze Zeit, während
|
||
welcher die Schwester im Zimmer war, unter dem Kanapee zu bleiben, denn
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||
von dem reichlichen Essen hatte sich sein Leib ein wenig gerundet, und
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||
er konnte dort in der Enge kaum atmen. Unter kleinen Erstickungsanfällen
|
||
sah er mit etwas hervorgequollenen Augen zu, wie die nichtsahnende
|
||
Schwester mit einem Besen nicht nur die Überbleibsel zusammenkehrte,
|
||
sondern selbst die von Gregor gar nicht berührten Speisen, als seien
|
||
also auch diese nicht mehr zu gebrauchen, und wie sie alles hastig in
|
||
einen Kübel schüttete, den sie mit einem Holzdeckel schloß, worauf sie
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||
alles hinaustrug. Kaum hatte sie sich umgedreht, zog sich schon Gregor
|
||
unter dem Kanapee hervor und streckte und blähte sich.
|
||
|
||
Auf diese Weise bekam nun Gregor täglich sein Essen, einmal am Morgen,
|
||
wenn die Eltern und das Dienstmädchen noch schliefen, das zweitemal nach
|
||
dem allgemeinen Mittagessen, denn dann schliefen die Eltern gleichfalls
|
||
noch ein Weilchen, und das Dienstmädchen wurde von der Schwester mit
|
||
irgendeiner Besorgung weggeschickt. Gewiß wollten auch sie nicht, daß
|
||
Gregor verhungere, aber vielleicht hätten sie es nicht ertragen können,
|
||
von seinem Essen mehr als durch Hörensagen zu erfahren, vielleicht
|
||
wollte die Schwester ihnen auch eine möglicherweise nur kleine Trauer
|
||
ersparen, denn tatsächlich litten sie ja gerade genug.
|
||
|
||
Mit welchen Ausreden man an jenem ersten Vormittag den Arzt und den
|
||
Schlosser wieder aus der Wohnung geschafft hatte, konnte Gregor gar
|
||
nicht erfahren, denn da er nicht verstanden wurde, dachte niemand daran,
|
||
auch die Schwester nicht, daß er die anderen verstehen könne, und so
|
||
mußte er sich, wenn die Schwester in seinem Zimmer war, damit begnügen,
|
||
nur hier und da ihre Seufzer und Anrufe der Heiligen zu hören. Erst
|
||
später, als sie sich ein wenig an alles gewöhnt hatte -- von
|
||
vollständiger Gewöhnung konnte natürlich niemals die Rede sein --,
|
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erhaschte Gregor manchmal eine Bemerkung, die freundlich gemeint war
|
||
oder so gedeutet werden konnte. »Heute hat es ihm aber geschmeckt,«
|
||
sagte sie, wenn Gregor unter dem Essen tüchtig aufgeräumt hatte, während
|
||
sie im gegenteiligen Fall, der sich allmählich immer häufiger
|
||
wiederholte, fast traurig zu sagen pflegte: »Nun ist wieder alles
|
||
stehengeblieben.«
|
||
|
||
Während aber Gregor unmittelbar keine Neuigkeit erfahren konnte,
|
||
erhorchte er manches aus den Nebenzimmern, und wo er nun einmal Stimmen
|
||
hörte, lief er gleich zu der betreffenden Tür und drückte sich mit
|
||
ganzem Leib an sie. Besonders in der ersten Zeit gab es kein Gespräch,
|
||
das nicht irgendwie wenn auch nur im geheimen, von ihm handelte. Zwei
|
||
Tage lang waren bei allen Mahlzeiten Beratungen darüber zu hören, wie
|
||
man sich jetzt verhalten solle; aber auch zwischen den Mahlzeiten sprach
|
||
man über das gleiche Thema, denn immer waren zumindest zwei
|
||
Familienmitglieder zu Hause, da wohl niemand allein zu Hause bleiben
|
||
wollte und man die Wohnung doch auf keinen Fall gänzlich verlassen
|
||
konnte. Auch hatte das Dienstmädchen gleich am ersten Tag -- es war
|
||
nicht ganz klar, was und wieviel sie von dem Vorgefallenen wußte --
|
||
kniefällig die Mutter gebeten, sie sofort zu entlassen, und als sie sich
|
||
eine Viertelstunde danach verabschiedete, dankte sie für die Entlassung
|
||
unter Tränen, wie für die größte Wohltat, die man ihr hier erwiesen
|
||
hatte, und gab, ohne daß man es von ihr verlangte, einen fürchterlichen
|
||
Schwur ab, niemandem auch nur das geringste zu verraten.
|
||
|
||
Nun mußte die Schwester im Verein mit der Mutter auch kochen; allerdings
|
||
machte das nicht viel Mühe, denn man aß fast nichts. Immer wieder hörte
|
||
Gregor, wie der eine den anderen vergebens zum Essen aufforderte und
|
||
keine andere Antwort bekam, als: »Danke ich habe genug« oder etwas
|
||
Ähnliches. Getrunken wurde vielleicht auch nichts. Öfters fragte die
|
||
Schwester den Vater, ob er Bier haben wolle, und herzlich erbot sie
|
||
sich, es selbst zu holen, und als der Vater schwieg, sagte sie, um ihm
|
||
jedes Bedenken zu nehmen, sie könne auch die Hausmeisterin darum
|
||
schicken, aber dann sagte der Vater schließlich ein großes »Nein«, und
|
||
es wurde nicht mehr davon gesprochen.
|
||
|
||
Schon im Laufe des ersten Tages legte der Vater die ganzen
|
||
Vermögensverhältnisse und Aussichten sowohl der Mutter als auch der
|
||
Schwester dar. Hie und da stand er vom Tische auf und holte aus seiner
|
||
kleinen Wertheimkassa, die er aus dem vor fünf Jahren erfolgten
|
||
Zusammenbruch seines Geschäftes gerettet hatte, irgendeinen Beleg oder
|
||
irgendein Vormerkbuch. Man hörte, wie er das komplizierte Schloß
|
||
aufsperrte und nach Entnahme des Gesuchten wieder verschloß. Diese
|
||
Erklärungen des Vaters waren zum Teil das erste Erfreuliche, was Gregor
|
||
seit seiner Gefangenschaft zu hören bekam. Er war der Meinung gewesen,
|
||
daß dem Vater von jenem Geschäft her nicht das Geringste übriggeblieben
|
||
war, zumindest hatte ihm der Vater nichts Gegenteiliges gesagt, und
|
||
Gregor allerdings hatte ihn auch nicht darum gefragt. Gregors Sorge war
|
||
damals nur gewesen, alles daranzusetzen, um die Familie das
|
||
geschäftliche Unglück, das alle in eine vollständige Hoffnungslosigkeit
|
||
gebracht hatte, möglichst rasch vergessen zu lassen. Und so hatte er
|
||
damals mit ganz besonderem Feuer zu arbeiten angefangen und war fast
|
||
über Nacht aus einem kleinen Kommis ein Reisender geworden, der
|
||
natürlich ganz andere Möglichkeiten des Geldverdienens hatte, und dessen
|
||
Arbeitserfolge sich sofort in Form der Provision zu Bargeld
|
||
verwandelten, das der erstaunten und beglückten Familie zu Hause auf den
|
||
Tisch gelegt werden konnte. Es waren schöne Zeiten gewesen, und niemals
|
||
nachher hatten sie sich, wenigstens in diesem Glanze, wiederholt,
|
||
trotzdem Gregor später so viel Geld verdiente, daß er den Aufwand der
|
||
ganzen Familie zu tragen imstande war und auch trug. Man hatte sich eben
|
||
daran gewöhnt, sowohl die Familie, als auch Gregor, man nahm das Geld
|
||
dankbar an, er lieferte es gern ab, aber eine besondere Wärme wollte
|
||
sich nicht mehr ergeben. Nur die Schwester war Gregor doch noch nahe
|
||
geblieben, und es war sein geheimer Plan, sie, die zum Unterschied von
|
||
Gregor Musik sehr liebte und rührend Violine zu spielen verstand,
|
||
nächstes Jahr, ohne Rücksicht auf die großen Kosten, die das verursachen
|
||
mußte, und die man schon auf andere Weise hereinbringen würde, auf das
|
||
Konservatorium zu schicken. Öfters während der kurzen Aufenthalte
|
||
Gregors in der Stadt wurde in den Gesprächen mit der Schwester das
|
||
Konservatorium erwähnt, aber immer nur als schöner Traum, an dessen
|
||
Verwirklichung nicht zu denken war, und die Eltern hörten nicht einmal
|
||
diese unschuldigen Erwähnungen gern; aber Gregor dachte sehr bestimmt
|
||
daran und beabsichtigte, es am Weihnachtsabend feierlich zu erklären.
|
||
|
||
Solche in seinem gegenwärtigen Zustand ganz nutzlose Gedanken gingen ihm
|
||
durch den Kopf, während er dort aufrecht an der Türe klebte und horchte.
|
||
Manchmal konnte er vor allgemeiner Müdigkeit gar nicht mehr zuhören und
|
||
ließ den Kopf nachlässig gegen die Tür schlagen, hielt ihn aber sofort
|
||
wieder fest, denn selbst das kleine Geräusch, das er damit verursacht
|
||
hatte, war nebenan gehört worden und hatte alle verstummen lassen. »Was
|
||
er nur wieder treibt,« sagte der Vater nach einer Weile, offenbar zur
|
||
Türe hingewendet, und dann erst wurde das unterbrochene Gespräch
|
||
allmählich wieder aufgenommen.
|
||
|
||
Gregor erfuhr nun zur Genüge -- denn der Vater pflegte sich in seinen
|
||
Erklärungen öfters zu wiederholen, teils, weil er selbst sich mit diesen
|
||
Dingen schon lange nicht beschäftigt hatte, teils auch, weil die Mutter
|
||
nicht alles gleich beim erstenmal verstand --, daß trotz allen Unglücks
|
||
ein allerdings ganz kleines Vermögen aus der alten Zeit noch vorhanden
|
||
war, das die nicht angerührten Zinsen in der Zwischenzeit ein wenig
|
||
hatten anwachsen lassen. Außerdem aber war das Geld, das Gregor
|
||
allmonatlich nach Hause gebracht hatte -- er selbst hatte nur ein paar
|
||
Gulden für sich behalten --, nicht vollständig aufgebraucht worden und
|
||
hatte sich zu einem kleinen Kapital angesammelt. Gregor, hinter seiner
|
||
Türe, nickte eifrig, erfreut über diese unerwartete Vorsicht und
|
||
Sparsamkeit. Eigentlich hätte er ja mit diesen überschüssigen Geldern
|
||
die Schuld des Vaters gegenüber dem Chef weiter abgetragen haben können,
|
||
und jener Tag, an dem er diesen Posten hätte loswerden können, wäre weit
|
||
näher gewesen, aber jetzt war es zweifellos besser so, wie es der Vater
|
||
eingerichtet hatte.
|
||
|
||
Nun genügte dieses Geld aber ganz und gar nicht, um die Familie etwa von
|
||
den Zinsen leben zu lassen; es genügte vielleicht, um die Familie ein,
|
||
höchstens zwei Jahre zu erhalten, mehr war es nicht. Es war also bloß
|
||
eine Summe, die man eigentlich nicht angreifen durfte, und die für den
|
||
Notfall zurückgelegt werden mußte; das Geld zum Leben aber mußte man
|
||
verdienen. Nun war aber der Vater ein zwar gesunder, aber alter Mann,
|
||
der schon fünf Jahre nichts gearbeitet hatte und sich jedenfalls nicht
|
||
viel zutrauen durfte; er hatte in diesen fünf Jahren, welche die ersten
|
||
Ferien seines mühevollen und doch erfolglosen Lebens waren, viel Fett
|
||
angesetzt und war dadurch recht schwerfällig geworden. Und die alte
|
||
Mutter sollte nun vielleicht Geld verdienen, die an Asthma litt, der
|
||
eine Wanderung durch die Wohnung schon Anstrengung verursachte, und die
|
||
jeden zweiten Tag in Atembeschwerden auf dem Sofa beim offenen Fenster
|
||
verbrachte? Und die Schwester sollte Geld verdienen, die noch ein Kind
|
||
war mit ihren siebzehn Jahren, und der ihre bisherige Lebensweise so
|
||
sehr zu gönnen war, die daraus bestanden hatte, sich nett zu kleiden,
|
||
lange zu schlafen, in der Wirtschaft mitzuhelfen, an ein paar
|
||
bescheidenen Vergnügungen sich zu beteiligen und vor allem Violine zu
|
||
spielen? Wenn die Rede auf diese Notwendigkeit des Geldverdienens kam,
|
||
ließ zuerst immer Gregor die Türe los und warf sich auf das neben der
|
||
Tür befindliche kühle Ledersofa, denn ihm war ganz heiß vor Beschämung
|
||
und Trauer.
|
||
|
||
Oft lag er dort die ganzen langen Nächte über, schlief keinen Augenblick
|
||
und scharrte nur stundenlang auf dem Leder. Oder er scheute nicht die
|
||
große Mühe, einen Sessel zum Fenster zu schieben, dann die
|
||
Fensterbrüstung hinaufzukriechen und, in den Sessel gestemmt, sich ans
|
||
Fenster zu lehnen, offenbar nur in irgendeiner Erinnerung an das
|
||
Befreiende, das früher für ihn darin gelegen war, aus dem Fenster zu
|
||
schauen. Denn tatsächlich sah er von Tag zu Tag die auch nur ein wenig
|
||
entfernten Dinge immer undeutlicher; das gegenüberliegende Krankenhaus,
|
||
dessen nur allzu häufigen Anblick er früher verflucht hatte, bekam er
|
||
überhaupt nicht mehr zu Gesicht, und wenn er nicht genau gewußt hätte,
|
||
daß er in der stillen, aber völlig städtischen Charlottenstraße wohnte,
|
||
hätte er glauben können, von seinem Fenster aus in eine Einöde zu
|
||
schauen in welcher der graue Himmel und die graue Erde ununterscheidbar
|
||
sich vereinigten. Nur zweimal hatte die aufmerksame Schwester sehen
|
||
müssen, daß der Sessel beim Fenster stand, als sie schon jedesmal,
|
||
nachdem sie das Zimmer aufgeräumt hatte, den Sessel wieder genau zum
|
||
Fenster hinschob, ja sogar von nun ab den inneren Fensterflügel offen
|
||
ließ.
|
||
|
||
Hätte Gregor nur mit der Schwester sprechen und ihr für alles danken
|
||
können, was sie für ihn machen mußte, er hätte ihre Dienste leichter
|
||
ertragen; so aber litt er darunter. Die Schwester suchte freilich die
|
||
Peinlichkeit des Ganzen möglichst zu verwischen, und je längere Zeit
|
||
verging, desto besser gelang es ihr natürlich auch, aber auch Gregor
|
||
durchschaute mit der Zeit alles viel genauer. Schon ihr Eintritt war für
|
||
ihn schrecklich. Kaum war sie eingetreten, lief sie, ohne sich Zeit zu
|
||
nehmen, die Türe zu schließen, so sehr sie sonst darauf achtete, jedem
|
||
den Anblick von Gregors Zimmer zu ersparen, geradewegs zum Fenster und
|
||
riß es, als ersticke sie fast, mit hastigen Händen auf, blieb auch,
|
||
selbst wenn es noch so kalt war, ein Weilchen beim Fenster und atmete
|
||
tief. Mit diesem Laufen und Lärmen erschreckte sie Gregor täglich
|
||
zweimal; die ganze Zeit über zitterte er unter dem Kanapee und wußte
|
||
doch sehr gut, daß sie ihn gewiß gerne damit verschont hätte, wenn es
|
||
ihr nur möglich gewesen wäre, sich in einem Zimmer, in dem sich Gregor
|
||
befand, bei geschlossenem Fenster aufzuhalten.
|
||
|
||
Einmal, es war wohl schon ein Monat seit Gregors Verwandlung vergangen,
|
||
und es war doch schon für die Schwester kein besonderer Grund mehr, über
|
||
Gregors Aussehen in Erstaunen zu geraten, kam sie ein wenig früher als
|
||
sonst und traf Gregor noch an, wie er, unbeweglich und so recht zum
|
||
Erschrecken aufgestellt, aus dem Fenster schaute. Es wäre für Gregor
|
||
nicht unerwartet gewesen, wenn sie nicht eingetreten wäre, da er sie
|
||
durch seine Stellung verhinderte, sofort das Fenster zu öffnen, aber sie
|
||
trat nicht nur nicht ein, sie fuhr sogar zurück und schloß die Tür; ein
|
||
Fremder hätte geradezu denken können, Gregor habe ihr aufgelauert und
|
||
habe sie beißen wollen. Gregor versteckte sich natürlich sofort unter
|
||
dem Kanapee, aber er mußte bis zum Mittag warten, ehe die Schwester
|
||
wiederkam, und sie schien viel unruhiger als sonst. Er erkannte daraus,
|
||
daß ihr sein Anblick noch immer unerträglich war und ihr auch weiterhin
|
||
unerträglich bleiben müsse, und daß sie sich wohl sehr überwinden mußte,
|
||
vor dem Anblick auch nur der kleinen Partie seines Körpers nicht
|
||
davonzulaufen, mit der er unter dem Kanapee hervorragte. Um ihr auch
|
||
diesen Anblick zu ersparen, trug er eines Tages auf seinem Rücken -- er
|
||
brauchte zu dieser Arbeit vier Stunden -- das Leintuch auf das Kanapee
|
||
und ordnete es in einer solchen Weise an, daß er nun gänzlich verdeckt
|
||
war, und daß die Schwester, selbst wenn sie sich bückte, ihn nicht sehen
|
||
konnte. Wäre dieses Leintuch ihrer Meinung nach nicht nötig gewesen,
|
||
dann hätte sie es ja entfernen können, denn daß es nicht zum Vergnügen
|
||
Gregors gehören konnte, sich so ganz und gar abzusperren, war doch klar
|
||
genug, aber sie ließ das Leintuch, so wie es war, und Gregor glaubte
|
||
sogar einen dankbaren Blick erhascht zu haben, als er einmal mit dem
|
||
Kopf vorsichtig das Leintuch ein wenig lüftete, um nachzusehen, wie die
|
||
Schwester die neue Einrichtung aufnahm.
|
||
|
||
In den ersten vierzehn Tagen konnten es die Eltern nicht über sich
|
||
bringen, zu ihm hereinzukommen, und er hörte oft, wie sie die jetzige
|
||
Arbeit der Schwester völlig anerkannten, während sie sich bisher häufig
|
||
über die Schwester geärgert hatten, weil sie ihnen als ein etwas
|
||
nutzloses Mädchen erschienen war. Nun aber warteten oft beide, der Vater
|
||
und die Mutter, vor Gregors Zimmer, während die Schwester dort
|
||
aufräumte, und kaum war sie herausgekommen, mußte sie ganz genau
|
||
erzählen, wie es in dem Zimmer aussah, was Gregor gegessen hatte, wie er
|
||
sich diesmal benommen hatte, und ob vielleicht eine kleine Besserung zu
|
||
bemerken war. Die Mutter übrigens wollte verhältnismäßig bald Gregor
|
||
besuchen, aber der Vater und die Schwester hielten sie zuerst mit
|
||
Vernunftgründen zurück, denen Gregor sehr aufmerksam zuhörte, und die er
|
||
vollständig billigte. Später aber mußte man sie mit Gewalt zurückhalten,
|
||
und wenn sie dann rief: »Laßt mich doch zu Gregor, er ist ja mein
|
||
unglücklicher Sohn! Begreift ihr es denn nicht, daß ich zu ihm muß?«,
|
||
dann dachte Gregor, daß es vielleicht doch gut wäre, wenn die Mutter
|
||
hereinkäme, nicht jeden Tag natürlich, aber vielleicht einmal in der
|
||
Woche; sie verstand doch alles viel besser als die Schwester, die trotz
|
||
all ihrem Mute doch nur ein Kind war und im letzten Grunde vielleicht
|
||
nur aus kindlichem Leichtsinn eine so schwere Aufgabe übernommen hatte.
|
||
|
||
Der Wunsch Gregors, die Mutter zu sehen, ging bald in Erfüllung. Während
|
||
des Tages wollte Gregor schon aus Rücksicht auf seine Eltern sich nicht
|
||
beim Fenster zeigen, kriechen konnte er aber auf den paar Quadratmetern
|
||
des Fußbodens auch nicht viel, das ruhige Liegen ertrug er schon während
|
||
der Nacht schwer, das Essen machte ihm bald nicht mehr das geringste
|
||
Vergnügen, und so nahm er zur Zerstreuung die Gewohnheit an, kreuz und
|
||
quer über Wände und Plafond zu kriechen. Besonders oben an der Decke
|
||
hing er gern; es war ganz anders, als das Liegen auf dem Fußboden; man
|
||
atmete freier; ein leichtes Schwingen ging durch den Körper, und in der
|
||
fast glücklichen Zerstreutheit, in der sich Gregor dort oben befand,
|
||
konnte es geschehen, daß er zu seiner eigenen Überraschung sich losließ
|
||
und auf den Boden klatschte. Aber nun hatte er natürlich seinen Körper
|
||
ganz anders in der Gewalt als früher und beschädigte sich selbst bei
|
||
einem so großen Falle nicht. Die Schwester nun bemerkte sofort die neue
|
||
Unterhaltung, die Gregor für sich gefunden hatte -- er hinterließ ja
|
||
auch beim Kriechen hie und da Spuren seines Klebstoffes --, und da
|
||
setzte sie es sich in den Kopf, Gregor das Kriechen in größtem Ausmaße
|
||
zu ermöglichen und die Möbel, die es verhinderten, also vor allem den
|
||
Kasten und den Schreibtisch, wegzuschaffen. Nun war sie aber nicht
|
||
imstande, dies allein zu tun; den Vater wagte sie nicht um Hilfe zu
|
||
bitten; das Dienstmädchen hätte ihr ganz gewiß nicht geholfen, denn
|
||
dieses etwa sechzehnjährige Mädchen harrte zwar tapfer seit Entlassung
|
||
der früheren Köchin aus, hatte aber um die Vergünstigung gebeten, die
|
||
Küche unaufhörlich versperrt halten zu dürfen und nur auf besonderen
|
||
Anruf öffnen zu müssen; so blieb der Schwester also nichts übrig, als
|
||
einmal in Abwesenheit des Vaters die Mutter zu holen. Mit Ausrufen
|
||
erregter Freude kam die Mutter auch heran, verstummte aber an der Tür
|
||
vor Gregors Zimmer. Zuerst sah natürlich die Schwester nach, ob alles im
|
||
Zimmer in Ordnung war; dann erst ließ sie die Mutter eintreten. Gregor
|
||
hatte in größter Eile das Leintuch noch tiefer und mehr in Falten
|
||
gezogen, das Ganze sah wirklich nur wie ein zufällig über das Kanapee
|
||
geworfenes Leintuch aus. Gregor unterließ auch diesmal, unter dem
|
||
Leintuch zu spionieren; er verzichtete darauf, die Mutter schon diesmal
|
||
zu sehen, und war nur froh, daß sie nun doch gekommen war. »Komm nur,
|
||
man sieht ihn nicht,« sagte die Schwester, und offenbar führte sie die
|
||
Mutter an der Hand. Gregor hörte nun, wie die zwei schwachen Frauen den
|
||
immerhin schweren alten Kasten von seinem Platze rückten, und wie die
|
||
Schwester immerfort den größten Teil der Arbeit für sich beanspruchte,
|
||
ohne auf die Warnungen der Mutter zu hören, welche fürchtete, daß sie
|
||
sich überanstrengen werde. Es dauerte sehr lange. Wohl nach schon
|
||
viertelstündiger Arbeit sagte die Mutter, man solle den Kasten doch
|
||
lieber hier lassen, denn erstens sei er zu schwer, sie würden vor
|
||
Ankunft des Vaters nicht fertig werden und mit dem Kasten in der Mitte
|
||
des Zimmers Gregor jeden Weg verrammeln, zweitens aber sei es doch gar
|
||
nicht sicher, daß Gregor mit der Entfernung der Möbel ein Gefallen
|
||
geschehe. Ihr scheine das Gegenteil der Fall zu sein; ihr bedrücke der
|
||
Anblick der leeren Wand geradezu das Herz; und warum solle nicht auch
|
||
Gregor diese Empfindung haben, da er doch an die Zimmermöbel längst
|
||
gewöhnt sei und sich deshalb im leeren Zimmer verlassen fühlen werde.
|
||
»Und ist es dann nicht so,« schloß die Mutter ganz leise, wie sie
|
||
überhaupt fast flüsterte, als wolle sie vermeiden, daß Gregor, dessen
|
||
genauen Aufenthalt sie ja nicht kannte, auch nur den Klang der Stimme
|
||
höre, denn daß er die Worte nicht verstand, davon war sie überzeugt,
|
||
»und ist es nicht so, als ob wir durch die Entfernung der Möbel zeigten,
|
||
daß wir jede Hoffnung auf Besserung aufgeben und ihn rücksichtslos sich
|
||
selbst überlassen? Ich glaube, es wäre das beste, wir suchen das Zimmer
|
||
genau in dem Zustand zu erhalten, in dem es früher war, damit Gregor,
|
||
wenn er wieder zu uns zurückkommt, alles unverändert findet und um so
|
||
leichter die Zwischenzeit vergessen kann.«
|
||
|
||
Beim Anhören dieser Worte der Mutter erkannte Gregor, daß der Mangel
|
||
jeder unmittelbaren menschlichen Ansprache, verbunden mit dem
|
||
einförmigen Leben inmitten der Familie, im Laufe dieser zwei Monate
|
||
seinen Verstand hatte verwirren müssen, denn anders konnte er es sich
|
||
nicht erklären, daß er ernsthaft darnach hatte verlangen können, daß
|
||
sein Zimmer ausgeleert würde. Hatte er wirklich Lust, das warme, mit
|
||
ererbten Möbeln gemütlich ausgestattete Zimmer in eine Höhle verwandeln
|
||
zu lassen, in der er dann freilich nach allen Richtungen ungestört würde
|
||
kriechen können, jedoch auch unter gleichzeitigem, schnellen, gänzlichen
|
||
Vergessen seiner menschlichen Vergangenheit? War er doch jetzt schon
|
||
nahe daran, zu vergessen, und nur die seit langem nicht gehörte Stimme
|
||
der Mutter hatte ihn aufgerüttelt. Nichts sollte entfernt werden, alles
|
||
mußte bleiben, die guten Einwirkungen der Möbel auf seinen Zustand
|
||
konnte er nicht entbehren; und wenn die Möbel ihn hinderten, das
|
||
sinnlose Herumkriechen zu betreiben, so war es kein Schaden, sondern ein
|
||
großer Vorteil.
|
||
|
||
Aber die Schwester war leider anderer Meinung; sie hatte sich,
|
||
allerdings nicht ganz unberechtigt, angewöhnt, bei Besprechung der
|
||
Angelegenheiten Gregors als besonders Sachverständige gegenüber den
|
||
Eltern aufzutreten, und so war auch jetzt der Rat der Mutter für die
|
||
Schwester Grund genug, auf der Entfernung nicht nur des Kastens und des
|
||
Schreibtisches, an die sie zuerst allein gedacht hatte, sondern auf der
|
||
Entfernung sämtlicher Möbel, mit Ausnahme des unentbehrlichen Kanapees,
|
||
zu bestehen. Es war natürlich nicht nur kindlicher Trotz und das in der
|
||
letzten Zeit so unerwartet und schwer erworbene Selbstvertrauen, das sie
|
||
zu dieser Forderung bestimmte; sie hatte doch auch tatsächlich
|
||
beobachtet, daß Gregor viel Raum zum Kriechen brauchte, dagegen die
|
||
Möbel, soweit man sehen konnte, nicht im geringsten benützte. Vielleicht
|
||
aber spielte auch der schwärmerische Sinn der Mädchen ihres Alters mit,
|
||
der bei jeder Gelegenheit seine Befriedigung sucht, und durch den Grete
|
||
jetzt sich dazu verlocken ließ, die Lage Gregors noch
|
||
schreckenerregender machen zu wollen, um dann noch mehr als bis jetzt
|
||
für ihn leisten zu können. Denn in einem Raum, in dem Gregor ganz allein
|
||
die leeren Wände beherrschte, würde wohl kein Mensch außer Grete jemals
|
||
einzutreten sich getrauen.
|
||
|
||
Und so ließ sie sich von ihrem Entschlusse durch die Mutter nicht
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||
abbringen, die auch in diesem Zimmer vor lauter Unruhe unsicher schien,
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bald verstummte und der Schwester nach Kräften beim Hinausschaffen des
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Kastens half. Nun, den Kasten konnte Gregor im Notfall noch entbehren,
|
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aber schon der Schreibtisch mußte bleiben. Und kaum hatten die Frauen
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mit dem Kasten, an dem sie sich ächzend drückten, das Zimmer verlassen,
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als Gregor den Kopf unter dem Kanapee hervorstieß, um zu sehen, wie er
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vorsichtig und möglichst rücksichtsvoll eingreifen könnte. Aber zum
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Unglück war es gerade die Mutter, welche zuerst zurückkehrte, während
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Grete im Nebenzimmer den Kasten umfangen hielt und ihn allein hin und
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her schwang, ohne ihn natürlich von der Stelle zu bringen. Die Mutter
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aber war Gregors Anblick nicht gewöhnt, er hätte sie krank machen
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können, und so eilte Gregor erschrocken im Rückwärtslauf bis an das
|
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andere Ende des Kanapees, konnte es aber nicht mehr verhindern, daß das
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Leintuch vorne ein wenig sich bewegte. Das genügte, um die Mutter
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aufmerksam zu machen. Sie stockte, stand einen Augenblick still und ging
|
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dann zu Grete zurück.
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Trotzdem sich Gregor immer wieder sagte, daß ja nichts Außergewöhnliches
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geschehe, sondern nur ein paar Möbel umgestellt würden, wirkte doch, wie
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er sich bald eingestehen mußte, dieses Hin- und Hergehen der Frauen,
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ihre kleinen Zurufe, das Kratzen der Möbel auf dem Boden, wie ein
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großer, von allen Seiten genährter Trubel auf ihn, und er mußte sich, so
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fest er Kopf und Beine an sich zog und den Leib bis an den Boden
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drückte, unweigerlich sagen, daß er das Ganze nicht lange aushalten
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werde. Sie räumten ihm sein Zimmer aus; nahmen ihm alles, was ihm lieb
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war; den Kasten, in dem die Laubsäge und andere Werkzeuge lagen, hatten
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sie schon hinausgetragen; lockerten jetzt den schon im Boden fest
|
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eingegrabenen Schreibtisch, an dem er als Handelsakademiker, als
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Bürgerschüler, ja sogar schon als Volksschüler seine Aufgaben
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geschrieben hatte, -- da hatte er wirklich keine Zeit mehr, die guten
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Absichten zu prüfen, welche die zwei Frauen hatten, deren Existenz er
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übrigens fast vergessen hatte, denn vor Erschöpfung arbeiteten sie schon
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stumm, und man hörte nur das schwere Tappen ihrer Füße.
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||
Und so brach er denn hervor -- die Frauen stützten sich gerade im
|
||
Nebenzimmer an den Schreibtisch, um ein wenig zu verschnaufen --,
|
||
wechselte viermal die Richtung des Laufes, er wußte wirklich nicht, was
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||
er zuerst retten sollte, da sah er an der im übrigen schon leeren Wand
|
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auffallend das Bild der in lauter Pelzwerk gekleideten Dame hängen,
|
||
kroch eilends hinauf und preßte sich an das Glas, das ihn festhielt und
|
||
seinem heißen Bauch wohltat. Dieses Bild wenigstens, das Gregor jetzt
|
||
ganz verdeckte, würde nun gewiß niemand wegnehmen. Er verdrehte den Kopf
|
||
nach der Tür des Wohnzimmers, um die Frauen bei ihrer Rückkehr zu
|
||
beobachten.
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||
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Sie hatten sich nicht viel Ruhe gegönnt und kamen schon wieder; Grete
|
||
hatte den Arm um die Mutter gelegt und trug sie fast. »Also was nehmen
|
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wir jetzt?« sagte Grete und sah sich um, Da kreuzten sich ihre Blicke
|
||
mit denen Gregors an der Wand. Wohl nur infolge der Gegenwart der Mutter
|
||
behielt sie ihre Fassung, beugte ihr Gesicht zur Mutter, um diese vom
|
||
Herumschauen abzuhalten, und sagte, allerdings zitternd und unüberlegt:
|
||
»Komm, wollen wir nicht lieber auf einen Augenblick noch ins Wohnzimmer
|
||
zurückgehen?« Die Absicht Gretes war für Gregor klar, sie wollte die
|
||
Mutter in Sicherheit bringen und dann ihn von der Wand hinunterjagen.
|
||
Nun, sie konnte es ja immerhin versuchen! Er saß auf seinem Bild und
|
||
gab es nicht her. Lieber würde er Grete ins Gesicht springen.
|
||
|
||
Aber Gretes Worte hatten die Mutter erst recht beunruhigt, sie trat zur
|
||
Seite, erblickte den riesigen braunen Fleck auf der geblümten Tapete,
|
||
rief, ehe ihr eigentlich zum Bewußtsein kam, daß das Gregor war, was sie
|
||
sah, mit schreiender, rauher Stimme: »Ach Gott, ach Gott!« und fiel mit
|
||
ausgebreiteten Armen, als gebe sie alles auf, über das Kanapee hin und
|
||
rührte sich nicht. »Du, Gregor!« rief die Schwester mit erhobener Faust
|
||
und eindringlichen Blicken. Es waren seit der Verwandlung die ersten
|
||
Worte, die sie unmittelbar an ihn gerichtet hatte. Sie lief ins
|
||
Nebenzimmer, um irgendeine Essenz zu holen, mit der sie die Mutter aus
|
||
ihrer Ohnmacht wecken könnte; Gregor wollte auch helfen -- zur Rettung
|
||
des Bildes war noch Zeit --; er klebte aber fest an dem Glas und mußte
|
||
sich mit Gewalt losreißen; er lief dann auch ins Nebenzimmer, als könne
|
||
er der Schwester irgendeinen Rat geben, wie in früherer Zeit; mußte aber
|
||
dann untätig hinter ihr stehen; während sie in verschiedenen Fläschchen
|
||
kramte, erschreckte sie noch, als sie sich umdrehte; eine Flasche fiel
|
||
auf den Boden und zerbrach; ein Splitter verletzte Gregor im Gesicht,
|
||
irgendeine ätzende Medizin umfloß ihn; Grete nahm nun, ohne sich länger
|
||
aufzuhalten, so viele Fläschchen, als sie nur halten konnte, und rannte
|
||
mit ihnen zur Mutter hinein; die Tür schlug sie mit dem Fuße zu. Gregor
|
||
war nun von der Mutter abgeschlossen, die durch seine Schuld vielleicht
|
||
dem Tode nahe war; die Tür durfte er nicht öffnen, wollte er die
|
||
Schwester, die bei der Mutter bleiben mußte, nicht verjagen; er hatte
|
||
jetzt nichts zu tun, als zu warten; und von Selbstvorwürfen und
|
||
Besorgnis bedrängt, begann er zu kriechen, überkroch alles, Wände,
|
||
Möbel und Zimmerdecke und fiel endlich in seiner Verzweiflung, als sich
|
||
das ganze Zimmer schon um ihn zu drehen anfing, mitten auf den großen
|
||
Tisch.
|
||
|
||
Es verging eine kleine Weile, Gregor lag matt da, ringsherum war es
|
||
still, vielleicht war das ein gutes Zeichen. Da läutete es. Das Mädchen
|
||
war natürlich in ihrer Küche eingesperrt und Grete mußte daher öffnen
|
||
gehen. Der Vater war gekommen. »Was ist geschehen?« waren seine ersten
|
||
Worte; Gretes Aussehen hatte ihm wohl alles verraten. Grete antwortete
|
||
mit dumpfer Stimme, offenbar drückte sie ihr Gesicht an des Vaters
|
||
Brust: »Die Mutter war ohnmächtig, aber es geht ihr schon besser. Gregor
|
||
ist ausgebrochen.« »Ich habe es ja erwartet,« sagte der Vater, »ich habe
|
||
es euch ja immer gesagt, aber ihr Frauen wollt nicht hören.« Gregor war
|
||
es klar, daß der Vater Gretes allzukurze Mitteilung schlecht gedeutet
|
||
hatte und annahm, daß Gregor sich irgendeine Gewalttat habe zuschulden
|
||
kommen lassen. Deshalb mußte Gregor den Vater jetzt zu besänftigen
|
||
suchen, denn ihn aufzuklären hatte er weder Zeit noch Möglichkeit. Und
|
||
so flüchtete er sich zur Tür seines Zimmers und drückte sich an sie,
|
||
damit der Vater beim Eintritt vom Vorzimmer her gleich sehen könne, daß
|
||
Gregor die beste Absicht habe, sofort in sein Zimmer zurückzukehren, und
|
||
daß es nicht nötig sei, ihn zurückzutreiben, sondern daß man nur die Tür
|
||
zu öffnen brauchte, und gleich werde er verschwinden.
|
||
|
||
Aber der Vater war nicht in der Stimmung, solche Feinheiten zu bemerken.
|
||
»Ah!« rief er gleich beim Eintritt in einem Tone, als sei er
|
||
gleichzeitig wütend und froh. Gregor zog den Kopf von der Tür zurück und
|
||
hob ihn gegen den Vater. So hatte er sich den Vater wirklich nicht
|
||
vorgestellt, wie er jetzt dastand; allerdings hatte er in der letzten
|
||
Zeit über dem neuartigen Herumkriechen versäumt, sich so wie früher um
|
||
die Vorgänge in der übrigen Wohnung zu kümmern, und hätte eigentlich
|
||
darauf gefaßt sein müssen, veränderte Verhältnisse anzutreffen.
|
||
Trotzdem, trotzdem, war das noch der Vater? Der gleiche Mann, der müde
|
||
im Bett vergraben lag, wenn früher Gregor zu einer Geschäftsreise
|
||
ausgerückt war; der ihn an Abenden der Heimkehr im Schlafrock im
|
||
Lehnstuhl empfangen hatte; gar nicht recht imstande war, aufzustehen,
|
||
sondern zum Zeichen der Freude nur die Arme gehoben hatte, und der bei
|
||
den seltenen gemeinsamen Spaziergängen an ein paar Sonntagen im Jahr und
|
||
an den höchsten Feiertagen zwischen Gregor und der Mutter, die schon an
|
||
und für sich langsam gingen, immer noch ein wenig langsamer, in seinen
|
||
alten Mantel eingepackt, mit stets vorsichtig aufgesetztem Krückstock
|
||
sich vorwärts arbeitete und, wenn er etwas sagen wollte, fast immer
|
||
stillstand und seine Begleitung um sich versammelte? Nun aber war er
|
||
doch gut aufgerichtet; in eine straffe blaue Uniform mit Goldknöpfen
|
||
gekleidet, wie sie Diener der Bankinstitute tragen; über dem hohen
|
||
steifen Kragen des Rockes entwickelte sich sein starkes Doppelkinn;
|
||
unter den buschigen Augenbrauen drang der Blick der schwarzen Augen
|
||
frisch und aufmerksam hervor; das sonst zerzauste weiße Haar war zu
|
||
einer peinlich genauen, leuchtenden Scheitelfrisur niedergekämmt. Er
|
||
warf seine Mütze, auf der ein Goldmonogramm, wahrscheinlich das einer
|
||
Bank, angebracht war, über das ganze Zimmer im Bogen auf das Kanapee hin
|
||
und ging, die Enden seines langen Uniformrockes zurückgeschlagen, die
|
||
Hände in den Hosentaschen, mit verbissenem Gesicht auf Gregor zu. Er
|
||
wußte wohl selbst nicht, was er vorhatte; immerhin hob er die Füße
|
||
ungewöhnlich hoch, und Gregor staunte über die Riesengröße seiner
|
||
Stiefelsohlen. Doch hielt er sich dabei nicht auf, er wußte ja noch vom
|
||
ersten Tage seines neuen Lebens her, daß der Vater ihm gegenüber nur die
|
||
größte Strenge für angebracht ansah. Und so lief er vor dem Vater her,
|
||
stockte, wenn der Vater stehen blieb, und eilte schon wieder vorwärts,
|
||
wenn sich der Vater nur rührte. So machten sie mehrmals die Runde um das
|
||
Zimmer, ohne daß sich etwas Entscheidendes ereignete, ja ohne daß das
|
||
Ganze infolge seines langsamen Tempos den Anschein einer Verfolgung
|
||
gehabt hätte. Deshalb blieb auch Gregor vorläufig auf dem Fußboden,
|
||
zumal er fürchtete, der Vater könnte eine Flucht auf die Wände oder den
|
||
Plafond für besondere Bosheit halten. Allerdings mußte sich Gregor
|
||
sagen, daß er sogar dieses Laufen nicht lange aushalten würde, denn
|
||
während der Vater einen Schritt machte, mußte er eine Unzahl von
|
||
Bewegungen ausführen. Atemnot begann sich schon bemerkbar zu machen, wie
|
||
er ja auch in seiner früheren Zeit keine ganz vertrauenswürdige Lunge
|
||
besessen hatte. Als er nun so dahintorkelte, um alle Kräfte für den Lauf
|
||
zu sammeln, kaum die Augen offenhielt; in seiner Stumpfheit an eine
|
||
andere Rettung als durch Laufen gar nicht dachte; und fast schon
|
||
vergessen hatte, daß ihm die Wände freistanden, die hier allerdings mit
|
||
sorgfältig geschnitzten Möbeln voll Zacken und Spitzen verstellt waren
|
||
-- da flog knapp neben ihm, leicht geschleudert, irgend etwas nieder und
|
||
rollte vor ihm her. Es war ein Apfel; gleich flog ihm ein zweiter nach;
|
||
Gregor blieb vor Schrecken stehen; ein Weiterlaufen war nutzlos, denn
|
||
der Vater hatte sich entschlossen, ihn zu bombardieren. Aus der
|
||
Obstschale auf der Kredenz hatte er sich die Taschen gefüllt und warf
|
||
nun, ohne vorläufig scharf zu zielen, Apfel für Apfel. Diese kleinen
|
||
roten Äpfel rollten wie elektrisiert auf dem Boden herum und stießen
|
||
aneinander. Ein schwach geworfener Apfel streifte Gregors Rücken, glitt
|
||
aber unschädlich ab. Ein ihm sofort nachfliegender drang dagegen
|
||
förmlich in Gregors Rücken ein; Gregor wollte sich weiterschleppen, als
|
||
könne der überraschende unglaubliche Schmerz mit dem Ortswechsel
|
||
vergehen; doch fühlte er sich wie festgenagelt und streckte sich in
|
||
vollständiger Verwirrung aller Sinne. Nur mit dem letzten Blick sah er
|
||
noch, wie die Tür seines Zimmers aufgerissen wurde, und vor der
|
||
schreienden Schwester die Mutter hervoreilte, im Hemd, denn die
|
||
Schwester hatte sie entkleidet, um ihr in der Ohnmacht Atemfreiheit zu
|
||
verschaffen, wie dann die Mutter auf den Vater zulief und ihr auf dem
|
||
Weg die aufgebundenen Röcke einer nach dem anderen zu Boden glitten, und
|
||
wie sie stolpernd über die Röcke auf den Vater eindrang und ihn
|
||
umarmend, in gänzlicher Vereinigung mit ihm -- nun versagte aber Gregors
|
||
Sehkraft schon -- die Hände an des Vaters Hinterkopf um Schonung von
|
||
Gregors Leben bat.
|
||
|
||
|
||
|
||
|
||
III.
|
||
|
||
|
||
Die schwere Verwundung Gregors, an der er über einen Monat litt -- der
|
||
Apfel blieb, da ihn niemand zu entfernen wagte, als sichtbares Andenken
|
||
im Fleische sitzen --, schien selbst den Vater daran erinnert zu haben,
|
||
daß Gregor trotz seiner gegenwärtigen traurigen und ekelhaften Gestalt
|
||
ein Familienglied war, das man nicht wie einen Feind behandeln durfte,
|
||
sondern dem gegenüber es das Gebot der Familienpflicht war, den
|
||
Widerwillen hinunterzuschlucken und zu dulden, nichts als dulden.
|
||
|
||
Und wenn nun auch Gregor durch seine Wunde an Beweglichkeit
|
||
wahrscheinlich für immer verloren hatte und vorläufig zur Durchquerung
|
||
seines Zimmers wie ein alter Invalide lange, lange Minuten brauchte --
|
||
an das Kriechen in der Höhe war nicht zu denken --, so bekam er für
|
||
diese Verschlimmerung seines Zustandes einen seiner Meinung nach
|
||
vollständig genügenden Ersatz dadurch, daß immer gegen Abend die
|
||
Wohnzimmertür, die er schon ein bis zwei Stunden vorher scharf zu
|
||
beobachten pflegte, geöffnet wurde, so daß er, im Dunkel seines Zimmers
|
||
liegend, vom Wohnzimmer aus unsichtbar, die ganze Familie beim
|
||
beleuchteten Tische sehen und ihre Reden, gewissermaßen mit allgemeiner
|
||
Erlaubnis, also ganz anders als früher, anhören durfte.
|
||
|
||
Freilich waren es nicht mehr die lebhaften Unterhaltungen der früheren
|
||
Zeiten, an die Gregor in den kleinen Hotelzimmern stets mit einigem
|
||
Verlangen gedacht hatte, wenn er sich müde in das feuchte Bettzeug hatte
|
||
werfen müssen. Es ging jetzt meist nur sehr still zu. Der Vater schlief
|
||
bald nach dem Nachtessen in seinem Sessel ein; die Mutter und Schwester
|
||
ermahnten einander zur Stille; die Mutter nähte, weit über das Licht
|
||
vorgebeugt, feine Wäsche für ein Modengeschäft; die Schwester, die eine
|
||
Stellung als Verkäuferin angenommen hatte, lernte am Abend Stenographie
|
||
und Französisch, um vielleicht später einmal einen besseren Posten zu
|
||
erreichen. Manchmal wachte der Vater auf, und als wisse er gar nicht,
|
||
daß er geschlafen habe, sagte er zur Mutter: »Wie lange du heute schon
|
||
wieder nähst!« und schlief sofort wieder ein, während Mutter und
|
||
Schwester einander müde zulächelten.
|
||
|
||
Mit einer Art Eigensinn weigerte sich der Vater, auch zu Hause seine
|
||
Dieneruniform abzulegen; und während der Schlafrock nutzlos am
|
||
Kleiderhaken hing, schlummerte der Vater vollständig angezogen auf
|
||
seinem Platz, als sei er immer zu seinem Dienste bereit und warte auch
|
||
hier auf die Stimme des Vorgesetzten. Infolgedessen verlor die gleich
|
||
anfangs nicht neue Uniform trotz aller Sorgfalt von Mutter und Schwester
|
||
an Reinlichkeit, und Gregor sah oft ganze Abende lang auf dieses über
|
||
und über fleckige, mit seinen stets geputzten Goldknöpfen leuchtende
|
||
Kleid, in dem der alte Mann höchst unbequem und doch ruhig schlief.
|
||
|
||
Sobald die Uhr zehn schlug, suchte die Mutter durch leise Zusprache den
|
||
Vater zu wecken und dann zu überreden, ins Bett zu gehen, denn hier war
|
||
es doch kein richtiger Schlaf und diesen hatte der Vater, der um sechs
|
||
Uhr seinen Dienst antreten mußte, äußerst nötig. Aber in dem Eigensinn,
|
||
der ihn, seitdem er Diener war, ergriffen hatte, bestand er immer
|
||
darauf, noch länger bei Tisch zu bleiben, trotzdem er regelmäßig
|
||
einschlief, und war dann überdies nur mit der größten Mühe zu bewegen,
|
||
den Sessel mit dem Bett zu vertauschen. Da mochten Mutter und Schwester
|
||
mit kleinen Ermahnungen noch so sehr auf ihn eindringen,
|
||
viertelstundenlang schüttelte er langsam den Kopf, hielt die Augen
|
||
geschlossen und stand nicht auf. Die Mutter zupfte ihn am Ärmel, sagte
|
||
ihm Schmeichelworte ins Ohr, die Schwester verließ ihre Aufgabe, um der
|
||
Mutter zu helfen, aber beim Vater verfing das nicht. Er versank nur noch
|
||
tiefer in seinen Sessel. Erst bis ihn die Frauen unter den Achseln
|
||
faßten, schlug er die Augen auf, sah abwechselnd die Mutter und die
|
||
Schwester an und pflegte zu sagen: »Das ist ein Leben. Das ist die Ruhe
|
||
meiner alten Tage.« Und auf die beiden Frauen gestützt, erhob er sich,
|
||
umständlich, als sei er für sich selbst die größte Last, ließ sich von
|
||
den Frauen bis zur Türe führen, winkte ihnen dort ab und ging nun
|
||
selbständig weiter, während die Mutter ihr Nähzeug, die Schwester ihre
|
||
Feder eiligst hinwarfen, um hinter dem Vater zu laufen und ihm weiter
|
||
behilflich zu sein.
|
||
|
||
Wer hatte in dieser abgearbeiteten und übermüdeten Familie Zeit, sich um
|
||
Gregor mehr zu kümmern, als unbedingt nötig war? Der Haushalt wurde
|
||
immer mehr eingeschränkt; das Dienstmädchen wurde nun doch entlassen;
|
||
eine riesige knochige Bedienerin mit weißem, den Kopf umflatterndem Haar
|
||
kam des Morgens und des Abends, um die schwerste Arbeit zu leisten;
|
||
alles andere besorgte die Mutter neben ihrer vielen Näharbeit. Es
|
||
geschah sogar, daß verschiedene Familienschmuckstücke, welche früher die
|
||
Mutter und die Schwester überglücklich bei Unterhaltungen und
|
||
Feierlichkeiten getragen hatten, verkauft wurden, wie Gregor am Abend
|
||
aus der allgemeinen Besprechung der erzielten Preise erfuhr. Die größte
|
||
Klage war aber stets, daß man diese für die gegenwärtigen Verhältnisse
|
||
allzugroße Wohnung nicht verlassen konnte, da es nicht auszudenken war,
|
||
wie man Gregor übersiedeln sollte. Aber Gregor sah wohl ein, daß es
|
||
nicht nur die Rücksicht auf ihn war, welche eine Übersiedlung
|
||
verhinderte, denn ihn hätte man doch in einer passenden Kiste mit ein
|
||
paar Luftlöchern leicht transportieren können; was die Familie
|
||
hauptsächlich vom Wohnungswechsel abhielt, war vielmehr die völlige
|
||
Hoffnungslosigkeit und der Gedanke daran, daß sie mit einem Unglück
|
||
geschlagen war, wie niemand sonst im ganzen Verwandten- und
|
||
Bekanntenkreis. Was die Welt von armen Leuten verlangt, erfüllten sie
|
||
bis zum äußersten, der Vater holte den kleinen Bankbeamten das
|
||
Frühstück, die Mutter opferte sich für die Wäsche fremder Leute, die
|
||
Schwester lief nach dem Befehl der Kunden hinter dem Pulte hin und her,
|
||
aber weiter reichten die Kräfte der Familie schon nicht. Und die Wunde
|
||
im Rücken fing Gregor wie neu zu schmerzen an, wenn Mutter und
|
||
Schwester, nachdem sie den Vater zu Bett gebracht hatten, nun
|
||
zurückkehrten, die Arbeit liegen ließen, nahe zusammenrückten, schon
|
||
Wange an Wange saßen; wenn jetzt die Mutter, auf Gregors Zimmer zeigend,
|
||
sagte: »Mach' dort die Tür zu, Grete,« und wenn nun Gregor wieder im
|
||
Dunkel war, während nebenan die Frauen ihre Tränen vermischten oder gar
|
||
tränenlos den Tisch anstarrten.
|
||
|
||
Die Nächte und Tage verbrachte Gregor fast ganz ohne Schlaf. Manchmal
|
||
dachte er daran, beim nächsten Öffnen der Tür die Angelegenheiten der
|
||
Familie ganz so wie früher wieder in die Hand zu nehmen; in seinen
|
||
Gedanken erschienen wieder nach langer Zeit der Chef und der Prokurist,
|
||
die Kommis und die Lehrjungen, der so begriffsstützige Hausknecht, zwei
|
||
drei Freunde aus anderen Geschäften, ein Stubenmädchen aus einem Hotel
|
||
in der Provinz, eine liebe, flüchtige Erinnerung, eine Kassiererin aus
|
||
einem Hutgeschäft, um die er sich ernsthaft, aber zu langsam beworben
|
||
hatte -- sie alle erschienen untermischt mit Fremden oder schon
|
||
Vergessenen, aber statt ihm und seiner Familie zu helfen, waren sie
|
||
sämtlich unzugänglich, und er war froh, wenn sie verschwanden. Dann aber
|
||
war er wieder gar nicht in der Laune, sich um seine Familie zu sorgen,
|
||
bloß Wut über die schlechte Wartung erfüllte ihn, und trotzdem er sich
|
||
nichts vorstellen konnte, worauf er Appetit gehabt hätte, machte er doch
|
||
Pläne, wie er in die Speisekammer gelangen könnte, um dort zu nehmen,
|
||
was ihm, auch wenn er keinen Hunger hatte, immerhin gebührte. Ohne jetzt
|
||
mehr nachzudenken, womit man Gregor einen besonderen Gefallen machen
|
||
könnte, schob die Schwester eiligst, ehe sie morgens und mittags ins
|
||
Geschäft lief, mit dem Fuß irgendeine beliebige Speise in Gregors Zimmer
|
||
hinein, um sie am Abend, gleichgültig dagegen, ob die Speise vielleicht
|
||
nur gekostet oder -- der häufigste Fall -- gänzlich unberührt war, mit
|
||
einem Schwenken des Besens hinauszukehren. Das Aufräumen des Zimmers,
|
||
das sie nun immer abends besorgte, konnte gar nicht mehr schneller getan
|
||
sein. Schmutzstreifen zogen sich die Wände entlang, hie und da lagen
|
||
Knäuel von Staub und Unrat. In der ersten Zeit stellte sich Gregor bei
|
||
der Ankunft der Schwester in derartige besonders bezeichnende Winkel, um
|
||
ihr durch diese Stellung gewissermaßen einen Vorwurf zu machen. Aber er
|
||
hätte wohl wochenlang dort bleiben können, ohne daß sich die Schwester
|
||
gebessert hätte; sie sah ja den Schmutz genau so wie er, aber sie hatte
|
||
sich eben entschlossen, ihn zu lassen. Dabei wachte sie mit einer an ihr
|
||
ganz neuen Empfindlichkeit, die überhaupt die ganze Familie ergriffen
|
||
hatte, darüber, daß das Aufräumen von Gregors Zimmer ihr vorbehalten
|
||
blieb. Einmal hatte die Mutter Gregors Zimmer einer großen Reinigung
|
||
unterzogen, die ihr nur nach Verbrauch einiger Kübel Wasser gelungen war
|
||
-- die viele Feuchtigkeit kränkte allerdings Gregor auch und er lag
|
||
breit, verbittert und unbeweglich auf dem Kanapee --, aber die Strafe
|
||
blieb für die Mutter nicht aus. Denn kaum hatte am Abend die Schwester
|
||
die Veränderung in Gregors Zimmer bemerkt, als sie, aufs höchste
|
||
beleidigt, ins Wohnzimmer lief und, trotz der beschwörend erhobenen
|
||
Hände der Mutter, in einen Weinkrampf ausbrach, dem die Eltern -- der
|
||
Vater war natürlich aus seinem Sessel aufgeschreckt worden -- zuerst
|
||
erstaunt und hilflos zusahen; bis auch sie sich zu rühren anfingen; der
|
||
Vater rechts der Mutter Vorwürfe machte, daß sie Gregors Zimmer nicht
|
||
der Schwester zur Reinigung überließ; links dagegen die Schwester
|
||
anschrie, sie werde niemals mehr Gregors Zimmer reinigen dürfen; während
|
||
die Mutter den Vater, der sich vor Erregung nicht mehr kannte, ins
|
||
Schlafzimmer zu schleppen suchte; die Schwester, von Schluchzen
|
||
geschüttelt, mit ihren kleinen Fäusten den Tisch bearbeitete; und Gregor
|
||
laut vor Wut darüber zischte, daß es keinem einfiel, die Tür zu
|
||
schließen und ihm diesen Anblick und Lärm zu ersparen.
|
||
|
||
Aber selbst wenn die Schwester, erschöpft von ihrer Berufsarbeit, dessen
|
||
überdrüssig geworden war, für Gregor, wie früher, zu sorgen, so hätte
|
||
noch keineswegs die Mutter für sie eintreten müssen und Gregor hätte
|
||
doch nicht vernachlässigt zu werden brauchen. Denn nun war die
|
||
Bedienerin da. Diese alte Witwe, die in ihrem langen Leben mit Hilfe
|
||
ihres starken Knochenbaues das Ärgste überstanden haben mochte, hatte
|
||
keinen eigentlichen Abscheu vor Gregor. Ohne irgendwie neugierig zu
|
||
sein, hatte sie zufällig einmal die Tür von Gregors Zimmer aufgemacht
|
||
und war im Anblick Gregors, der, gänzlich überrascht, trotzdem ihn
|
||
niemand jagte, hin- und herzulaufen begann, die Hände im Schoß gefaltet
|
||
staunend stehen geblieben. Seitdem versäumte sie nicht, stets flüchtig
|
||
morgens und abends die Tür ein wenig zu öffnen und zu Gregor
|
||
hineinzuschauen. Anfangs rief sie ihn auch zu sich herbei, mit Worten,
|
||
die sie wahrscheinlich für freundlich hielt, wie »Komm mal herüber,
|
||
alter Mistkäfer!« oder »Seht mal den alten Mistkäfer!« Auf solche
|
||
Ansprachen antwortete Gregor mit nichts, sondern blieb unbeweglich auf
|
||
seinem Platz, als sei die Tür gar nicht geöffnet worden. Hätte man doch
|
||
dieser Bedienerin, statt sie nach ihrer Laune ihn nutzlos stören zu
|
||
lassen, lieber den Befehl gegeben, sein Zimmer täglich zu reinigen!
|
||
Einmal am frühen Morgen -- ein heftiger Regen, vielleicht schon ein
|
||
Zeichen des kommenden Frühjahrs, schlug an die Scheiben -- war Gregor,
|
||
als die Bedienerin mit ihren Redensarten wieder begann, derartig
|
||
erbittert, daß er, wie zum Angriff, allerdings langsam und hinfällig,
|
||
sich gegen sie wendete. Die Bedienerin aber, statt sich zu fürchten, hob
|
||
bloß einen in der Nähe der Tür befindlichen Stuhl hoch empor, und wie
|
||
sie mit groß geöffnetem Munde dastand, war ihre Absicht klar, den Mund
|
||
erst zu schließen, wenn der Sessel in ihrer Hand auf Gregors Rücken
|
||
niederschlagen würde. »Also weiter geht es nicht?« fragte sie, als
|
||
Gregor sich wieder umdrehte, und stellte den Sessel ruhig in die Ecke
|
||
zurück.
|
||
|
||
Gregor aß nun fast gar nichts mehr. Nur wenn er zufällig an der
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||
vorbereiteten Speise vorüberkam, nahm er zum Spiel einen Bissen in den
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||
Mund, hielt ihn dort stundenlang und spie ihn dann meist wieder aus.
|
||
Zuerst dachte er, es sei die Trauer über den Zustand seines Zimmers, die
|
||
ihn vom Essen abhalte, aber gerade mit den Veränderungen des Zimmers
|
||
söhnte er sich sehr bald aus. Man hatte sich angewöhnt, Dinge, die man
|
||
anderswo nicht unterbringen konnte, in dieses Zimmer hineinzustellen,
|
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und solcher Dinge gab es nun viele, da man ein Zimmer der Wohnung an
|
||
drei Zimmerherren vermietet hatte. Diese ernsten Herren, -- alle drei
|
||
hatten Vollbärte, wie Gregor einmal durch eine Türspalte feststellte --
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waren peinlich auf Ordnung, nicht nur in ihrem Zimmer, sondern, da sie
|
||
sich nun einmal hier eingemietet hatten, in der ganzen Wirtschaft, also
|
||
insbesondere in der Küche, bedacht. Unnützen oder gar schmutzigen Kram
|
||
ertrugen sie nicht. Überdies hatten sie zum größten Teil ihre eigenen
|
||
Einrichtungsstücke mitgebracht. Aus diesem Grunde waren viele Dinge
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überflüssig geworden, die zwar nicht verkäuflich waren, die man aber
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auch nicht wegwerfen wollte. Alle diese wanderten in Gregors Zimmer.
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||
Ebenso auch die Aschenkiste und die Abfallkiste aus der Küche. Was nur
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||
im Augenblick unbrauchbar war, schleuderte die Bedienerin, die es immer
|
||
sehr eilig hatte, einfach in Gregors Zimmer; Gregor sah glücklicherweise
|
||
meist nur den betreffenden Gegenstand und die Hand, die ihn hielt. Die
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||
Bedienerin hatte vielleicht die Absicht, bei Zeit und Gelegenheit die
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||
Dinge wieder zu holen oder alle insgesamt mit einemmal hinauszuwerfen,
|
||
tatsächlich aber blieben sie dort liegen, wohin sie durch den ersten
|
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Wurf gekommen waren, wenn nicht Gregor sich durch das Rumpelzeug wand
|
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und es in Bewegung brachte, zuerst gezwungen, weil kein sonstiger Platz
|
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zum Kriechen frei war, später aber mit wachsendem Vergnügen, obwohl er
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||
nach solchen Wanderungen, zum Sterben müde und traurig, wieder
|
||
stundenlang sich nicht rührte.
|
||
|
||
Da die Zimmerherren manchmal auch ihr Abendessen zu Hause im gemeinsamen
|
||
Wohnzimmer einnahmen, blieb die Wohnzimmertür an manchen Abenden
|
||
geschlossen, aber Gregor verzichtete ganz leicht auf das Öffnen der Tür,
|
||
hatte er doch schon manche Abende, an denen sie geöffnet war, nicht
|
||
ausgenützt, sondern war, ohne daß es die Familie merkte, im dunkelsten
|
||
Winkel seines Zimmers gelegen. Einmal aber hatte die Bedienerin die Tür
|
||
zum Wohnzimmer ein wenig offen gelassen, und sie blieb so offen, auch
|
||
als die Zimmerherren am Abend eintraten und Licht gemacht wurde. Sie
|
||
setzten sich oben an den Tisch, wo in früheren Zeiten der Vater, die
|
||
Mutter und Gregor gesessen hatten, entfalteten die Servietten und nahmen
|
||
Messer und Gabel in die Hand. Sofort erschien in der Tür die Mutter mit
|
||
einer Schüssel Fleisch und knapp hinter ihr die Schwester mit einer
|
||
Schüssel hochgeschichteter Kartoffeln. Das Essen dampfte mit starkem
|
||
Rauch. Die Zimmerherren beugten sich über die vor sie hingestellten
|
||
Schüsseln, als wollten sie sie vor dem Essen prüfen, und tatsächlich
|
||
zerschnitt der, welcher in der Mitte saß und den anderen zwei als
|
||
Autorität zu gelten schien, ein Stück Fleisch noch auf der Schüssel,
|
||
offenbar um festzustellen, ob es mürbe genug sei und ob es nicht etwa in
|
||
die Küche zurückgeschickt werden solle. Er war befriedigt, und Mutter
|
||
und Schwester, die gespannt zugesehen hatten, begannen aufatmend zu
|
||
lächeln.
|
||
|
||
Die Familie selbst aß in der Küche. Trotzdem kam der Vater, ehe er in
|
||
die Küche ging, in dieses Zimmer herein und machte mit einer einzigen
|
||
Verbeugung, die Kappe in der Hand, einen Rundgang um den Tisch. Die
|
||
Zimmerherren erhoben sich sämtlich und murmelten etwas in ihre Bärte.
|
||
Als sie dann allein waren, aßen sie fast unter vollkommenem
|
||
Stillschweigen. Sonderbar schien es Gregor, daß man aus allen
|
||
mannigfachen Geräuschen des Essens immer wieder ihre kauenden Zähne
|
||
heraushörte, als ob damit Gregor gezeigt werden sollte, daß man Zähne
|
||
brauche, um zu essen, und daß man auch mit den schönsten zahnlosen
|
||
Kiefern nichts ausrichten könne. »Ich habe ja Appetit,« sagte sich
|
||
Gregor sorgenvoll, »aber nicht auf diese Dinge. Wie sich diese
|
||
Zimmerherren nähren, und ich komme um!«
|
||
|
||
Gerade an diesem Abend -- Gregor erinnerte sich nicht, während der
|
||
ganzen Zeit die Violine gehört zu haben -- ertönte sie von der Küche
|
||
her. Die Zimmerherren hatten schon ihr Nachtmahl beendet, der mittlere
|
||
hatte eine Zeitung hervorgezogen, den zwei anderen je ein Blatt gegeben,
|
||
und nun lasen sie zurückgelehnt und rauchten. Als die Violine zu spielen
|
||
begann, wurden sie aufmerksam, erhoben sich und gingen auf den
|
||
Fußspitzen zur Vorzimmertür, in der sie aneinandergedrängt stehen
|
||
blieben. Man mußte sie von der Küche aus gehört haben, denn der Vater
|
||
rief: »Ist den Herren das Spiel vielleicht unangenehm? Es kann sofort
|
||
eingestellt werden.« »Im Gegenteil,« sagte der mittlere der Herren,
|
||
»möchte das Fräulein nicht zu uns hereinkommen und hier im Zimmer
|
||
spielen, wo es doch viel bequemer und gemütlicher ist?« »O bitte,« rief
|
||
der Vater, als sei er der Violinspieler. Die Herren traten ins Zimmer
|
||
zurück und warteten. Bald kam der Vater mit dem Notenpult, die Mutter
|
||
mit den Noten und die Schwester mit der Violine. Die Schwester bereitete
|
||
alles ruhig zum Spiele vor; die Eltern, die niemals früher Zimmer
|
||
vermietet hatten und deshalb die Höflichkeit gegen die Zimmerherren
|
||
übertrieben, wagten gar nicht, sich auf ihre eigenen Sessel zu setzen;
|
||
der Vater lehnte an der Tür, die rechte Hand zwischen zwei Knöpfe des
|
||
geschlossenen Livreerockes gesteckt; die Mutter aber erhielt von einem
|
||
Herrn einen Sessel angeboten und saß, da sie den Sessel dort ließ, wohin
|
||
ihn der Herr zufällig gestellt hatte, abseits in einem Winkel.
|
||
|
||
Die Schwester begann zu spielen; Vater und Mutter verfolgten, jeder von
|
||
seiner Seite, aufmerksam die Bewegungen ihrer Hände. Gregor hatte, von
|
||
dem Spiele angezogen, sich ein wenig weiter vorgewagt und war schon mit
|
||
dem Kopf im Wohnzimmer. Er wunderte sich kaum darüber, daß er in letzter
|
||
Zeit so wenig Rücksicht auf die andern nahm; früher war diese
|
||
Rücksichtnahme sein Stolz gewesen. Und dabei hätte er gerade jetzt mehr
|
||
Grund gehabt, sich zu verstecken, denn infolge des Staubes, der in
|
||
seinem Zimmer überall lag und bei der kleinsten Bewegung umherflog, war
|
||
auch er ganz staubbedeckt; Fäden, Haare, Speiseüberreste schleppte er
|
||
auf seinem Rücken und an den Seiten mit sich herum; seine
|
||
Gleichgültigkeit gegen alles war viel zu groß, als daß er sich, wie
|
||
früher mehrmals während des Tages, auf den Rücken gelegt und am Teppich
|
||
gescheuert hätte. Und trotz dieses Zustandes hatte er keine Scheu, ein
|
||
Stück auf dem makellosen Fußboden des Wohnzimmers vorzurücken.
|
||
|
||
Allerdings achtete auch niemand auf ihn. Die Familie war gänzlich vom
|
||
Violinspiel in Anspruch genommen; die Zimmerherren dagegen, die
|
||
zunächst, die Hände in den Hosentaschen, viel zu nahe hinter dem
|
||
Notenpult der Schwester sich aufgestellt hatten, so daß sie alle in die
|
||
Noten hätte sehen können, was sicher die Schwester stören mußte, zogen
|
||
sich bald unter halblauten Gesprächen mit gesenkten Köpfen zum Fenster
|
||
zurück, wo sie, vom Vater besorgt beobachtet, auch blieben. Es hatte nun
|
||
wirklich den überdeutlichen Anschein, als wären sie in ihrer Annahme,
|
||
ein schönes oder unterhaltendes Violinspiel zu hören, enttäuscht, hätten
|
||
die ganze Vorführung satt und ließen sich nur aus Höflichkeit noch in
|
||
ihrer Ruhe stören. Besonders die Art, wie sie alle aus Nase und Mund den
|
||
Rauch ihrer Zigarren in die Höhe bliesen, ließ auf große Nervosität
|
||
schließen. Und doch spielte die Schwester so schön. Ihr Gesicht war zur
|
||
Seite geneigt, prüfend und traurig folgten ihre Blicke den Notenzeilen.
|
||
Gregor kroch noch ein Stück vorwärts und hielt den Kopf eng an den
|
||
Boden, um möglicherweise ihren Blicken begegnen zu können. War er ein
|
||
Tier, da ihn Musik so ergriff? Ihm war, als zeige sich ihm der Weg zu
|
||
der ersehnten unbekannten Nahrung. Er war entschlossen, bis zur
|
||
Schwester vorzudringen, sie am Rock zu zupfen und ihr dadurch
|
||
anzudeuten, sie möge doch mit ihrer Violine in sein Zimmer kommen, denn
|
||
niemand lohnte hier das Spiel so, wie er es lohnen wollte. Er wollte sie
|
||
nicht mehr aus seinem Zimmer lassen, wenigstens nicht, solange er lebte;
|
||
seine Schreckgestalt sollte ihm zum erstenmal nützlich werden; an allen
|
||
Türen seines Zimmers wollte er gleichzeitig sein und den Angreifern
|
||
entgegenfauchen; die Schwester aber sollte nicht gezwungen, sondern
|
||
freiwillig bei ihm bleiben; sie sollte neben ihm auf dem Kanapee sitzen,
|
||
das Ohr zu ihm herunterneigen, und er wollte ihr dann anvertrauen, daß
|
||
er die feste Absicht gehabt habe, sie auf das Konservatorium zu
|
||
schicken, und daß er dies, wenn nicht das Unglück dazwischen gekommen
|
||
wäre, vergangene Weihnachten -- Weihnachten war doch wohl schon vorüber?
|
||
-- allen gesagt hätte, ohne sich um irgendwelche Widerreden zu kümmern.
|
||
Nach dieser Erklärung würde die Schwester in Tränen der Rührung
|
||
ausbrechen, und Gregor würde sich bis zu ihrer Achsel erheben und ihren
|
||
Hals küssen, den sie, seitdem sie ins Geschäft ging, frei ohne Band oder
|
||
Kragen trug.
|
||
|
||
»Herr Samsa!« rief der mittlere Herr dem Vater zu und zeigte, ohne ein
|
||
weiteres Wort zu verlieren, mit dem Zeigefinger auf den langsam sich
|
||
vorwärtsbewegenden Gregor. Die Violine verstummte, der mittlere
|
||
Zimmerherr lächelte erst einmal kopfschüttelnd seinen Freunden zu und
|
||
sah dann wieder auf Gregor hin. Der Vater schien es für nötiger zu
|
||
halten, statt Gregor zu vertreiben, vorerst die Zimmerherren zu
|
||
beruhigen, trotzdem diese gar nicht aufgeregt waren und Gregor sie mehr
|
||
als das Violinspiel zu unterhalten schien. Er eilte zu ihnen und suchte
|
||
sie mit ausgebreiteten Armen in ihr Zimmer zu drängen und gleichzeitig
|
||
mit seinem Körper ihnen den Ausblick auf Gregor zu nehmen. Sie wurden
|
||
nun tatsächlich ein wenig böse, man wußte nicht mehr, ob über das
|
||
Benehmen des Vaters oder über die ihnen jetzt aufgehende Erkenntnis,
|
||
ohne es zu wissen, einen solchen Zimmernachbar wie Gregor besessen zu
|
||
haben. Sie verlangten vom Vater Erklärungen, hoben ihrerseits die Arme,
|
||
zupften unruhig an ihren Bärten und wichen nur langsam gegen ihr Zimmer
|
||
zurück. Inzwischen hatte die Schwester die Verlorenheit, in die sie nach
|
||
dem plötzlich abgebrochenen Spiel verfallen war, überwunden, hatte sich,
|
||
nachdem sie eine Zeitlang in den lässig hängenden Händen Violine und
|
||
Bogen gehalten und weiter, als spiele sie noch, in die Noten gesehen
|
||
hatte, mit einem Male aufgerafft, hatte das Instrument auf den Schoß der
|
||
Mutter gelegt, die in Atembeschwerden mit heftig arbeitenden Lungen noch
|
||
auf ihrem Sessel saß, und war in das Nebenzimmer gelaufen, dem sich die
|
||
Zimmerherren unter dem Drängen des Vaters schon schneller näherten. Man
|
||
sah, wie unter den geübten Händen der Schwester die Decken und Polster
|
||
in den Betten in die Höhe flogen und sich ordneten. Noch ehe die Herren
|
||
das Zimmer erreicht hatten, war sie mit dem Aufbetten fertig und
|
||
schlüpfte heraus. Der Vater schien wieder von seinem Eigensinn derartig
|
||
ergriffen, daß er jeden Respekt vergaß, den er seinen Mietern immerhin
|
||
schuldete. Er drängte nur und drängte, bis schon in der Tür des Zimmers
|
||
der mittlere der Herren donnernd mit dem Fuß aufstampfte und dadurch den
|
||
Vater zum Stehen brachte. »Ich erkläre hiermit,« sagte er, hob die Hand
|
||
und suchte mit den Blicken auch die Mutter und die Schwester, »daß ich
|
||
mit Rücksicht auf die in dieser Wohnung und Familie herrschenden
|
||
widerlichen Verhältnisse« -- hierbei spie er kurz entschlossen auf den
|
||
Boden -- »mein Zimmer augenblicklich kündige. Ich werde natürlich auch
|
||
für die Tage, die ich hier gewohnt habe, nicht das Geringste bezahlen,
|
||
dagegen werde ich es mir noch überlegen, ob ich nicht mit irgendwelchen
|
||
-- glauben Sie mir -- sehr leicht zu begründenden Forderungen gegen Sie
|
||
auftreten werde.« Er schwieg und sah gerade vor sich hin, als erwarte er
|
||
etwas. Tatsächlich fielen sofort seine zwei Freunde mit den Worten ein:
|
||
»Auch wir kündigen augenblicklich.« Darauf faßte er die Türklinke und
|
||
schloß mit einem Krach die Tür.
|
||
|
||
Der Vater wankte mit tastenden Händen zu seinem Sessel und ließ sich
|
||
hineinfallen; es sah aus, als strecke er sich zu seinem gewöhnlichen
|
||
Abendschläfchen, aber das starke Nicken seines wie haltlosen Kopfes
|
||
zeigte, daß er ganz und gar nicht schlief. Gregor war die ganze Zeit
|
||
still auf dem Platz gelegen, auf dem ihn die Zimmerherren ertappt
|
||
hatten. Die Enttäuschung über das Mißlingen seines Planes, vielleicht
|
||
aber auch die durch das viele Hungern verursachte Schwäche machten es
|
||
ihm unmöglich, sich zu bewegen. Er fürchtete mit einer gewissen
|
||
Bestimmtheit schon für den nächsten Augenblick einen allgemeinen über
|
||
ihn sich entladenden Zusammensturz und wartete. Nicht einmal die Violine
|
||
schreckte ihn auf, die, unter den zitternden Fingern der Mutter hervor,
|
||
ihr vom Schoße fiel und einen hallenden Ton von sich gab.
|
||
|
||
»Liebe Eltern,« sagte die Schwester und schlug zur Einleitung mit der
|
||
Hand auf den Tisch, »so geht es nicht weiter. Wenn ihr das vielleicht
|
||
nicht einsehet, ich sehe es ein. Ich will vor diesem Untier nicht den
|
||
Namen meines Bruders aussprechen und sage daher bloß: wir müssen
|
||
versuchen es loszuwerden. Wir haben das Menschenmögliche versucht, es zu
|
||
pflegen und zu dulden, ich glaube, es kann uns niemand den geringsten
|
||
Vorwurf machen.«
|
||
|
||
»Sie hat tausendmal recht,« sagte der Vater für sich. Die Mutter, die
|
||
noch immer nicht genug Atem finden konnte, fing mit einem irrsinnigen
|
||
Ausdruck der Augen dumpf in die vorgehaltene Hand zu husten an.
|
||
|
||
Die Schwester eilte zur Mutter und hielt ihr die Stirn. Der Vater schien
|
||
durch die Worte der Schwester auf bestimmtere Gedanken gebracht zu sein,
|
||
hatte sich aufrecht gesetzt, spielte mit seiner Dienermütze zwischen den
|
||
Tellern, die noch vom Nachtmahl der Zimmerherren her auf dem Tische
|
||
standen, und sah bisweilen auf den stillen Gregor hin.
|
||
|
||
»Wir müssen es loszuwerden suchen,« sagte die Schwester nun
|
||
ausschließlich zum Vater, denn die Mutter hörte in ihrem Husten nichts,
|
||
»es bringt euch noch beide um, ich sehe es kommen. Wenn man schon so
|
||
schwer arbeiten muß, wie wir alle, kann man nicht noch zu Hause diese
|
||
ewige Quälerei ertragen. Ich kann es auch nicht mehr.« Und sie brach so
|
||
heftig in Weinen aus, daß ihre Tränen auf das Gesicht der Mutter
|
||
niederflossen, von dem sie sie mit mechanischen Handbewegungen wischte.
|
||
|
||
»Kind,« sagte der Vater mitleidig und mit auffallendem Verständnis, »was
|
||
sollen wir aber tun?«
|
||
|
||
Die Schwester zuckte nur die Achseln zum Zeichen der Ratlosigkeit, die
|
||
sie nun während des Weinens im Gegensatz zu ihrer früheren Sicherheit
|
||
ergriffen hatte.
|
||
|
||
»Wenn er uns verstünde,« sagte der Vater halb fragend; die Schwester
|
||
schüttelte aus dem Weinen heraus heftig die Hand zum Zeichen, daß daran
|
||
nicht zu denken sei.
|
||
|
||
»Wenn er uns verstünde,« wiederholte der Vater und nahm durch Schließen
|
||
der Augen die Überzeugung der Schwester von der Unmöglichkeit dessen in
|
||
sich auf, »dann wäre vielleicht ein Übereinkommen mit ihm möglich. Aber
|
||
so --«
|
||
|
||
»Weg muß es,« rief die Schwester, »das ist das einzige Mittel, Vater. Du
|
||
mußt bloß den Gedanken loszuwerden suchen, daß es Gregor ist. Daß wir es
|
||
so lange geglaubt haben, das ist ja unser eigentliches Unglück. Aber wie
|
||
kann es denn Gregor sein? Wenn es Gregor wäre, er hätte längst
|
||
eingesehen, daß ein Zusammenleben von Menschen mit einem solchen Tier
|
||
nicht möglich ist, und wäre freiwillig fortgegangen. Wir hätten dann
|
||
keinen Bruder, aber könnten weiter leben und sein Andenken in Ehren
|
||
halten. So aber verfolgt uns dieses Tier, vertreibt die Zimmerherren,
|
||
will offenbar die ganze Wohnung einnehmen und uns auf der Gasse
|
||
übernachten lassen. Sieh nur, Vater,« schrie sie plötzlich auf, »er
|
||
fängt schon wieder an!« Und in einem für Gregor gänzlich
|
||
unverständlichen Schrecken verließ die Schwester sogar die Mutter, stieß
|
||
sich förmlich von ihrem Sessel ab, als wollte sie lieber die Mutter
|
||
opfern, als in Gregors Nähe bleiben, und eilte hinter den Vater, der,
|
||
lediglich durch ihr Benehmen erregt, auch aufstand und die Arme wie zum
|
||
Schutze der Schwester vor ihr halb erhob.
|
||
|
||
Aber Gregor fiel es doch gar nicht ein, irgend jemandem und gar seiner
|
||
Schwester Angst machen zu wollen. Er hatte bloß angefangen sich
|
||
umzudrehen, um in sein Zimmer zurückzuwandern, und das nahm sich
|
||
allerdings auffallend aus, da er infolge seines leidenden Zustandes bei
|
||
den schwierigen Umdrehungen mit seinem Kopfe nachhelfen mußte, den er
|
||
hierbei viele Male hob und gegen den Boden schlug. Er hielt inne und sah
|
||
sich um. Seine gute Absicht schien erkannt worden zu sein; es war nur
|
||
ein augenblicklicher Schrecken gewesen. Nun sahen ihn alle schweigend
|
||
und traurig an. Die Mutter lag, die Beine ausgestreckt und
|
||
aneinandergedrückt, in ihrem Sessel, die Augen fielen ihr vor Ermattung
|
||
fast zu; der Vater und die Schwester saßen nebeneinander, die Schwester
|
||
hatte ihre Hand um des Vaters Hals gelegt.
|
||
|
||
»Nun darf ich mich schon vielleicht umdrehen,« dachte Gregor und begann
|
||
seine Arbeit wieder. Er konnte das Schnaufen der Anstrengung nicht
|
||
unterdrücken und mußte auch hie und da ausruhen. Im übrigen drängte ihn
|
||
auch niemand, es war alles ihm selbst überlassen. Als er die Umdrehung
|
||
vollendet hatte, fing er sofort an, geradeaus zurückzuwandern. Er
|
||
staunte über die große Entfernung, die ihn von seinem Zimmer trennte,
|
||
und begriff gar nicht, wie er bei seiner Schwäche vor kurzer Zeit den
|
||
gleichen Weg, fast ohne es zu merken, zurückgelegt hatte. Immerfort nur
|
||
auf rasches Kriechen bedacht, achtete er kaum darauf, daß kein Wort,
|
||
kein Ausruf seiner Familie ihn störte. Erst als er schon in der Tür war,
|
||
wendete er den Kopf, nicht, vollständig, denn er fühlte den Hals steif
|
||
werden, immerhin sah er noch, daß sich hinter ihm nichts verändert
|
||
hatte, nur die Schwester war aufgestanden. Sein letzter Blick streifte
|
||
die Mutter, die nun völlig eingeschlafen war.
|
||
|
||
Kaum war er innerhalb seines Zimmers, wurde die Tür eiligst zugedrückt,
|
||
festgeriegelt und versperrt. Über den plötzlichen Lärm hinter sich
|
||
erschrak Gregor so, daß ihm die Beinchen einknickten. Es war die
|
||
Schwester, die sich so beeilt hatte. Aufrecht war sie schon da
|
||
gestanden und hatte gewartet, leichtfüßig war sie dann
|
||
vorwärtsgesprungen, Gregor hatte sie gar nicht kommen hören, und ein
|
||
»Endlich!« rief sie den Eltern zu, während sie den Schlüssel im Schloß
|
||
umdrehte.
|
||
|
||
»Und jetzt?« fragte sich Gregor und sah sich im Dunkeln um. Er machte
|
||
bald die Entdeckung, daß er sich nun überhaupt nicht mehr rühren konnte.
|
||
Er wunderte sich darüber nicht, eher kam es ihm unnatürlich vor, daß er
|
||
sich bis jetzt tatsächlich mit diesen dünnen Beinchen hatte fortbewegen
|
||
können. Im übrigen fühlte er sich verhältnismäßig behaglich. Er hatte
|
||
zwar Schmerzen im ganzen Leib, aber ihm war, als würden sie allmählich
|
||
schwächer und schwächer und würden schließlich ganz vergehen. Den
|
||
verfaulten Apfel in seinem Rücken und die entzündete Umgebung, die ganz
|
||
von weichem Staub bedeckt war, spürte er schon kaum. An seine Familie
|
||
dachte er mit Rührung und Liebe zurück. Seine Meinung darüber, daß er
|
||
verschwinden müsse, war womöglich noch entschiedener, als die seiner
|
||
Schwester. In diesem Zustand leeren und friedlichen Nachdenkens blieb
|
||
er, bis die Turmuhr die dritte Morgenstunde schlug. Den Anfang des
|
||
allgemeinen Hellerwerdens draußen vor dem Fenster erlebte er noch. Dann
|
||
sank sein Kopf ohne seinen Willen gänzlich nieder, und aus seinen
|
||
Nüstern strömte sein letzter Atem schwach hervor.
|
||
|
||
Als am frühen Morgen die Bedienerin kam -- vor lauter Kraft und Eile
|
||
schlug sie, wie oft man sie auch schon gebeten hatte, das zu vermeiden,
|
||
alle Türen derartig zu, daß in der ganzen Wohnung von ihrem Kommen an
|
||
kein ruhiger Schlaf mehr möglich war --, fand sie bei ihrem gewöhnlichen
|
||
kurzen Besuch bei Gregor zuerst nichts Besonderes. Sie dachte, er liege
|
||
absichtlich so unbeweglich da und spiele den Beleidigten; sie traute
|
||
ihm allen möglichen Verstand zu. Weil sie zufällig den langen Besen in
|
||
der Hand hielt, suchte sie mit ihm Gregor von der Tür aus zu kitzeln.
|
||
Als sich auch da kein Erfolg zeigte, wurde sie ärgerlich und stieß ein
|
||
wenig in Gregor hinein, und erst als sie ihn ohne jeden Widerstand von
|
||
seinem Platze geschoben hatte, wurde sie aufmerksam. Als sie bald den
|
||
wahren Sachverhalt erkannte, machte sie große Augen, pfiff vor sich hin,
|
||
hielt sich aber nicht lange auf, sondern riß die Tür des Schlafzimmers
|
||
auf und rief mit lauter Stimme in das Dunkel hinein: »Sehen Sie nur mal
|
||
an, es ist krepiert; da liegt es, ganz und gar krepiert!«
|
||
|
||
Das Ehepaar Samsa saß im Ehebett aufrecht da und hatte zu tun, den
|
||
Schrecken über die Bedienerin zu verwinden, ehe es dazu kam, ihre
|
||
Meldung aufzufassen. Dann aber stiegen Herr und Frau Samsa, jeder auf
|
||
seiner Seite, eiligst aus dem Bett, Herr Samsa warf die Decke über seine
|
||
Schultern, Frau Samsa kam nur im Nachthemd hervor; so traten sie in
|
||
Gregors Zimmer. Inzwischen hatte sich auch die Tür des Wohnzimmers
|
||
geöffnet, in dem Grete seit dem Einzug der Zimmerherren schlief; sie war
|
||
völlig angezogen, als hätte sie gar nicht geschlafen, auch ihr bleiches
|
||
Gesicht schien das zu beweisen. »Tot?« sagte Frau Samsa und sah fragend
|
||
zur Bedienerin auf, trotzdem sie doch alles selbst prüfen und sogar ohne
|
||
Prüfung erkennen konnte. »Das will ich meinen,« sagte die Bedienerin und
|
||
stieß zum Beweis Gregors Leiche mit dem Besen noch ein großes Stück
|
||
seitwärts. Frau Samsa machte eine Bewegung, als wolle sie den Besen
|
||
zurückhalten, tat es aber nicht. »Nun,« sagte Herr Samsa, »jetzt können
|
||
wir Gott danken.« Er bekreuzte sich, und die drei Frauen folgten seinem
|
||
Beispiel. Grete, die kein Auge von der Leiche wendete, sagte: »Seht
|
||
nur, wie mager er war. Er hat ja auch schon so lange Zeit nichts
|
||
gegessen. So wie die Speisen hereinkamen, sind sie wieder
|
||
hinausgekommen.« Tatsächlich war Gregors Körper vollständig flach und
|
||
trocken, man erkannte das eigentlich erst jetzt, da er nicht mehr von
|
||
den Beinchen gehoben war und auch sonst nichts den Blick ablenkte.
|
||
|
||
»Komm, Grete, auf ein Weilchen zu uns herein,« sagte Frau Samsa mit
|
||
einem wehmütigen Lächeln, und Grete ging, nicht ohne nach der Leiche
|
||
zurückzusehen, hinter den Eltern in das Schlafzimmer. Die Bedienerin
|
||
schloß die Tür und öffnete gänzlich das Fenster. Trotz des frühen
|
||
Morgens war der frischen Luft schon etwas Lauigkeit beigemischt. Es war
|
||
eben schon Ende März.
|
||
|
||
Aus ihrem Zimmer traten die drei Zimmerherren und sahen sich erstaunt
|
||
nach ihrem Frühstück um; man hatte sie vergessen. »Wo ist das
|
||
Frühstück?« fragte der mittlere der Herren mürrisch die Bedienerin.
|
||
Diese aber legte den Finger an den Mund und winkte dann hastig und
|
||
schweigend den Herren zu, sie möchten in Gregors Zimmer kommen. Sie
|
||
kamen auch und standen dann, die Hände in den Taschen ihrer etwas
|
||
abgenützten Röckchen, in dem nun schon ganz hellen Zimmer um Gregors
|
||
Leiche herum.
|
||
|
||
Da öffnete sich die Tür des Schlafzimmers, und Herr Samsa erschien in
|
||
seiner Livree, an einem Arm seine Frau, am anderen seine Tochter. Alle
|
||
waren ein wenig verweint; Grete drückte bisweilen ihr Gesicht an den Arm
|
||
des Vaters.
|
||
|
||
»Verlassen Sie sofort meine Wohnung!« sagte Herr Samsa und zeigte auf
|
||
die Tür, ohne die Frauen von sich zu lassen. »Wie meinen Sie das?« sagte
|
||
der mittlere der Herren etwas bestürzt und lächelte süßlich. Die zwei
|
||
anderen hielten die Hände auf dem Rücken und rieben sie ununterbrochen
|
||
aneinander, wie in freudiger Erwartung eines großen Streites, der aber
|
||
für sie günstig ausfallen mußte. »Ich meine es genau so, wie ich es
|
||
sage,« antwortete Herr Samsa und ging in einer Linie mit seinen zwei
|
||
Begleiterinnen auf den Zimmerherrn zu. Dieser stand zuerst still da und
|
||
sah zu Boden, als ob sich die Dinge in seinem Kopf zu einer neuen
|
||
Ordnung zusammenstellten. »Dann gehen wir also,« sagte er dann und sah
|
||
zu Herrn Samsa auf, als verlange er in einer plötzlich ihn überkommenden
|
||
Demut sogar für diesen Entschluß eine neue Genehmigung. Herr Samsa
|
||
nickte ihm bloß mehrmals kurz mit großen Augen zu. Daraufhin ging der
|
||
Herr tatsächlich sofort mit langen Schritten ins Vorzimmer; seine beiden
|
||
Freunde hatten schon ein Weilchen lang mit ganz ruhigen Händen
|
||
aufgehorcht und hüpften ihm jetzt geradezu nach, wie in Angst, Herr
|
||
Samsa könnte vor ihnen ins Vorzimmer eintreten und die Verbindung mit
|
||
ihrem Führer stören. Im Vorzimmer nahmen alle drei die Hüte vom
|
||
Kleiderrechen, zogen ihre Stöcke aus dem Stockbehälter, verbeugten sich
|
||
stumm und verließen die Wohnung. In einem, wie sich zeigte, gänzlich
|
||
unbegründeten Mißtrauen trat Herr Samsa mit den zwei Frauen auf den
|
||
Vorplatz hinaus; an das Geländer gelehnt, sahen sie zu, wie die drei
|
||
Herren zwar langsam, aber ständig die lange Treppe hinunterstiegen, in
|
||
jedem Stockwerk in einer bestimmten Biegung des Treppenhauses
|
||
verschwanden und nach ein paar Augenblicken wieder hervorkamen; je
|
||
tiefer sie gelangten, desto mehr verlor sich das Interesse der Familie
|
||
Samsa für sie, und als ihnen entgegen und dann hoch über sie hinweg ein
|
||
Fleischergeselle mit der Trage auf dem Kopf in stolzer Haltung
|
||
heraufstieg, verließ bald Herr Samsa mit den Frauen das Geländer, und
|
||
alle kehrten, wie erleichtert, in ihre Wohnung zurück.
|
||
|
||
Sie beschlossen, den heutigen Tag zum Ausruhen und Spazierengehen zu
|
||
verwenden; sie hatten diese Arbeitsunterbrechung nicht nur verdient, sie
|
||
brauchten sie sogar unbedingt. Und so setzten sie sich zum Tisch und
|
||
schrieben drei Entschuldigungsbriefe, Herr Samsa an seine Direktion,
|
||
Frau Samsa an ihren Auftraggeber, und Grete an ihren Prinzipal. Während
|
||
des Schreibens kam die Bedienerin herein, um zu sagen, daß sie fortgehe,
|
||
denn ihre Morgenarbeit war beendet. Die drei Schreibenden nickten zuerst
|
||
bloß, ohne aufzuschauen, erst als die Bedienerin sich immer noch nicht
|
||
entfernen wollte, sah man ärgerlich auf. »Nun?« fragte Herr Samsa. Die
|
||
Bedienerin stand lächelnd in der Tür, als habe sie der Familie ein
|
||
großes Glück zu melden, werde es aber nur dann tun, wenn sie gründlich
|
||
ausgefragt werde. Die fast aufrechte kleine Straußfeder auf ihrem Hut,
|
||
über die sich Herr Samsa schon während ihrer ganzen Dienstzeit ärgerte,
|
||
schwankte leicht nach allen Richtungen. »Also was wollen Sie
|
||
eigentlich?« fragte Frau Samsa, vor welcher die Bedienerin noch am
|
||
meisten Respekt hatte. »Ja,« antwortete die Bedienerin und konnte vor
|
||
freundlichem Lachen nicht gleich weiter reden, »also darüber, wie das
|
||
Zeug von nebenan weggeschafft werden soll, müssen Sie sich keine Sorge
|
||
machen. Es ist schon in Ordnung.« Frau Samsa und Grete beugten sich zu
|
||
ihren Briefen nieder, als wollten sie weiterschreiben; Herr Samsa,
|
||
welcher merkte, daß die Bedienerin nun alles ausführlich zu beschreiben
|
||
anfangen wollte, wehrte dies mit ausgestreckter Hand entschieden ab. Da
|
||
sie aber nicht erzählen durfte, erinnerte sie sich an die große Eile,
|
||
die sie hatte, rief offenbar beleidigt: »Adjes allseits,« drehte sich
|
||
wild um und verließ unter fürchterlichem Türezuschlagen die Wohnung.
|
||
|
||
»Abends wird sie entlassen,« sagte Herr Samsa, bekam aber weder von
|
||
seiner Frau noch von seiner Tochter eine Antwort, denn die Bedienerin
|
||
schien ihre kaum gewonnene Ruhe wieder gestört zu haben. Sie erhoben
|
||
sich, gingen zum Fenster und blieben dort, sich umschlungen haltend.
|
||
Herr Samsa drehte sich in seinem Sessel nach ihnen um und beobachtete
|
||
sie still ein Weilchen. Dann rief er: »Also kommt doch her. Laßt schon
|
||
endlich die alten Sachen. Und nehmt auch ein wenig Rücksicht auf mich.«
|
||
Gleich folgten ihm die Frauen, eilten zu ihm, liebkosten ihn und
|
||
beendeten rasch ihre Briefe.
|
||
|
||
Dann verließen alle drei gemeinschaftlich die Wohnung, was sie schon
|
||
seit Monaten nicht getan hatten, und fuhren mit der Elektrischen ins
|
||
Freie vor die Stadt. Der Wagen, in dem sie allein saßen, war ganz von
|
||
warmer Sonne durchschienen. Sie besprachen, bequem auf ihren Sitzen
|
||
zurückgelehnt, die Aussichten für die Zukunft, und es fand sich, daß
|
||
diese bei näherer Betrachtung durchaus nicht schlecht waren, denn aller
|
||
drei Anstellungen waren, worüber sie einander eigentlich noch gar nicht
|
||
ausgefragt hatten, überaus günstig und besonders für später
|
||
vielversprechend. Die größte augenblickliche Besserung der Lage mußte
|
||
sich natürlich leicht durch einen Wohnungswechsel ergeben; sie wollten
|
||
nun eine kleinere und billigere, aber besser gelegene und überhaupt
|
||
praktischere Wohnung nehmen, als es die jetzige, noch von Gregor
|
||
ausgesuchte war. Während sie sich so unterhielten, fiel es Herrn und
|
||
Frau Samsa im Anblick ihrer immer lebhafter werdenden Tochter fast
|
||
gleichzeitig ein, wie sie in der letzten Zeit trotz aller Pflege, die
|
||
ihre Wangen bleich gemacht hatte, zu einem schönen und üppigen Mädchen
|
||
aufgeblüht war. Stiller werdend und fast unbewußt durch Blicke sich
|
||
verständigend, dachten sie daran, daß es nun Zeit sein werde, auch einen
|
||
braven Mann für sie zu suchen. Und es war ihnen wie eine Bestätigung
|
||
ihrer neuen Träume und guten Absichten, als am Ziele ihrer Fahrt die
|
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Tochter als erste sich erhob und ihren jungen Körper dehnte.
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End of the Project Gutenberg EBook of Die Verwandlung, by Franz Kafka
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*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK DIE VERWANDLUNG ***
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Distributed Proofreading Team at http://www.pgdp.net
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Updated editions will replace the previous one--the old editions
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Creating the works from public domain print editions means that no
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one owns a United States copyright in these works, so the Foundation
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(and you!) can copy and distribute it in the United States without
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Gutenberg is a registered trademark, and may not be used if you
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rules is very easy. You may use this eBook for nearly any purpose
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research. They may be modified and printed and given away--you may do
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*** START: FULL LICENSE ***
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THE FULL PROJECT GUTENBERG LICENSE
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Section 1. General Terms of Use and Redistributing Project Gutenberg-tm
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and accept all the terms of this license and intellectual property
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|
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and help preserve free future access to Project Gutenberg-tm electronic
|
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works. See paragraph 1.E below.
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1.C. The Project Gutenberg Literary Archive Foundation ("the Foundation"
|
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or PGLAF), owns a compilation copyright in the collection of Project
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collection are in the public domain in the United States. If an
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individual work is in the public domain in the United States and you are
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located in the United States, we do not claim a right to prevent you from
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freely sharing Project Gutenberg-tm works in compliance with the terms of
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keeping this work in the same format with its attached full Project
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Gutenberg" is associated) is accessed, displayed, performed, viewed,
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with the permission of the copyright holder, your use and distribution
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access to or distributing Project Gutenberg-tm electronic works provided
|
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that
|
||
|
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- You pay a royalty fee of 20% of the gross profits you derive from
|
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the use of Project Gutenberg-tm works calculated using the method
|
||
you already use to calculate your applicable taxes. The fee is
|
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owed to the owner of the Project Gutenberg-tm trademark, but he
|
||
has agreed to donate royalties under this paragraph to the
|
||
Project Gutenberg Literary Archive Foundation. Royalty payments
|
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must be paid within 60 days following each date on which you
|
||
prepare (or are legally required to prepare) your periodic tax
|
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returns. Royalty payments should be clearly marked as such and
|
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sent to the Project Gutenberg Literary Archive Foundation at the
|
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|
||
the Project Gutenberg Literary Archive Foundation."
|
||
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|
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you in writing (or by e-mail) within 30 days of receipt that s/he
|
||
does not agree to the terms of the full Project Gutenberg-tm
|
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License. You must require such a user to return or
|
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destroy all copies of the works possessed in a physical medium
|
||
and discontinue all use of and all access to other copies of
|
||
Project Gutenberg-tm works.
|
||
|
||
- You provide, in accordance with paragraph 1.F.3, a full refund of any
|
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money paid for a work or a replacement copy, if a defect in the
|
||
electronic work is discovered and reported to you within 90 days
|
||
of receipt of the work.
|
||
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|
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|
||
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1.E.9. If you wish to charge a fee or distribute a Project Gutenberg-tm
|
||
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|
||
forth in this agreement, you must obtain permission in writing from
|
||
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|
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|
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1.F.
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public domain works in creating the Project Gutenberg-tm
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works, and the medium on which they may be stored, may contain
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is also defective, you may demand a refund in writing without further
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opportunities to fix the problem.
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1.F.4. Except for the limited right of replacement or refund set forth
|
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WARRANTIES OF ANY KIND, EXPRESS OR IMPLIED, INCLUDING BUT NOT LIMITED TO
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WARRANTIES OF MERCHANTIBILITY OR FITNESS FOR ANY PURPOSE.
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1.F.5. Some states do not allow disclaimers of certain implied
|
||
warranties or the exclusion or limitation of certain types of damages.
|
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If any disclaimer or limitation set forth in this agreement violates the
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law of the state applicable to this agreement, the agreement shall be
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interpreted to make the maximum disclaimer or limitation permitted by
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the applicable state law. The invalidity or unenforceability of any
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provision of this agreement shall not void the remaining provisions.
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1.F.6. INDEMNITY - You agree to indemnify and hold the Foundation, the
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providing copies of Project Gutenberg-tm electronic works in accordance
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with this agreement, and any volunteers associated with the production,
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||
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that arise directly or indirectly from any of the following which you do
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or cause to occur: (a) distribution of this or any Project Gutenberg-tm
|
||
work, (b) alteration, modification, or additions or deletions to any
|
||
Project Gutenberg-tm work, and (c) any Defect you cause.
|
||
|
||
|
||
Section 2. Information about the Mission of Project Gutenberg-tm
|
||
|
||
Project Gutenberg-tm is synonymous with the free distribution of
|
||
electronic works in formats readable by the widest variety of computers
|
||
including obsolete, old, middle-aged and new computers. It exists
|
||
because of the efforts of hundreds of volunteers and donations from
|
||
people in all walks of life.
|
||
|
||
Volunteers and financial support to provide volunteers with the
|
||
assistance they need, is critical to reaching Project Gutenberg-tm's
|
||
goals and ensuring that the Project Gutenberg-tm collection will
|
||
remain freely available for generations to come. In 2001, the Project
|
||
Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure
|
||
and permanent future for Project Gutenberg-tm and future generations.
|
||
To learn more about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation
|
||
and how your efforts and donations can help, see Sections 3 and 4
|
||
and the Foundation web page at http://www.pglaf.org.
|
||
|
||
|
||
Section 3. Information about the Project Gutenberg Literary Archive
|
||
Foundation
|
||
|
||
The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non profit
|
||
501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the
|
||
state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal
|
||
Revenue Service. The Foundation's EIN or federal tax identification
|
||
number is 64-6221541. Its 501(c)(3) letter is posted at
|
||
http://pglaf.org/fundraising. Contributions to the Project Gutenberg
|
||
Literary Archive Foundation are tax deductible to the full extent
|
||
permitted by U.S. federal laws and your state's laws.
|
||
|
||
The Foundation's principal office is located at 4557 Melan Dr. S.
|
||
Fairbanks, AK, 99712., but its volunteers and employees are scattered
|
||
throughout numerous locations. Its business office is located at
|
||
809 North 1500 West, Salt Lake City, UT 84116, (801) 596-1887, email
|
||
business@pglaf.org. Email contact links and up to date contact
|
||
information can be found at the Foundation's web site and official
|
||
page at http://pglaf.org
|
||
|
||
For additional contact information:
|
||
Dr. Gregory B. Newby
|
||
Chief Executive and Director
|
||
gbnewby@pglaf.org
|
||
|
||
|
||
Section 4. Information about Donations to the Project Gutenberg
|
||
Literary Archive Foundation
|
||
|
||
Project Gutenberg-tm depends upon and cannot survive without wide
|
||
spread public support and donations to carry out its mission of
|
||
increasing the number of public domain and licensed works that can be
|
||
freely distributed in machine readable form accessible by the widest
|
||
array of equipment including outdated equipment. Many small donations
|
||
($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt
|
||
status with the IRS.
|
||
|
||
The Foundation is committed to complying with the laws regulating
|
||
charities and charitable donations in all 50 states of the United
|
||
States. Compliance requirements are not uniform and it takes a
|
||
considerable effort, much paperwork and many fees to meet and keep up
|
||
with these requirements. We do not solicit donations in locations
|
||
where we have not received written confirmation of compliance. To
|
||
SEND DONATIONS or determine the status of compliance for any
|
||
particular state visit http://pglaf.org
|
||
|
||
While we cannot and do not solicit contributions from states where we
|
||
have not met the solicitation requirements, we know of no prohibition
|
||
against accepting unsolicited donations from donors in such states who
|
||
approach us with offers to donate.
|
||
|
||
International donations are gratefully accepted, but we cannot make
|
||
any statements concerning tax treatment of donations received from
|
||
outside the United States. U.S. laws alone swamp our small staff.
|
||
|
||
Please check the Project Gutenberg Web pages for current donation
|
||
methods and addresses. Donations are accepted in a number of other
|
||
ways including checks, online payments and credit card donations.
|
||
To donate, please visit: http://pglaf.org/donate
|
||
|
||
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||
Section 5. General Information About Project Gutenberg-tm electronic
|
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works.
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Professor Michael S. Hart is the originator of the Project Gutenberg-tm
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concept of a library of electronic works that could be freely shared
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with anyone. For thirty years, he produced and distributed Project
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Gutenberg-tm eBooks with only a loose network of volunteer support.
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Project Gutenberg-tm eBooks are often created from several printed
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editions, all of which are confirmed as Public Domain in the U.S.
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unless a copyright notice is included. Thus, we do not necessarily
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keep eBooks in compliance with any particular paper edition.
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Most people start at our Web site which has the main PG search facility:
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http://www.gutenberg.org
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This Web site includes information about Project Gutenberg-tm,
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including how to make donations to the Project Gutenberg Literary
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Archive Foundation, how to help produce our new eBooks, and how to
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subscribe to our email newsletter to hear about new eBooks.
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